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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Geovisualisierung: Mit Daten gegen Tropenkrankheiten

Forschungsprojekt von THWS und DAHW setzt auf Geodaten und Schutzmaßnahmen

 © THWS / Mark Vetter

Jedes Jahr sterben Millionen Menschen an den Folgen von Tropenkrankheiten. In vielen Fällen wäre ein schwerer Krankheitsverlauf jedoch vermeidbar. Die THWS arbeitet gemeinsam mit der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe an einem Forschungsprojekt in Togo. Das Ziel: Mit Hilfe von Geodaten soll die Verbreitung von vernachlässigten Tropenkrankheiten untersucht werden.

Veröffentlicht am 02.08.2023

Flussblindheit, Lepra, Schlafkrankheit oder Dengue-Fieber: Etwa 1,7 Milliarden Menschen leiden weltweit unter sogenannten vernachlässigten Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs). Ohne medizinische Behandlung können die Tropenkrankheiten zu dauerhaften Einschränkungen, körperlichen Behinderungen oder zum Tod führen. Zu Ausbrüchen kommt es vor allem in Gebieten des globalen Südens. 

Gemeinschaftsprojekt der DAHW und THWS in Togo

Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) engagiert sich seit Jahren im Kampf gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten. Um die Ausbreitung der Krankheiten einzudämmen, investiert die Organisation in die medizinische Versorgung und Forschung. In einem aktuellen Forschungsprojekt mit der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) soll ein Forschungsteam in Togo mithilfe von Geodaten die Verbreitung der drei NTDs Lepra, Buruli Ulcer und Frambösie untersuchen.

Projektleiter an der THWS ist Prof. Dr. Mark Vetter, Professor für Geovisualisierung. Als einer der Initiatoren des Kooperationsprojekts arbeitet der Geologe zusammen mit seinen Studierenden an der Erhebung und Aufbereitung der Daten. Die DAHW ist bereits seit einiger Zeit in Togo aktiv und betreibt in der Hauptstadt Lomé ein Büro. Das westafrikanische Land zählt zu den ärmsten Regionen der Welt und leidet seit Jahren unter Konflikten, kriegerischen Auseinandersetzungen und Terrorismus. Neben Buruli Ulcer ist vor allem Lepra die in Togo vorherrschende Krankheit. 

Unzureichende medizinische Versorgung

Dass es in Regionen wie dem Land Togo immer wieder zu Krankheitsfällen kommt, sei nicht ungewöhnlich, erklärt Prof. Dr. Vetter. „Die Krankheiten treten oft in den ärmsten und entlegensten Regionen der Welt auf, in denen es schwer ist, infizierte Menschen zu finden und zu diagnostizieren.“ Viele der betroffenen Menschen erhalten daher keine angemessene medizinische Versorgung. Gerade das sei aber ein Problem, erläutert Vetter. Für viele der NTDs gibt es bereits medikamentöse Behandlungen und einige der Krankheiten gelten sogar als heilbar. So zum Beispiel Lepra: Die Krankheit gilt nicht nur als heilbar, sondern ist aufgrund der Möglichkeit einer Prophylaxe mittlerweile vermeidbar. Dennoch erkranken jährlich rund 250.000 Menschen an der Infektionskrankheit. „Es sind nicht die Krankheiten, die vernachlässigt werden, sondern die Menschen“, fasst Vetter den Sachverhalt zusammen. Es sei daher wichtig, die Verbreitung der Krankheiten einzudämmen und die Menschen zu schützen.

Zitat von Prof. Dr. Mark Vetter: „Die Krankheiten treten oft in den ärmsten und entlegensten Regionen der Welt auf, in denen es schwer ist, infizierte Menschen zu finden und zu diagnostizieren.“
Zitat von Prof. Dr. Mark Vetter: „Es sind nicht die Krankheiten, die vernachlässigt werden, sondern die Menschen.“
Portraitbild von Prof. Dr. Mark Vetter
Prof. Dr. Mark Vetter, Inhaber der Professur für Geovisualisierung und Projektleiter von Seiten der THWS (© Sebastian Strauß)

Geodaten als Schlüssel zur Analyse von Lepra, Buruli Ulcer und Frambösie

Genau hier knüpft das Forschungsprojekt von DAHW und THWS an. „Zunächst wurden die Standorte der Krankheitsfälle in einem geografischen Informationssystem erfasst, um räumliche Zusammenhänge und Ausbreitungsmuster zu analysieren“, so Vetter. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen als Grundlage für weitere Kampagnen zur Heilung und Durchführung von Schutzmaßnahmen dienen. Zudem werden in Togo derzeit auch Daten von infizierten Patientinnen und Patienten gesammelt, um Bewegungen und Wanderungen der Krankheiten nachzuvollziehen. Dies ermöglicht es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, potenziell gefährdete Personen zu identifizieren und zu schützen. „Wenn eine infizierte Person beispielsweise den Wohnort gewechselt hat und wir diese Information in der Datenbank erfassen, können wir abschätzen, wo möglicherweise weitere Infektionen auftreten könnten“, erklärt Vetter.

Mit Hilfe der Daten ist das Forschungsteam der THWS in der Lage, thematische Karten zu erstellen. Diese Karten verzeichnen die Krankheitsfälle der letzten zehn Jahre und können dabei helfen, gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Denn ein Teil des Projekts bestehe neben der Datenerhebung auch darin, den Menschen vor Ort zu helfen, so Vetter. „Es gibt beispielsweise bei Lepra die Möglichkeit, mit einer Prophylaxe zu arbeiten, um Menschen, die in Gefahr sind sich zu infizieren, zu schützen.“

Bild von Prof. Dr. Mark Vetter
Prof. Dr. Mark Vetter in seinem Büro in Würzburg. Der Geologe arbeitet zusammen mit seinen Studierenden an der Erhebung und Aufbereitung der Geodaten (© Sebastian Strauß)

Herausforderungen in der Datenerhebung

Die Erfassung der Geodaten in Togo birgt jedoch auch Herausforderungen. Vor allem bei Lepra verbreiten Betroffene den Erreger oftmals, bevor sie selbst die Krankheit bemerken. Zusammen mit einer langen Inkubationszeit von bis zu 20 Jahren gestaltet sich der Nachweis einer Leprainfektion vor dem Ausbruch der Krankheit schwierig. Um dennoch zuverlässige Daten sammeln zu können und Betroffene medizinisch zu versorgen, setzt das Forschungsteam um Prof. Dr. Vetter vor Ort auf Experten der DAHW.

Mithilfe von mobilen Hautkliniken, sogenannten Skin Camps, werden die Bewohnerinnen und Bewohner der Dörfer auf mögliche Hauterkrankungen untersucht und medizinisch versorgt, erklärt Dr. Christa Kasang, Forschungskoordinatorin der DAHW. „Würde man früher diagnostizieren, hätten die Patientinnen und Patienten viel größere Heilungschancen und Folgen wie bleibende Einschränkungen oder Behinderungen würden gar nicht erst entstehen“, so Kasang. Dies sei besonders in dem von Armut und einer schwachen sozioökonomischen Struktur geprägten Norden des Landes ein Problem. Denn hier sei der Zugang zu einer medizinischen Versorgung äußerst begrenzt.

Gruppenbild inklusive Prof. Dr. Mark Vetter und Dr. Christa Kasang
Prof. Dr. Mark Vetter (Projektleiter der THWS; rechts) und Dr. Christa Kasang (Forschungskoordinatorin der DAHW; Fünfte v. li.) zusammen mit Studierenden der THWS und Mitarbeitenden der DAHW vor dem Büro der DAHW in der Hauptstadt Lomé in Togo (© THWS / Mark Vetter)

Studierende der THWS mit Abschlussarbeiten an Projekt beteiligt

An dem Forschungsprojekt in Togo sind auch Absolvierende des Bachelorstudiengangs Geovisualisierung und des Masterstudiengangs Geodatentechnologie der THWS beteiligt. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten reisen die Studierenden für einen mehrmonatigen Auslandsaufenthalt nach Togo. Inzwischen waren bereits vier Studierende vor Ort, unter ihnen auch Niklas Weiß. Der Masterstudent war von Februar bis April dieses Jahres in Togo. „Es ist schwierig, über ein Land zu schreiben, in dem man noch nie war“, sagt Weiß. Daher habe er die Möglichkeit gerne angenommen, im Rahmen seiner Masterarbeit nach Togo zu reisen. In seiner Abschlussarbeit beschäftigt sich der Student mit der Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen in Togo. „Meine Arbeit baut auf den bereits erhobenen Daten zur Verteilung der Krankheitsfälle auf und dient als weiterführende Analyse“, erklärt Weiß.

Die Arbeit von Niklas Weiß könnte die Basis für eine bessere Infrastruktur der Gesundheitseinrichtungen vor Ort sein. „Es macht Spaß zu sehen, dass die Studierenden eigene Erfahrungen sammeln und daneben auch der Bevölkerung in Togo helfen können“, sagt Vetter. Man dürfe sich allerdings keiner Illusion hingeben. „Mit eigener Kraft schafft es das Land nicht, diese Krankheiten zu bekämpfen“, verdeutlicht Vetter. Die THWS versuche daher, Wissen aufzubauen und weiterzugeben. Das langfristige Ziel des Forschungsprojekts: die Einheimischen so zu schulen, dass sie zukünftig selbst dazu in der Lage sind, Daten zu erheben, Karten zu erstellen – und vor allem die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen. 

Weltkarte mit markiertem Standort von Togo
Lage von Togo (© Colourbox / 246978)

Lepra

  • Lepra ist eine chronische Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Mycobacterium leprae verursacht wird
  • Sie betrifft hauptsächlich die Haut, die peripheren Nerven sowie die Schleimhäute der Atemwege und Augen
  • Lepra verursacht Hautläsionen, Taubheit, Muskelschwäche und kann zu Deformitäten und Behinderungen führen

Buruli Ulcer

  • Buruli Ulcer ist eine bakterielle Hauterkrankung, die durch das Bakterium Mycobacterium ulcerans verursacht wird
  • Sie führt zu zerstörerischen Hautläsionen, die oft tiefe Geschwüre hinterlassen und unbehandelt zu dauerhaften Narben und Behinderungen führen können

Frambösie

  • Frambösie, auch bekannt als Tropenbeule, ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Treponema pallidum pertenue verursacht wird
  • Sie betrifft hauptsächlich die Haut, Lymphknoten und Knochen und wird durch direkten Hautkontakt oder gemeinsame Nutzung von Gegenständen übertragen
  • Frambösie verursacht schmerzhafte Geschwüre und Knotenbildung an den betroffenen Stellen
Fokus Grün, Nachhaltigkeit an der THWS

Ein Artikel von 
Sebastian Strauß