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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

ChatGPT: Die digitale Revolution im Hörsaal

Wie Chatbots den Hochschulalltag verändern

 © Adobe Stock khunkorn

Künstliche Intelligenz wird den Alltag und die Prüfungskultur an Hochschulen verändern – das ist mittlerweile unumstritten. Doch Chatbots wie ChatGPT können nicht nur verständliche Texte schreiben, sondern auch kreativ in Seminaren oder zum Lernen eingesetzt werden.

Veröffentlicht am 02.08.2023

Bereits kurz nachdem ChatGPT im November öffentlich zugänglich gemacht wurde, war für Prof. Dr. Andreas Fuchs, Professor für Marketing und Digital Business an der THWS, klar, dass sich dadurch einiges verändern wird. Kurz nach Weihnachten lud er deshalb Kolleginnen und Kollegen zu einer Versammlung ein. Vor Publikum ließ er einen Professor mit Hilfe von ChatGPT die Grundlagen für eine wissenschaftliche Hausarbeit ausarbeiten – samt These, Forschungsfrage und Einleitung. Das Staunen unter den Professorinnen und Professoren war groß. „Da hat es geklickt: Jetzt müssen wir handeln. Wir müssen unbedingt eine Arbeitsgruppe zu dem Thema einrichten“, berichtet Fuchs. „Denn das wird sich so exponentiell verbreiten, dass wir Leitlinien für die Fakultäten brauchen.“

Der Chatbot ChatGPT wurde am 30. November 2022 von der Firma OpenAI aus dem Silicon Valley veröffentlicht – zu den Mitbegründern zählt unter anderem Elon Musk. Seitdem kann jede und jeder online mit dem Chatbot, der auf einer künstlichen Intelligenz basiert, interagieren. Die Nutzerinnen und Nutzer müssen lediglich Fragen oder Befehle in ein Dialogfenster eingeben (sogenannte Prompts) und die Künstliche Intelligenz antwortet auf fast alles. Die Software kann erklären, programmieren und argumentieren. Und das alles in wohlklingenden Sätzen formuliert – dafür sorgt ein eingebautes Grammatiksystem. Innerhalb der ersten zwei Monate hatten sich über 100 Million Nutzer angemeldet. Damit ist ChatGPT die am schnellsten wachsende Verbraucher-Anwendung überhaupt.

An der THWS wird derzeit noch über die Konsequenzen diskutiert. Doch eins steht fest: Der Einzug von KI-basierten Programmen wie ChatGPT in den Hochschullalltag lässt sich nicht mehr aufhalten, nur noch mitgestalten. Prof. Dr. Fuchs, der die Arbeitsgruppe (AG) „Künstliche Intelligenz in der Lehre“ leitet, sieht vor allem zwei Bereiche, die einer Klärung bedürfen: „Zum einen Prüfungen und Abschlussarbeiten. Wir brauchen eine Entscheidungsgrundlage dafür, wie wir damit umgehen, wenn zum Beispiel bei einer Masterarbeit KI im Spiel ist“, sagt Fuchs. „Und die Zweite ist die Anwendung von KI in der Lehre. Das ist auch sehr spannend, weil das nicht nur ein Risiko darstellt, sondern auch eine Chance sein kann.“

Porträtbild Prof. Dr. Andreas Fuchs
Prof. Dr. Andreas Fuchs ist Professor für Marketing und Digital Business sowie Experte für KI-gestützte Prozessautomatisierung (© THWS / Andreas Fuchs)
Porträtbild Dr. Sebastian Biedermann
Prof. Dr. Sebastian Biedermann ist Professor für Cybersecurity und Wirtschaftsinformatik (© THWS / Sebastian Biedermann)

Konsequenzen für Prüfungen und Abschlussarbeiten

Ob eine Hausarbeit mit einer Künstlichen Intelligenz geschrieben oder zumindest unterstützt wurde, werden Lehrende in Zukunft nicht mehr unterscheiden können. „Daher müssen wir uns in Zukunft auch die Frage stellen: Was wird eigentlich bewertet?“, sagt Fuchs. Gemeinsam mit der AG sucht er Antworten auf diese Frage, beispielsweise durch eine stärkere Bewertung der Methodik oder der Interpretation der Ergebnisse. „Bei einer Masterarbeit geht es ja weniger um den Wissensstand, den man erarbeitet, sondern mehr um das Herangehen an das Problem. Das sind ja viel mehr Skills, die man dabei entwickelt, als nur mehr über das Thema zu lernen.“

Zitat von Prof. Dr. Sebastian Biedermann: „Die Entwicklung ist da und wird auch bleiben. Und man muss sehen, wie man das vernünftig integriert.“

Als Künstliche Intelligenz hat ChatGPT selbst kein Recht auf geistiges Eigentum, wie ein Rechtsgutachten der Universitäten Bochum und Münster jüngst feststellte. Da der Bot aber mit echten Texten trainiert wurde, kann es sein, dass Textbausteine als Plagiate angesehen werden könnten. Wer ChatGPT nutzt, sollte die Antworten also genau prüfen und gegebenenfalls selbst nach entsprechenden Validierungen suchen. Denn grundsätzlich gilt für Textpassagen aus ChatGPT das Gleiche wie für andere Quellen auch: Die Quelle muss transparent gekennzeichnet werden.

Für Prof. Dr.-Ing. Sebastian Biedermann, der Cybersecurity an der Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinformatik unterrichtet, stellt sich weniger die Frage nach der Bewertung von Masterarbeiten, sondern nach dem Umgang mit Prüfungen. Er hat bereits angefangen, seine Arbeitsaufträge so umzuformulieren, dass sie weniger anfällig für einen missbräuchlichen Einsatz KI-generierter Texte oder Programmcodes sind. „Ich mache mit meinen Studierenden gerne Gamification-Wettbewerbe. Wenn jemand mit ChatGPT cheatet, wäre das natürlich schade. Das versuche ich zu vermeiden.“ Denn für ihn ist klar: Verbieten ist unmöglich, ignorieren auch. „Die Entwicklung ist da und wird auch bleiben. Und man muss sehen, wie man das vernünftig integriert.“ Da seien auch auf Seiten der Professorenschaft noch Fortbildungen notwendig.

Medienkompetenz wird wichtiger

Wie bei Google gilt auch für ChatGPT: Nicht alles, was die Software ausspuckt, ist auch richtig. Studierende müssen daher lernen einzuschätzen, wie sie die Informationen einordnen sollen, die der Chatbot ausgibt. „Awareness im Umgang mit ChatGPT ist jetzt wichtig“, meint Biedermann. Und ChatGPT irrt mitunter gewaltig. Denn die vom Bot generierten Texte basieren nicht auf fundierten Analysen, sondern reproduzieren letztlich Textvorlagen, die zuvor einprogrammiert wurden. Man sollte also weder den Fakten noch den Quellenangaben unkritisch glauben, selbst wenn sie auf den ersten Blick authentisch erscheinen.

Genau das möchte auch Prof. Dr. Fuchs mit seinen Studierenden einüben. „Wir hatten im Marketing eine Aufgabe, bei der Studierende einen Prompt eingeben sollten und wir haben uns ganz bewusst angeschaut: Was kam da eigentlich raus? Und das Ergebnis haben wir kritisch eingeordnet.“ Hochschulen seien nun in der Verantwortung, Studierende darauf vorzubereiten, was Technologien wie ChatGPT vielleicht in fünf oder zehn Jahren leisten werden. „Wir als Hochschule sind – neben dem, was man zuhause und an den Schulen mitnimmt – eine der wenigen Institutionen, die dafür sorgen können, dass unsere Studierenden auch ein kritisches Denken erlernen. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir uns damit beschäftigen“, so Fuchs.

Zitat von Prof. Dr. Andreas Fuchs: „Wir als Hochschule sind – neben dem, was man zuhause und an den Schulen mitnimmt – eine der wenigen Institutionen, die dafür sorgen können, dass unsere Studierenden auch ein kritisches Denken erlernen. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir uns damit beschäftigen.“

ChatGPT als Lernhilfe

Chatbots wie ChatGPT bieten aber auch Chancen für die Lehre und das Lernen. Sie ermöglichen beispielsweise eine personalisierte Lernerfahrung, indem sie individuelle Fragen beantworten und maßgeschneiderte Inhalte bereitstellen können. Pauline Weber, die Digital Business Systems im Master an der THWS studiert und derzeit ein Auslandssemester in den Niederlanden absolviert, nutzt derzeit ChatGPT fast täglich. Für ihre Kurse muss sie viele wissenschaftliche Artikel auf Englisch lesen. „Ich lasse mir das Ganze dann gerne zusammenfassen, von Deutsch nach Englisch oder umgekehrt übersetzen. Ich frage gezielt nach Konzepten, die ich nicht verstanden habe oder lasse mir Texte aus Stichpunkten generieren.“ Auch in ihrem Kurs über biologische Psychologie hilft ihr der Chatbot vor allem beim Verständnis der Thematik. „Chemie war noch nie meine Stärke. Lese ich einen Artikel dazu, habe ich parallel ChatGPT geöffnet und frage dann zum Beispiel: What are the motor cortex and somatosensory cortex functions? Answer short.“

Zitat von Pauline Weber: „Ich frage gezielt nach Konzepten, die ich nicht verstanden habe oder lasse mir Text aus Stichpunkten generieren.“

Künstliche Intelligenz wird noch viel verändern

Die Einsatzmöglichkeiten von Chatbots im Hochschulalltag sind also durchaus vielfältig. Es bedarf lediglich ein wenig Einarbeitung, bis man lernt, die richtigen Fragen zu stellen und das Programm mit den nötigen Informationen zu füttern. Der Einzug von KI in Forschung und Lehre führt zu Umbrüchen, die alle bisherigen Abläufe und lang gepflegten Denkmuster in Frage stellen. Und dabei sind wir gerade erst am Anfang.

Kurz gesagt: Als Ideengeber, Nachschlagewerk oder Inspiration ist ChatGPT ein durchaus hilfreiches Tool. Man sollte trotzdem nicht blind auf die Antworten vertrauen. Um ein ausgewogenes Verhältnis von menschlicher Interaktion und technologischer Unterstützung zu erreichen, sind die Hochschulen jetzt gefordert den Einsatz von ChatGPT und KI im Studium verantwortungsvoll zu gestalten.

Ki-generiertes Bild
Dieses Symbolbild wurde mithilfe von ChatGPT und dem Text-zu-Bild-Tool von Adobe erstellt (© Lara Kleinkauf)

ChatGPT - Künstliche Intelligenz für natürliche Sprachverarbeitung

ChatGPT ist eine öffentlich zugängliche KI-basierte Software-Plattform der Firma OpenAI, die speziell für die Verarbeitung natürlicher Sprache entwickelt wurde. ChatGPT ist ein Werkzeug, das es den Nutzerinnen und Nutzern ermöglicht, auf einfache und interaktive Weise mit KI-gesteuerten Textmodellen zu kommunizieren. Bis zum Jahr 2021 wurde die Plattform mit großen Textmengen aus Internet und E-Books quasi trainiert. Nach der Vorgabe eines sogenannten „Prompts“ – einer sprachlichen Eingabe durch den Nutzer – erledigt ChatGPT verschiedene Aufgaben. Dazu gehört das Generieren, Zusammenfassen oder Übersetzen von Texten sowie Programmieren. Aus den ChatGPT zugrunde liegenden Trainingsdaten können jedoch Ungenauigkeiten und Vorurteile resultieren, die problematisch sein können.

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Ein Artikel von 
Lara Kleinkauf