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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Gamification in der Lehre: Spielerisch zur sozialen Start-up-Gründung

In der Gründungslehre an der THWS lernen Studierende anhand von Brettspielen

 © Colourbox The img

Mit dem Brettspiel „Pitch your green Idea“ entwickeln Studierende an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt eine Gründungsidee. Jetzt soll das Spiel „Feel – Act – Change“ das Lehrangebot erweitern. Über Gamification in der Lehre an der THWS.

Veröffentlicht am 02.08.2023

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ – Diese Redewendung hat vermutlich jeder schon mal gehört. Erst müssen die Hausaufgaben gemacht werden, dann dürfen die Kinder raus zum spielen – so war es schon in der Grundschule. Doch Arbeit und Spaß müssen nicht so deutlich voneinander getrennt werden. In den letzten Jahren hat sich im Zuge der Digitalisierung das Konzept der sogenannten Gamification oder auch Spielifizierung stark verbreitet. Das Konzept beschreibt die Verschmelzung von Arbeit und Spaß. Mittels Gamification sollen unangenehme, langweilige oder auch sehr schwierige Aufgaben spielerisch zugänglicher gemacht werden. So beschreibt es die Bundeszentrale für politische Bildung.

Bild des Brettspiels „Pitch your green Idea“
Das Brettspiel „Pitch your green Idea“ wird seit dem Wintersemester 2022/23 in der Gründungslehre eingesetzt (© THWS / Monika Waschik)

An der THWS kommt Gamification schon an verschiedenen Fakultäten zum Einsatz – auch in der Gründungslehre. Am Campus Angewandte Forschung (CAF) ist das Projekt EntrepreneurSHIP angesiedelt. In diesem Projekt wird die Gründungskultur der THWS ausgebaut. SHIP steht dabei für „Sensibilisierung und Hebung Innovativer Potenziale“. Die Mitarbeitenden des Projekts sensibilisieren und qualifizieren Studierende für alle Fragen rund um die berufliche Selbstständigkeit und Start-ups. Aktuell stehen dabei gesellschaftliche Aspekte des Gründungsprozesses und nachhaltige Geschäftsmodelle im Vordergrund. „Seit dem Wintersemester 2022/23 setzen wir dafür beispielsweise das Brettspiel ‚Pitch your green Idea‘ in Lehrveranstaltungen und Workshops ein“, sagt Dr. Felix Liedel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am CAF.

Portraitbild von Dr. Felix Liedel
Dr. Felix Liedel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Campus Angewandte Forschung und begleitet das Projekt EntrepreneurSHIP (© Franziska Jahn)

Das Brettspiel „Pitch your green Idea”

„Pitch your green Idea“ ist eine Mischung aus Gesellschafts- und Planspiel, bei dem eine Gründungsidee entwickelt wird. Das Spiel stellt die Spielenden vor gesellschaftliche Herausforderungen, für die im Spielverlauf unternehmerische Lösungen gefunden werden müssen. Dafür sollen die Spielenden ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigen. Die dabei entstandene Gründungsidee kann anschließend als Grundlage für eine reale Geschäftsidee dienen. Somit kennt das Spiel weder Gewinner noch Verlierer. Das Spiel lässt sich in zwei Varianten spielen: Die kurze Variante dauert etwa zwei Stunden, die ausführliche Variante kann auch schon mal sechs Stunden füllen.

Die Vorteile von „Pitch your green Idea“ sind für Dr. Liedel klar: „Das Spiel schult eine Vielzahl unterschiedlicher Kompetenzen. Darunter kreatives Denken, Problemlösungsbewusstsein, kooperative Zusammenarbeit und Präsentationstechniken.“ Spiele würden ganz einfach sehr viel Spaß machen, was in Lernumgebungen nur von Vorteil sein könne. Studierende, die das Spiel bisher gespielt haben, seien mit viel Spaß und Engagement bei der Sache, so sein Eindruck.

Zitat von Dr. Felix Liedel: „Spiele machen ganz einfach sehr viel Spaß. In Lernumgebungen kann das nur von Vorteil sein.“
Zitat von Chantal Ebelsheiser: „Mit ‚Feel – Act – Change‘ hoffen wir, einen Funken Begeisterung wecken zu können für Sozialunternehmertum.“

Erweitertes Gamification-Angebot an der THWS

Zusätzlich zu „Pitch your green Idea“ soll das Lehrangebot ab August durch das Spiel „Feel – Act – Change“ erweitert werden. Das EntrepreneurSHIP-Team der THWS hat das Spiel selbst entwickelt. Dafür veranstaltete das Projektteam im Dezember 2022 einen Workshop, bei dem sich die Netzwerkpartner der mainfränkischen Gründungszentren und weiterer Institutionen gemeinsam in das erste Spielkonzept einbrachten. Aus den im Workshop gesammelten Ideen ist „Feel – Act – Change“ letztlich entstanden.

Auch in diesem Spiel soll in drei Phasen eine soziale Gründungsidee entwickelt werden. Mitentwicklerin dieses Spiels ist Chantal Ebelsheiser. Sie ist EntrepreneurSHIP-Coachin, Trainerin und Lehrkraft für soziale Innovationen, soziales Unternehmertum und Nachhaltigkeit an verschiedenen Hochschulen. Für das Projekt an der THWS arbeitet sie mit ihrem Kollegen Michael Kriegel zusammen. „Mit ‚Feel – Act – Change‘ hoffen wir, einen Funken Begeisterung wecken zu können für Sozialunternehmertum“, erzählt Ebelsheiser. „Die Spielenden sollen merken, wie viel Gestaltungskraft wir haben und dass wir Marktmechanismen für die Lösung von gesellschaftlichen Problemen nutzen können.“ 

Vorteile von Gamification

Im spielerischen Testen, Ausprobieren und Lernen in einem geschützten Rahmen und der Möglichkeit, ohne Konsequenzen zu verlieren, sieht Ebelsheiser einen großen Vorteil von Gamification: „In der echten Welt wird das Fehlermachen, besonders bei uns in Deutschland, als etwas Unangenehmes empfunden. Das Spielen gibt uns die Erlaubnis dafür.“ Dadurch, dass in gamifizierten Umgebungen unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden müssen, schulen sich die Spielenden darin, zugrundeliegende Muster zu erkennen und sie einzubinden. In Spiele eingebaute Belohnungsmechanismen und Spielziele motivieren die Spielenden, was die Chancen auf einen Lernerfolg erhöht.

Gamification lässt sich in nahezu allen Bereichen einsetzen, besonders in der Lehre. Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Tools, mit deren Hilfe sich Lehrinhalte spielifizieren lassen. Lehrende, die bisher noch nicht mit Gamification unterrichten, können mit fertigen Spielsystemen wie „Pitch your green Idea“ und „Feel – Act – Change” schnell und unkompliziert mittels Gamification ins Unterrichten starten. Dafür müssen sie nur die pädagogische Intention des jeweiligen Spiels verstehen und vermitteln. Prinzipiell sind jedoch alle Spiele Lernspiele. Denn auch das Spielen von reinen Unterhaltungsspielen vermittelt und schult Meta-Kompetenzen.

Gamification ist laut Ebelsheiser aber auch kein Allheilmittel, das in jedem Kontext funktioniert. Schließlich kann eine Spielifizierung die Lernenden auch überfordern. Die Wahl der Spielifizierung muss deshalb der Zielgruppe entsprechen. Auch Studierende unterscheiden sich in der Offenheit gegenüber Gamification je nach Fachbereich. „Bei Studis merken wir, dass teilweise Studierende aus der klassischen Betriebswirtschaftlehre weniger offen sind für Gamification, als welche aus den Medienwissenschaften,“ so Ebelsheiser. „Je gemixter die Teams, desto einfacher ist es für alle, sich darauf einzulassen.“.

Gamification ist kein neumodisches Konzept

Gamifizierte Lernräume seien weniger modern und progressiv als es zunächst scheine, meint Dr. Felix Liedel. „Das Spielen ist eines der ältesten Kulturgüter der Menschheit, und zwar aus gutem Grund. In Spielen lernen wir uns selbst und andere zu verstehen, gesellschaftliche Rollen anzunehmen, kooperativ zu handeln, Ziele zu definieren und Probleme zu lösen.“ Durch Spielen lässt sich ein kindliches Interesse aktivieren, wodurch eine Neugier entsteht, die viele Kinder automatisch mitbringen. Einige Erwachsene würden diese Neugier über die Jahre verlieren, wie Ebelsheiser erläutert.

Chantal Ebelsheiser kann sich vorstellen, dass sich Gamification in der Lehre noch weiter ausbreiten wird, da das Bedürfnis nach innovativen Lehrformen da ist und der Trend sich vom Frontalunterricht und Auswendiglernen wegbewegt. „Es ist wichtig für eine Gesellschaft, die Lust am Lernen zu erhalten“, so Ebelshauser. „Bei der Lehre sollte bedacht sein, diese Lust am Lernen zu fördern und erhalten zu wollen.“ Gamification könne dabei unterstützen.

Zitat von Chantal Ebelsheiser: „Es ist wichtig für eine Gesellschaft, die Lust am Lernen zu erhalten.“
Fokus Grün, Nachhaltigkeit an der THWS

Ein Artikel von 
Franziska Jahn