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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Formula Student: Das Mainfranken-Racing-Team der THWS

Motorsport hautnah: Von Studierenden konstruierte Fahrzeuge im Wettbewerb

 © FSCzech

Schrauben, Planen, Konstruieren und Rennen fahren: All das ist beim studentischen Motorsportteam Mainfranken Racing e. V. möglich.

Veröffentlicht am 02.08.2023

Wer an Motorsport denkt, assoziiert diesen meist mit der Formel 1. Viele kennen die Königsklasse des Rennsports aus den zahlreichen TV-Übertragungen. Doch nicht jedem reicht es, den Rennautos vom Sofa aus zuzusehen, wie sie ihre Runden drehen. THWS-Studierende können auch beim Mainfranken-Racing-Team selbst anpacken und Motorsport-Luft schnuppern. Das Team kann bereits auf eine lange Historie zurückblicken: „Angeregt durch verschiedene Reportagen zur Formula Student im Ausland und geboren aus der Idee einzelner motorsportbegeisterter Studenten wurde das Projekt an der THWS 2006 gestartet“, so Julia Neubig, die erste Vorstandsvorsitzende des Teams.

Formula Student – ein studentischer Konstruktionswettbewerb

Doch was ist überhaupt die Formula Student? Dabei handelt es sich um einen Wettbewerb, bei dem Hochschulteams einen einsitzigen Rennwagen konstruieren und fertigen. Für die Planung und den Bau des Fahrzeugs haben die Teams von Oktober bis August Zeit. An verschiedenen Renn-Events treten die Teams dann mit ihren Fahrzeugen in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an. Doch nicht nur die Geschwindigkeit auf den vorgegebenen Tracks entscheidet über den Gesamtsieg. Die sogenannten statischen Disziplinen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Dazu gehört etwa die Präsentation des Designs und des Businessplans, aber auch eine Kostenaufschlüsselung.

Bevor der eigentliche Wettbewerb beginnt, müssen die Teams die technische Abnahme, das sogenannte “Scrutineering“, bestehen. Bei Fahrzeugen der Formula Student Electric, also mit elektrischem Antriebsstrang, werden die elektrische Sicherheit sowie die Technik und Sicherheit allgemein geprüft. Darüber hinaus durchlaufen die Fahrzeuge einen „Kipptisch“ genannten statischen Test, einen Regentest und einen Bremstest. Erst wenn all diese Prüfungen erfolgreich bestanden sind, werden die Fahrzeuge zum Wettbewerb zugelassen. „Das ist oft ein spannender Moment, denn es wäre super ärgerlich, dort durchzufallen. Damit wäre die ganze Arbeit im Vorfeld umsonst“, so Julia Neubig, die schon einige Prüfungen hautnah miterlebt hat. 

Mit Elektromotor und ohne Fahrer an die Spitze

Aktuell baut das THWS-Team das vierte Fahrzeug mit E-Motor und hat auch in dieser Saison wieder große Pläne, die sich gerade in der Umsetzung befinden. Unter anderem wird zum zweiten Mal ein Monocoque aus Carbonfaser gefertigt. Ein Monocoque ist eine spezielle Konstruktion, die das Chassis bildet und den Rahmen ersetzt. Dadurch kann eine höhere Stabilität bei weniger Masse im Fahrzeug erreicht werden. Der Fertigungsprozess allerdings ist sehr aufwendig und erstreckt sich über mehrere Monate.

Der Umstieg von einem Verbrennungsmotor auf ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug hatte nicht nur umwelttechnische Gründe: „In der Automobilindustrie geht es immer mehr in Richtung erneuerbare Energien und Elektromobilität. Das ist natürlich auch für uns relevant“, erklärt Julia Neubig. „Viele im Team sind angehende Ingenieure und zukünftig auch in diesem Bereich tätig. Deshalb war der Umstieg auf Elektro für uns ein Muss.“ Der Anspruch an das Fahrzeug und an die eigene Arbeit ist groß. „Wir wollen auf jeden Fall driverless fahren, doch das ist eine große Herausforderung“, so die Vorstandsvorsitzende. Die neue Technik zu implementieren, sei nicht einfach von einem auf den anderen Tag möglich. „Ich bin aber dennoch zuversichtlich“, betont Julia Neubig. 

Zitat von Julia Neubig: „In der Automobilindustrie geht es immer mehr in Richtung erneuerbare Energien und Elektromobilität. Das ist natürlich auch für uns relevant.“
Studierende posen rund um ihr Fahrzeug.
Formula Student Germany (© Rankin)
Zitat von Julia Neubig: „Wir freuen uns über neue Mitglieder aus allen Fachrichtungen. Der Hauptaspekt ist einfach, dass man Spaß und Lust auf das Projekt und die Menschen hat.“

Ein bunt gemischtes Team

Wer glaubt, dass nur Motorsportfans oder Studierende mit einem technischen Studiengang Teil des Teams werden können, der liegt falsch. „Wir freuen uns über neue Mitglieder aus allen Fachrichtungen. Der Hauptaspekt ist einfach, dass man Spaß und Lust auf das Projekt und die Menschen hat“, sagt Neubig, die sich in der aktuellen Saison viel um die Sponsorensuche gekümmert hat. Tatsächlich ist das Team bunt zusammengemixt. Neben den Studierenden aus den vermeintlich naheliegenden Studiengängen wie Maschinenbau, Elektrotechnik, Robotik oder Mechatronik sind auch Studierende aus den Fachrichtungen E-Commerce, Betriebswirtschaftslehre oder Medienmanagement dabei.

Aktuell zählt das Rennteam 40 aktive Mitglieder und ist neben der Leitung in sieben Teilbereiche aufgeteilt. Dazu gehören Sponsoring & Marketing, Chassis, Drivetrain, Fahrwerk, High Voltage, Low Voltage und Driverless. Die Leitung haben Julia Neubig, Alex Schwenke, Alexander Mölkner und Jannes Amthor. Der „Rennstall“ des Teams befindet sich im Labor Fahrzeugtechnik am Schweinfurter Standort der THWS. 

Bild des Mainfranken-Racing-Teams
Das Mainfranken-Racing-Team zählt aktuell 40 aktive Mitglieder. Auf dem Foto zu sehen v. l. n. r.: Max Böhm, Julia Neubig, Alexander Mölkner, Loreto Steiger, Jannes Amthor und Tim Braungardt (© Kai Kunzmann)

Die beteiligten Studierenden begeistern sich auf vielfältige Art und Weise für das Projekt. Alexander Mölkner, der für die Finanzen im Team verantwortlich ist, begeistert sich besonders für den Entstehungsprozess. „Zu sehen, wie aus einem völlig weißen Blatt Papier am Anfang der Saison ein komplett fertiges Fahrzeug am Ende der Saison wird, ist einfach toll“, so der Maschinenbau-Student. Für Max Böhm, der vor allem für die Fertigung des Monocoques verantwortlich ist, ist hingegen die Teamarbeit der entscheidende Faktor. Die Erfahrungen, die er im Zuge des Projekts gesammelt hat, würden ihm zudem auch in anderen Lebensbereichen weiterhelfen: „Hier lernt man super mit Stress umzugehen, da wir von Planung bis Fertigung des Fahrzeugs nur ein kurzes Zeitfenster zur Verfügung haben. Außerdem hat man die Möglichkeit Sachen, die man im Studium in der Theorie gelernt hat, gleich am Fahrzeug praktisch auszuprobieren.“

Zitat von Alexander Mölkner: „Zu sehen, wie aus einem völlig weißen Blatt Papier am Anfang der Saison ein komplett fertiges Fahrzeug am Ende der Saison wird, ist einfach toll.“

Enge Kooperation mit lokalen Unternehmen

Gefördert wird der Verein durch Sponsoren, die entweder Geld bereitstellen oder sich an der Fertigung von einzelnen Teilen beteiligen. Zu den großen Sponsoren zählen beispielsweise Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Jopp Group, Geiss AG und Fertigungsgerätebau Adolf Steinbach GmbH & Co. KG. „Ohne die Zusammenarbeit mit lokalen Sponsoren wäre der Bau eines Rennwagens nicht möglich. Die Firmen unterstützen uns mit ihrer Expertise und können Teile herstellen, die wir ohne ihre Hilfe nicht selbst bauen können“, so Julia Neubig. Die meisten Sponsoren sind selbst in der Automobilbranche tätig. Es gibt aber auch beispielsweise Unterstützer wie den Getränkehersteller Karmeliter, der Getränke stiftet, oder die VR-Bank Main-Rhön eG, die das Projekt einfach nur finanziell unterstützt. Im Gegenzug finden die Logos der Sponsoren Platz auf der Karosserie des Rennwagens.

Der Fahrplan für die kommende Saison

Bis August hat das Team noch Zeit an seinem Fahrzeug zu tüfteln – dann steht das erste Rennen auf dem Plan. Insgesamt sollen in dieser Saison drei Wettbewerbe bestritten werden. Das wichtigste Event findet am Hockenheimring statt, an dem bis zum Jahr 2019 noch regelmäßig der Formel 1 Grand Prix von Deutschland ausgetragen wurde. Dort soll es für das Team bis nach ganz vorne gehen: „Wir peilen eine Top 10 Platzierung an. In Relation zu den 70 teilnehmenden Teams in der elektrischen Klasse wäre das ein großer Erfolg“, erklärt Neubig. Ein realistisches Ziel – schließlich erreichte das Vorvorgänger-Fahrzeug „MF 13“ im Jahr 2021 bereits eine ähnliche Platzierung. Eine weitere Station und ebenfalls ein prestigeträchtiger Formel-1-Ort ist der Hungaroring in Ungarn. Daneben ist auch noch eine Teilnahme in Tschechien geplant. Spannung ist also garantiert.

Ein Artikel von 
Kai Kunzmann