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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Robotik: Forschungslabore bieten Studium zum Anfassen

Seit knapp zwei Jahren gibt es den Bachelorstudiengang Robotik in Schweinfurt

 © Stefan Bausewein

Im Oktober 2020 startete am THWS-Standort Schweinfurt der erste deutsche Bachelorstudiengang, der sich hauptsächlich mit den softwaretechnischen Aspekten der Robotik beschäftigt. Inzwischen können Lehrende und Studierende auf fast vier Semester zurückblicken – und ziehen ein positives Zwischenresümee.

Einen Robotik-Studiengang während einer Pandemie anlaufen zu lassen, klingt erstmal nach einem schwierigen Unterfangen. Gerade Kurse mit praktischem Fokus und einem hohen Bedarf an Technik können schließlich schlecht vom Laptop aus stattfinden. „Haben sie auch nicht. Unsere Labore waren zugänglich und wir konnten alle Praktika weiterhin als Präsenzpraktika durchführen“, erklärt Prof. Dr. Jean Meyer, Studiengangleiter für Robotik an der THWS in Schweinfurt. Auch der Einsatz der online-gestützten Medien habe von Anfang an ziemlich gut funktioniert. Der Robotik-Startschuss im Oktober 2020 sei somit angesichts des Timings und der Pandemie in Meyers Augen besser gelaufen als gedacht. Simon Kreft sieht das ähnlich. Er ist Student im vierten Semester und somit seit Gründung des Studiengangs dabei. „Die Zeit während Corona bot zwar weniger Interaktion, aber die Praktika liefen auch mit Hygienekonzept und in kleineren Gruppen sehr gut“, erinnert sich Kreft.

Fast jede Woche Praktikum mit Robotern

Prof. Dr. Meyer sieht die Praktika als wichtigsten Baustein des Studiengangs. Aus eigener Erfahrung weiß er, dass man als Robotiker ein Stück weit aus einem anderen Holz geschnitzt sein muss. Die vergangenen Semester haben ihn darin bestärkt: „In anderen Studiengängen sehen wir oft eine gewisse Scheu, etwas aus der Theorie in die Praxis umzusetzen. Unsere Studierenden aber haben keine Angst, Dinge anzufassen.“ Hätte Simon Kreft diese Angst, wäre er wohl heute nicht mitten im vierten Semester. Fast jede Woche habe er zurzeit ein Praktikum, bei dem er mit Robotern und Software arbeite. Zudem seien auch die theoretischen Inhalte des Studiums – wie beispielsweise das Vorlesungsfach „Programmieren“ – teilweise eher praktischer Natur.

Zitat von Prof. Dr. Jean Meyer: „Unsere Studierenden haben keine Angst, Dinge anzufassen.“ – Prof. Dr. Jean Meyer „Im letzten Jahr hatten wir 300 Bewerber aus dem Ausland. Sie kommen aus der ganzen Welt.“

Eine Besonderheit des Studiengangs ist die Integration in das TWIN-Konzept. Dem deutschsprachigen Studiengang steht der inhaltsgleiche, englischsprachige Studiengang Robotics gegenüber. Dieser soll Interessierte aus aller Welt anziehen. Er soll aber auch allen die Möglichkeit geben, Teile des Bachelors auf Englisch und andere Teile auf Deutsch zu absolvieren, um am Ende ein TWIN-Zertifikat zu bekommen. Was den globalen Andrang betrifft, wurden die Erwartungen übertroffen. „Im letzten Jahr hatten wir 300 Bewerber aus dem Ausland. Sie kommen aus der ganzen Welt“, freut sich Prof. Dr. Meyer. Zur Qualitätssicherung fordert die THWS von den Bewerberinnen und Bewerbern einen Studierfähigkeitstest, bei dem unter anderem Sprachverständnis und Ausdrucksvermögen überprüft werden. „An dieser Hürde sind leider viele gescheitert. Am Ende konnten aber immer noch 40 Studierende aus dem Ausland ihr Studium bei uns aufnehmen“, so der Studiengangleiter.

Aus Indien über Afrika nach Schweinfurt

Es ist dem TWIN-Programm zu verdanken, dass Menschen wie Ragini Pawar in Schweinfurt Robotik studieren. Die gebürtige Inderin lebte 20 Jahre in Sambia und wurde durch ihr technisches Interesse schnell auf Robotics in Schweinfurt aufmerksam. Heute ist sie als Studiengangbotschafterin tätig und steht vor allem ausländischen Studierenden als Ansprechpartnerin zur Verfügung. „Zu mir kommen teilweise aber auch deutsche Studierende, die zwischen deutsch und englisch wechseln möchten und Fragen haben“, erzählt Pawar. Das TWIN-Programm halte sie für eine gute Idee, sei aber auch der Ansicht, dass die Option des bilingualen Studiums den deutschen Studierenden im Durchschnitt etwas mehr bringe als denen aus dem Ausland. „Viele trauen sich nicht in die deutschen Kurse, weil sie mindestens Sprachniveau B2 haben müssen, um die Inhalte und Begrifflichkeiten zu verstehen“, so Pawar. Manche studierten daher erst Deutsch und im Anschluss Robotik.

In einer anderen Hinsicht ist Pawar bislang die große Ausnahme. Unter den aktuell 170 Studierenden in Schweinfurt liegt die Zahl der Frauen im unteren zweistelligen Bereich. Prof. Dr. Meyer hat aber eine Idee, wie sich diese Quote verbessern lassen könnte: Männer würden sich insgesamt eher vom Bereich der Industrierobotik angezogen fühlen, während Frauen die Servicerobotik und Humanoide – menschenähnliche Roboter mit Gesichtern,– bevorzugen. Meyers Devise: „Wir sollten versuchen, das möglichst ausgeglichen darzustellen und mit Blick auf die weiblichen Bewerberinnen humanoide Roboter eher in den Vordergrund stellen.“ Pawar passt in Meyers Bild und interessiert sich besonders für diesen Bereich der Robotik. Er sei noch am wenigsten erforscht und man habe das Gefühl, etwas Neues zu erreichen, sagt die Studentin.

Studierende im Robotik-Labor arbeiten an einem Programm zur Robotersteuerung
Die Robotik-Studierenden profitieren am Standort in Schweinfurt von einer Vielzahl an Laboren. (Foto: Amelie Seidel)

Zusammenarbeit mit Firmen als Symbiose

Das Center Robotics (CERI) bietet mit seinen Räumlichkeiten und seiner Ausstattung eine ideale Umgebung für den Studiengang. So gibt es auch Raum für Forschungsprojekte in Kooperation mit Firmen. Prof. Dr. Meyer beschreibt die Zusammenarbeit zwischen der THWS und den Firmen als Symbiose: „Die Studierenden profitieren von Abschlussarbeiten, Praxissemestern und letztlich auch Jobangeboten. Die THWS kann Forschungsarbeiten umsetzen und die Firmen können gut ausgebildete Studenten einstellen und dem Fachkräftemangel entgegenwirken“, fasst er zusammen.

Simon Kreft und Ragini Pawar haben gerade die Halbzeit ihres Bachelors hinter sich und stellen sich auf das fünfte Semester ein, das im Studiengang Robotik ein Praxissemester ist. Kreft wird einige Monate bei Bayer in Leverkusen im Forschungslabor für Robotik arbeiten. Für die Zukunft nach dem Bachelor kann er sich vorstellen, noch einen Master anzuhängen und sich anschließend im Bereich der Servicerobotik selbstständig zu machen. „Viele meiner Freunde studieren dual in Schweinfurt und können sich vorstellen, hierzubleiben“, so Kreft.

Zitat von Ragini Pawar: „Das praktische Arbeiten und die vielen Labore machen den Studiengang attraktiv.“

Inhalte und Zusammenhänge spannend vermittelt

Für Pawar steht außer Frage, dass sie weiterhin Robotik in Schweinfurt studieren möchte: „Der Studiengang ist besser, als ich erwartet hatte. Das praktische Arbeiten und die vielen Labore machen ihn sehr attraktiv.“ Auch das Verhältnis zu den Professoren beschreibt sie als sehr gut. Jeder von ihnen habe einen eigenen Lehrstil und schaffe es, die Inhalte und Zusammenhänge so rüberzubringen, dass man geradezu behalten müsse, was man gelernt habe. Auch Kreft ist angetan von der guten Ausstattung. Außerdem seien die Themen „genau das, was ich mir vorgestellt habe. Viel naturwissenschaftlich, viel technisch – genau da liegen meine Stärken und Interessen“.

Vor vier Semestern sagte Forschungsprofessor Dr. Tobias Kaupp, dass es zunächst darum gehe, „den Samen einzupflanzen, um zu gucken, was daraus gedeiht“. Für ein abschließendes Urteil ist es seinem Kollegen Prof. Dr. Jean Meyer zwar noch zu früh. Wie groß die Ernte sein werde, könne man in zwei Jahren absehen, sagt er – dann, wenn die ersten das Studium abschließen werden. „Was wir aber nach knapp vier Semestern auf jeden Fall festhalten können, ist, dass der damalige Samen gut aufgegangen ist“, so Prof. Dr. Meyer. „Die Pflanze gedeiht prächtig.“

Prof. Dr. Jean Meyer mit dem humanoiden Roboter Pepper
Humanoide Roboter wie Pepper – hier neben Prof. Dr. Jean Meyer – faszinieren sowohl durch menschliches Aussehen als auch durch Interaktionsvermögen. (Foto: Amelie Seidel)

Ein Artikel von 
Felix Hüsch