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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

FHWS-Gebäude: Von Genies, Spionen und zeitloser Architektur

Wie sich die Geschichte der letzten 160 Jahre in den Gebäuden der FHWS spiegelt

 Quelle: FHWS Archiv

Der technische Aufbruch im 19. Jahrhundert, der Kalte Krieg, die geistige Freiheit der 1960er Jahre und das Streben nach Nachhaltigkeit von heute. Diese Aspekte der Zeitgeschichte spiegeln sich in den Gebäuden der FHWS wider – und sind es wert, erhalten zu werden.

Am 8. November 1895 gelang einem Physiker in Würzburg eine Entdeckung, die bis heute unzähligen Menschen hilft oder sogar ihr Leben rettet: In seinem Labor am Pleicherring 8 führte er am späten Abend ein Experiment mit Kathodenstrahlen durch. Dabei fiel ihm auf, dass Kristalle in der Nähe fluoreszierten. Die Strahlen, welche für dieses Phänomen verantwortlich waren, nannte Wilhelm Conrad Röntgen X-Strahlen. Den Pleicherring gibt es in Würzburg heute nicht mehr, weil die Straße heute, genau wie die Strahlen, Röntgens Namen trägt. Der jetzige Röntgenring 8 beheimatete damals noch das Physikalische Institut der Universität. Seit 1978 wird das Gebäude von der FHWS genutzt. Heute werden am Campus Röntgenring die Studiengänge Kunststoff- und Elastomertechnik, Vermessung und Geoinformatik, Architektur sowie Bauingenieurwesen gelehrt.

Röntgens Labor in Würzburg
Röntgens Labor in Würzburg, in dem er durch Zufall die nach ihm benannten Strahlen entdeckte. (Quelle: FHWS Archiv)
Campus Röntgenring
Der Campus Röntgenring erstreckt sich über fünf Gebäudeteile. (© Stefan Bausewein)

Da das Gebäude von den Bombardements im Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont blieb, ist ein großer Teil der historischen Substanz erhalten. Sogar Röntgens alter Hörsaal, in dem er seine Vorlesungen im Flüsterton vortrug, wird heute noch von der FHWS genutzt. Der Altbau bringt aber auch Nachteile mit sich, sagt Prof. Dr. Normen Langner, an der FHWS Vizepräsident für den Bereich Bau: „Das Alter einiger Gebäude ist eine große Herausforderung. So können auch alltägliche Umbauten wie der Abriss einer nichtragenden Wand schnell kosten- und planungsintensiv werden.“ Doch trotz der teils mühsamen Instandhaltung ist es der FHWS wichtig, das Gebäude zu bewahren. Die letzte Sanierung des Campus Röntgenring fand 2017 statt, und auch für die Zukunft ist der Standort fest eingeplant: „Wir planen einen richtigen Campus mit drei Neubauten am Röntgenring. Die Pläne sind noch nicht final, das Budget ist aber bereits gesichert“, so Langner.

Zitat von Prof. Dr. Normen Langner: „Das Alter einiger Gebäude ist eine große Herausforderung.“
Außenansicht des 1863 erbauten Campus Hella Waltenberger in der Randersackerer Straße 15. (© FHWS/Katja Bolza-Schünemann)

Wohnhaus, Spionagequartier und Hochschulstandort

Ein weiterer baulicher Zeitzeuge befindet sich in der Würzburger Sanderau. Der Campus Hella Waltenberger in der Randersackerer Straße 15 blickt auf eine mittlerweile 158-jährige Geschichte zurück. Heute finden hier Veranstaltungen von Campus Weiterbildung und Campus Sprache statt, aber das war nicht immer so: Erbaut wurde die Villa 1863 im klassizistischen Stil als Wohnhaus für den Würzburger Kaufmann Philipp Treutlein. Dann wurde sie 1908 zur Heimat der Studentenverbindung Corps Makaria. Wo heute ein Parkplatz ist, konnten sich die Makaren Anfang des 20. Jahrhunderts noch über einen Tennisplatz und einen großen Garten freuen. Doch diese Freude hielt nicht an: 1936 erzwangen die Nationalsozialisten die Auflösung aller Studentenverbindungen. So musste das Anwesen verkauft werden – und wurde von Ludwig und Anna Höret erworben, die dort mit ihren beiden Kindern einzogen. Später erinnerte sich Tochter Hella Waltenberger, geborene Höret, gerne an diese Zeit zurück: „Ich hatte das Glück, meine Kindheit in dem großen, naturbelassenen Garten zu verbringen.“ Und das stabile Kellergewölbe des Hauses rettete in der Bombennacht vom 16. März 1945 ihr Leben und das ihrer Familie.

1978 zog der Militärische Abschirmdienst (MAD) ein und nutzte das Gebäude bis 1994. Was genau die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Geheimdienstes hinter den historischen Mauern machten, bleibt geheim – die Pressestelle verweist lediglich auf Aufgaben in den Bereichen der Spionage- und Sabotageabwehr sowie der Terrorismus- und Extremismusabwehr. Ab 1995 wurde die Villa dann an die FHWS vermietet, seit 2017 ist die Hochschule dank der Schenkung von Hella Waltenberger Eigentümerin. „Ich schätze die FHWS und die Art der Ausbildung sehr hoch und möchte für die nachfolgenden Generationen meinen Beitrag leisten“, kommentierte die 2017 Verstorbene ihr Vermächtnis.

Zeitlose Architektur reibt sich mit modernen Vorschriften

Auch in Schweinfurt findet sich ein historisches Gebäude, das allerdings in einem modernen Gewand daherkommt: Im früheren Balthasar-Neumann-Polytechnikum, dem heutigen Gebäude 1 am Campus Ignaz Schön, werden bereits seit 1963 Studierende des Ingenieurwesens ausgebildet.

Das zentrale Bauelement des Gebäudes ist die Dachkonstruktion von Architekt Fred Angerer, unter der sich die sogenannte Aula befindet, ein großer Hörsaal. Bei der hyperbolischen Paraboloidschale handelt es sich um eine doppeltgekrümmte Fläche, die sowohl Hyperbeln, Parabeln als auch Geraden enthält. Heute werden solche Formen, auch Hyparschalen genannt und aufgrund ihrer Komplexität kaum noch umgesetzt. In den 1960er-Jahren standen sie aber für den revolutionären Zeitgeist, wie Prof. Martin Naumann, Professor für Architektur an der FHWS, erklärt: „Der Bau verkörpert Architektur, die sich im Aufbruch versteht und losgelöst von der Vergangenheit in eine hell leuchtende Zukunft aufzubrechen scheint.“ Und bis heute hat Gebäude 1 seine Wirkung nicht verloren: „Die Proportionen stimmen einfach. Die fein gezeichneten Linien, seine dreidimensional gestaltete Fassade und die Tiefe, die es trotz seines Volumens hat, sind bemerkenswert“, so Naumann.

Diese klaren Linien zu erhalten ist eine Herausforderung, da mittlerweile die Anforderungen in energetischer Sicht und hinsichtlich des Brandschutzes deutlich gestiegen sind. „Der Eingang hat durch seine neue ‚Glashaut‘ deutlich an Tiefe verloren, die Linienführung wird teilweise gebrochen und das markante Dach tritt weniger hervor“, resümiert Naumann. Dennoch ergebe sich ein stimmiges Gesamtbild: „Die Erweiterungen lehnen sich an den Bestand an, ohne sich anzubiedern und bleiben ihrer jeweiligen Zeit treu. So entsteht ein Dialog zwischen den Abschnitten“, erklärt Naumann.

Zitat von Prof. Martin Naumann: „Die Proportionen stimmen einfach. Die fein gezeichneten Linien, seine dreidimensional gestaltete Fassade und die Tiefe, die es trotz seines Volumens hat, sind bemerkenswert.“
Polytechnikum Postkarte 1960er
Ansicht des Polytechnikums in den 1960er Jahren. Ohne den später errichteten Rundbau wird das Gelände noch stärker von der zentralen Dachkonstruktion dominiert. (Quelle: FHWS Archiv)
Innenhof des Campus Ignaz Schön
Der Innenhof des Campus Ignaz Schön in Schweinfurt im Juli 2021. (© FHWS/Simone Friese)
Zitat von Prof. Martin Naumann: „Trotzdem sollte die FHWS die bestehenden Gebäude fit für die Zukunft machen. Dabei dürfen nicht nur wirtschaftliche Aspekte heranzogen werden. Das sind wir den Bauwerken, ihrer Geschichte und noch viel mehr den folgenden Generationen schuldig.“

Eine zeitgemäße Interpretation der Geschichte

Anders als andere Hochschulen ist die FHWS nicht mit einem zentralen Campus auf einer grünen Wiese entstanden. Vielmehr ist sie mit den Städten Würzburg und Schweinfurt verwachsen und zieht sich durch die jeweiligen Stadtbilder. Diese Dezentralität mit Neu- und Altbauten macht die Instandhaltung der Gebäude äußerst anspruchsvoll. Allein am Campus Ignaz Schön wurden seit 2014 etwa 66 Millionen Euro in Sanierungsarbeiten investiert. „Trotzdem sollte die FHWS die bestehenden Gebäude fit für die Zukunft machen“, betont Prof. Naumann. „Dabei dürfen nicht nur finanzielle Aspekte heranzogen werden. Das sind wir den Bauwerken, ihrer Geschichte und noch viel mehr den folgenden Generationen schuldig.“ Diese Verantwortung erweitert Vizepräsident Prof. Dr. Langner noch um den Aspekt der Nachhaltigkeit: „Der Abriss von Altbauten wäre eine Ressourcenverschwendung, die wir uns nicht leisten können.“

Portrait Stefan Guggenberger

Ein Artikel von 
Stefan Guggenberger