Der Schweinfurter Robotik-Professor Tobias Kaupp und Uwe Wachter vom Automobilzulieferer ZF pflegen seit eineinhalb Jahren eine Industrie-Kooperation, die für die Hochschule, das Unternehmen und auch für die Studierenden von großer Bedeutung ist.
Ein Praktikum, ein Praxissemester oder eine Abschlussarbeit in einem Unternehmen? Welche Unternehmen gibt es? Wie stehen die Chancen, überhaupt genommen zu werden? Wer ist die richtige Ansprechperson? Studierende der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) erhalten Antworten auf genau diese Fragen durch vielfältige Kooperationen mit Industriepartnerinnen und Partnern.
Gerade in der Industriestadt Schweinfurt hat die FHWS einen bedeutsamen Standortvorteil: Die Studierenden der dortigen technischen Studiengänge haben vor Ort eine große Auswahl an weltweit tätigen Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitenden. Praktika und Abschlussarbeiten können sie praktisch vor der eigenen Haustür realisieren. So auch im Fall der ZF Friedrichshafen AG. Das deutsche Unternehmen mit Hauptsitz in Friedrichshafen zählt mit einem Umsatz von mehr als 36 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2019 zu den weltweit führenden Unternehmen auf dem Gebiet der Antriebs- und Fahrwerktechnik. Auch spielen Forschung und Entwicklung eine tragende Rolle im Konzern. So wurden im Jahr 2019 2,7 Mrd. Euro in dieses Gebiet investiert. Davon profitieren auch die Hochschulen, vor allem die Hochschule Würzburg-Schweinfurt.
FHWS und ZF arbeiten seit Jahrzehnten zusammen
Die FHWS und ZF haben eine lange gemeinsame Historie. Seit 1971 begleitet das Friedrichshafener Unternehmen die Hochschule. Außerdem vertritt der Standortleiter, Hans-Jürgen Schneider, die ZF Friedrichshafen AG Schweinfurt Wirtschaftsbeirat der FHWS. „Durch die Teilnahme an diesem Gremium unterstützen die Mitglieder die Hochschule mit ihrem Knowhow“, erläutert der Kanzler der FHWS, Stefan Hartmann die langjährige Partnerschaft. „Sie geben dabei wichtige Impulse für die Hochschulentwicklung, insbesondere in Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung und Entwicklung von Studiengängen.“ Eine jahrzehntelange Kooperation, die vor eineinhalb Jahren durch Professor Tobias Kaupp noch zusätzlich verstärkt wurde. Er hat seit November 2018 eine Forschungsprofessur an der Fakultät Elektrotechnik inne. Seine Schwerpunkte liegen in der Digitalen Produktion und Robotik. Genau hier kommt ZF ins Spiel.
Mensch und Roboter arbeiten zusammen
Am Industriestandort in Schweinfurt hat die ZF Friedrichshafen AG das Kompetenzzentrum „Production Tech Center Robotics and Vision“ eingerichtet, das von Uwe Wachter geleitet wird. Seit über 19 Jahren bringt der Diplom-Wirtschaftsingenieur sein Fachwissen bei der ZF ein und will mit seinem Unternehmen technologisch immer auf dem neuesten Stand sein. Im Center liegt der Fokus auf Verbesserungen im Produktionsablauf mithilfe von Robotik und kamerabasierten Systemen, speziell auf der Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK): eine Zusammenarbeit von Mensch und Roboter, um Dinge gemeinsam zu montieren oder zu fertigen.
„Bei der aktiven Suche nach Industriekooperationen habe ich Uwe Wachter nach einer Gastvorlesung zum Thema Robotik an der FHWS in Schweinfurt einfach angesprochen und seither arbeiten wir zusammen,“ beschreibt Prof. Kaupp den Beginn der Zusammenarbeit. Diese sei für die Lehre sehr wichtig, ebenso für die Ausbildung der Studierenden. Auch die Hochschule gewinne dadurch: „Speziell ich mit meinem Forschungsauftrag brauche natürlich Industriepartnerinnen und -partner, um angewandte Forschung betreiben zu können“, sagt Kaupp. „Wir wollen unsere Studierenden für die Industrie ausbilden […] und dafür müssen auch Forschungsanträge genehmigt werden, an denen Unternehmen meist beteiligt sind. Das kann nur funktionieren, wenn man gute Kontakte in die Industrie hat.
Eine Win-Win-Situation für beide
„So ein Tech-Center wie das unsere, hat einen Vorteil gegenüber anderen ´normalen‘ Projekten“, beschreibt Uwe Wachter den Stellenwert des Production Tech Centers in Schweinfurt. Zudem arbeitet ZF mit sehr vielen Start-ups und auch Hochschulen zusammen, um einerseits an den neuesten Forschungen, Trends und Entwicklungen vorne mit dabei zu sein, aber andererseits auch um Hochschulen oder Instituten die Möglichkeit zu geben, Theorie in der Praxis zu testen. „Das bedeutet, Probleme oder Aufgabenstellungen zu bearbeiten, die es in der Praxis gibt, für die wir aber noch keine Lösungen gefunden haben und so gemeinsam nach solchen zu suchen“, so Wachter. Sowohl Wachter als auch Kaupp bezeichnen ihre Zusammenarbeit als „eine Win-Win-Situation für beide.“
ZF mit Cobots in die Zukunft
„ZF ist herausragend“, betont Professor Kaupp in Bezug auf die gute Zusammenarbeit mit Wachter. ZF investiere viel in Forschung und Entwicklung, sei also sehr zukunftsorientiert im Bereich Robotik. Das Unternehmen habe mit dem Tech-Center ein Kompetenzzentrum in Schweinfurt entwickelt, an dem praxisrelevanten Fragestellungen nachgegangen werde und Produktionsabläufe mithilfe von Robotik analysiert werden können. Konkret bedeutet das, dass sich ZF verschiedene Cobots (kollaborative Roboter) und andere Sensortechnologiesysteme angeschafft hat, diese evaluiert, vergleicht und in die Produktionsabläufe integriert. „Das sind Arbeiten, die auch für Studierende sehr interessant sind“, beschreibt Professor Kaupp die Vorteile. „Bachelorarbeiten, Praktikantenstellen - in einer Umgebung von 15-20 Leuten. Das funktioniert wie eine Art Start-up. Es ist wie eine kleine Spielwiese.“
ZF mit Use-Cases – FHWS mit Expertise
Damit solch eine Kooperation auch funktioniert, müssen beide Seiten ein gewisses Vertrauen aufbauen und einen Mehrwert erkennen können. „ZF bringt Use-Cases mit ein und unterstützt unsere Forschungsarbeiten mit praktischem Fachwissen, das wir an der Hochschule gar nicht haben“, erklärt Prof. Kaupp. „So lernen wir sehr viel von den Unternehmen.“ Derzeit baue die FHWS das Institut Digital Engineering (IDEE) auf, ein fakultätsübergreifende Institut der FHWS mit fünf Forschungsprofessoren rund um das Themenfeld Industrie 4.0, um künftig „die ganzheitliche Expertise auch wieder zurückzuliefern“, sagt Prof. Kaupp.
Das Tech Center Robotics ist direkt vor Ort, da liege eine Kooperation mit der Hochschule auf der Hand. Dennoch hat Uwe Wachter, laut Prof. Kaupp, Probleme, Studierende und Fachkräfte zu bekommen. „Das möchte ich verbessern“, sagt Kaupp. „Es kann ja eigentlich nicht sein, dass wir eine Hochschule vor Ort haben mit Ingenieurwissenschaften aller Art und Herr Wachter Praktikantinnen und Praktikanten sucht.“ Genau deshalb wollen Industriepartnerinnen und Industriepartner auch eine intensive Beziehung zu Hochschulen herstellen. „Ein direkter Kontakt zu einem Professor ist natürlich wertvoll, da ich die Fähigkeiten der Studierenden kenne und weiß, welche Kompetenzen wir ausbilden. So kann ich Studierende und potentielle Arbeitgebende in Kontakt bringen.
Alle Seiten profitieren
Eine solche Kooperation zwischen der FHWS und der ZF Friedrichshafen AG ist letztlich sogar eine Win-Win-Win-Situation. Die FHWS profitiert von der Möglichkeit, praxisrelevanten Fragestellungen nachgehen zu können, das Unternehmen kann die fachliche Expertise der Forschung für sich nutzen und die Studierenden haben einen direkten Kontakt zu einem bedeutenden Unternehmen - quasi der erste Schritt in die Arbeitswelt. Ein Mehrwert für alle Beteiligten.