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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

THWS Campus GATE Jordanien: Zwischen Bildung und Transnationalität

Einblicke in die deutsch-jordanische Hochschul-Partnerschaft

 © Gunda Mallmann und Julia Philipp

Im Oktober 2023 startete das DAAD-geförderte Projekt THWS Campus GATE Jordanien mit den Studiengängen Wasserstofftechnik und Soziale Arbeit. Was die Programme ausmacht, wie der Start verlaufen ist – und was es für Hochschule und Region bedeutet.

Veröffentlicht am 10.06.2024

In einer globalisierten Welt, in der Wissenschaft und Forschung über Ländergrenzen hinweg Hand in Hand gehen, spielt die Internationalität von Bildungseinrichtungen eine entscheidende Rolle. Ein herausragendes Beispiel dafür bietet das Projekt Campus GATE Jordanien der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS). Dabei handelt es sich um eine Kooperation der THWS mit der German Jordan University (GJU) in Mushaqar in Jordanien. „GATE“ steht dabei für German Applied Transnational Education, was übersetzt so viel bedeutet wie deutsche angewandte transnationale Bildung. „Campus signalisiert bei uns eine Hochschuleinheit“, erklärt Prof. Dr. Ralf Roßkopf. Er ist verantwortlich für die akademische Gesamtkoordination des Projekts. Das Campus GATE bietet sogenannte Hosted Programmes an. Dabei handelt es sich um ein jordanisches Akkreditierungskonzept, das ausländischen Hochschulen erlaubt, ihre eigenen ausländischen Studiengänge an einer jordanischen Hochschule zu implementieren. Dabei müssen mindestens 70 Prozent der Lehre von der ausländischen Hochschule übernommen werden.

Bild: Prof. Dr. Ralf Roßkopf ist verantwortlich für die akademische Gesamtkoordination.
Prof. Dr. Ralf Roßkopf ist verantwortlich für die akademische Gesamtkoordination (© Johann Grillenbeck)

Normalerweise finden die Hosted Programmes durchgehend in Jordanien statt. „Die Besonderheit an unserem Projekt besteht darin, dass wir im Hinblick auf den Studienort einen binationalen Ansatz fahren“, erläutert Prof. Dr. Roßkopf. Das heißt im Klartext: Die Studierenden beginnen ihr Studium in Jordanien, studieren dort für vier Semester auf Englisch und kommen anschließend für die letzten drei Semester nach Deutschland. Hier gliedern sie sich nahtlos in den deutschen Studiengang der THWS ein und belegen Kurse in deutscher Sprache. Am Ende erhalten die Studierenden einen deutschen Abschluss, der auch in Jordanien anerkannt wird. „Das ist eine ziemlich einmalige Situation“, betont Prof. Dr. Roßkopf.

Die Aufnahmevoraussetzungen seien im Grunde die gleichen wie in Deutschland, so Prof. Dr. Roßkopf. Die Studierenden benötigen eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung sowie ausreichende Sprachkenntnisse in Deutsch (B1, später B2) und Englisch (B2). „Normalerweise sind die deutsche Hochschulzugangsberechtigung und deutsche Sprachkenntnisse mit einem jordanischen Schulabschluss nicht gegeben“, berichtet Prof. Dr. Roßkopf. „Deshalb haben wir für unsere Studiengänge individuelle Vorbereitungsjahre konzipiert“, erklärt er.

Bild: Erste Kohorte Studierender im Bachelor Wasserstofftechnik zusammen mit Lehr- und Verwaltungspersonal der kooperierenden Hochschulen THWS und GJU (© Gunda Mallmann und Julia Philipp)
Erste Kohorte Studierender im Bachelor Wasserstofftechnik zusammen mit Lehr- und Verwaltungspersonal der kooperierenden Hochschulen THWS und GJU (© Gunda Mallmann und Julia Philipp)

Im Oktober 2023 sind elf Studierende in das Vorjahr des Studiengangs Wasserstofftechnik gestartet. Einer dieser Studierenden ist Mahmoud Al Saifi. Im Gegensatz zu seinen Kommilitonen muss der 18-Jährige im Vorjahr keine Deutschkurse belegen. „Ich wollte schon immer in Deutschland studieren, deshalb habe ich die deutsche Sprache schon während meiner Schulzeit gelernt“, erzählt er. Dadurch hat er den Vorteil, sich mehr auf die anderen Kurse des Vorjahrs konzentrieren zu können, beispielsweise Physik und Chemie. Über seine Kommilitonen sagt Mahmoud: „Wir sind miteinander befreundet und bilden eine tolle Gruppe.“

Zitat Mahmoud Al Saifi: „Ich wollte schon immer in Deutschland studieren“

Nachhaltigkeit als Leitprinzip: Beitrag zu Zielen der Vereinten Nationen

Neben Wasserstofftechnik wird ab dem nächsten Wintersemester unter der Leitung von Prof. Dr. Roßkopf auch Soziale Arbeit angeboten. Warum die Auswahl auf diese beiden Studiengänge gefallen ist? „Ein Kriterium war, dass die Studiengänge keine Konkurrenz darstellen dürfen zu dem, was die GJU anbietet“, erklärt Prof. Dr. Roßkopf. Außerdem wollte man Studiengänge wählen, die sowohl in Deutschland als auch in Jordanien einen Bedarf decken. Besonders wichtig für die Hochschule, aber auch für die Region Würzburg-Schweinfurt, sei die Gewinnung von Studierenden – zum einen, um die Studierendenzahlen an der Hochschule hochzuhalten – zum anderen mit Blick auf den Fachkräftemangel.

Zitat Mahmoud Al Saifi: „Ich freue mich darauf mein erworbenes Wissen für eine nachhaltigere Zukunft einsetzten zu können.“

„In Bezug auf Wasserstofftechnik haben wir das Thema der Energiewende in Deutschland und den ganzen arabischen Raum als potenziellen Produzenten von grünem Wasserstoff“, erläutert Prof. Dr. Roßkopf. Absolvierende aus diesem Studiengang könnten dabei helfen, den Bedarf an Wasserstoffexpertise abzudecken, sagt er. Mahmoud bestätigt diese Hoffnung: Er sieht Wasserstofftechnik als einen Studiengang für die Zukunft. „Ich freue mich darauf, mein erworbenes Wissen für eine nachhaltigere Zukunft einsetzten zu können“, betont er.

Ähnlich sei es bei der Sozialen Arbeit, erläutert Prof. Dr. Roßkopf: Die Profession stehe in Jordanien noch nicht auf gefestigten Füßen - daher könne der Studiengang dabei helfen, diese Disziplin dort zu professionalisieren. Darüber hinaus sei Soziale Arbeit die akademische Disziplin, die 2022 am deutschen Arbeitsmarkt den größten Stellenbedarf hatte. Auch hier können Absolvierende vom Campus GATE Jordanien helfen, den Bedarf zu decken.

In Bezug auf Nachhaltigkeit erfüllen die Studiengänge mehrere Ziele der Vereinten Nationen, berichtet Prof. Dr. Roßkopf: Die Wasserstofftechnik trage zu bezahlbarer und sauberer Energie bei sowie zu Maßnahmen zum Klimaschutz. Soziale Arbeit helfe, Ziele wie „weniger Ungleichheit“ zu erreichen. Auf struktureller Ebene fördere die Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen zudem die Ziele der Partnerschaft zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele und trage zu Frieden, Gerechtigkeit und starken Institutionen bei. „Durch das Projekt sollen die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Jordanien, aber auch zwischen Europa und dem arabischen Raum gefördert werden“, sagt Prof. Dr. Roßkopf.

Zitat Prof. Dr. Ralf Roßkopf: „Durch das Projekt sollen die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Jordanien, aber auch zwischen Europa und dem arabischen Raum gefördert werden“.
Zitat Prof. Dr. Ralf Roßkopf: „Innerhalb eines Jahres haben wir es geschafft, nicht nur die entsprechenden Abkommen zu schließen und rechtliche, technische und strategische Fragen zu klären, sondern auch die ersten beiden Studiengänge zu schaffen und diesbezüglich eine Förderung einzuwerben.“

Ein Blick in die Zukunft

Prof. Dr. Roßkopf zeigt sich sehr zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Projekts: „Innerhalb eines Jahres haben wir es geschafft, nicht nur die entsprechenden Abkommen zu schließen und rechtliche, technische und strategische Fragen zu klären, sondern auch die ersten beiden Studiengänge zu schaffen und diesbezüglich eine Förderung einzuwerben.“ Dies sei ein großer Erfolg.

Ab dem Wintersemester 2024 erhofft er sich mindestens 20 Studierende pro Studiengang. Die Zahl soll in den kommenden Jahren kontinuierlich auf bis zu 40 Studierende wachsen. Zudem hofft er darauf, das Angebot des Campus GATE Jordanien ausweiten zu können - und neben Wasserstofftechnik und Sozialer Arbeit weitere Studiengänge etablieren zu können. Ein weiteres Ziel sei die Idee des Campus GATE auf weitere Länder auszuweiten. „Es gibt bereits Hochschulpartner, die großes Interesse zeigen“, verrät Prof. Dr. Roßkopf.

Mahmoud erwartet in den nächsten Jahren eine herausfordernde Erfahrung im Hinblick auf sein Studium. Er plant im Anschluss an seinen Bachelor auch einen Masterabschluss in Deutschland zu erlangen. Seine Motivation ist groß: „Ich bin bereit dafür!“, sagt er. Sein Ziel: „Manager eines Unternehmens zu werden, das auf wasserstoffbetriebene Fahrzeuge spezialisiert ist, um den Transport umweltfreundlich zu gestalten.“

Bild: Der frühere THWS-Präsident Prof. Dr. Robert Grebner (li.) und GJU-Präsident Prof. Ala'aldeen Al-Halhouli bei der feierlichen Eröffnung des THWS-Standorts in Jordanien.
Der frühere THWS-Präsident Prof. Dr. Robert Grebner (li.) und GJU-Präsident Prof. Ala'aldeen Al-Halhouli bei der feierlichen Eröffnung des THWS-Standorts in Jordanien (Foto: THWS/Christoph Wagner)
Fokus Grün, Nachhaltigkeit an der THWS

Ein Artikel von 
Marie Claire Hitchcock