Die Zahl der internationalen Studierenden an der FHWS steigt kontinuierlich — interkulturelle Kompetenz wird somit immer wichtiger. Deshalb können Mitarbeitende der FHWS den Führerschein für interkulturelle Kompetenz erwerben. Eine Erfolgsgeschichte.
Ein Führerschein für interkulturelle Kompetenz mag erstmal komisch klingen. Doch dass interkulturelle Kompetenzen erlernbar sind, ist ganz logisch — denn woher soll man diese haben, wenn man nicht für eine lange Zeit in einem anderen Land mit anderer Kultur gelebt hat? „Führerschein” dürfe natürlich nicht im wahrsten Sinne verstanden werden, erklärt Eva Maria Scholtyssek vom Campus Sprache: „Man lernt jetzt nicht auf ausländischen Straßen Auto zu fahren, sondern wie man sich in interkulturellen Begegnungen möglichst konfliktfrei und frei von Missverständnissen begegnet.” Missverständnisse, die aus kulturellen Unterschieden entstehen können. Mit dem Führerschein, den es vom Hochschulservice Internationales seit dem Wintersemester 2017/18 gibt, können Verwaltungsmitarbeitende der FHWS einen Lernprozess durchlaufen, um ihre interkulturellen Kompetenzen zu steigern. Und am Ende bekommen sie eben eine Art Führerschein in Form eines Stempelbuchs in die Hand: Für jedes abgeschlossene Modul erhalten die Teilnehmenden einen entsprechenden Stempel. Der Anstoß für diese Fortbildungsmaßnahme war laut Martin Gleißner, dem Koordinator des Projekts, ein erhöhter Bedarf. „Durch die Internationalisierung der Hochschule steigen die Zahlen der internationalen Studierenden — wir haben mittlerweile fünf Studiengänge, die sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch angeboten werden.” An der FHWS gibt es ca. 9.300 Studierende, davon 2.100 Internationale. „Da treten natürlich die ein oder anderen Probleme auf, die es zu lösen gilt.” Das Pendant des interkulturellen Führerscheins für Studierende ist übrigens der Kompass Internationales.
Was ist interkulturelle Kompetenz überhaupt?
Gleißner beschreibt interkulturelle Kompetenz so: „Indem wir uns mit anderen Kulturen beschäftigen, reflektieren wir unsere eigenen Wertvorstellungen — dadurch soll erreicht werden, dass wir unsere eigene Kultur und gleichzeitig andere Kulturen besser verstehen.” Denn interkulturelle Kompetenz sei nicht angeboren, sondern erlernbar. Die FHWS-Mitarbeitenden können im Programm lernen, wie sie in Situationen und Begegnungen bestimmte Verhaltensweisen von Studierenden einordnen und deuten können. „Es ist wichtig, dass man Verständnis und Respekt gegenüber anderen Denkweisen aufbringt — also tolerant ist”, findet Sprachkoordinatorin Scholtyssek. So könnten die Mitarbeitenden einordnen, ob ein Verhalten kulturell oder charakterlich geprägt sei und dann besser entscheiden, wie sie mit der Person umgehen. Martin Gleißner erläutert: „Zum Beispiel kann es vorkommen, dass ein Student schweigend ein Büro betritt und dabei ein unangenehmes Spannungsverhältnis entsteht. Im Kulturkreis des Studenten hat man aber mit einer kurzen Verbeugung die Höflichkeit eingehalten. Und diese Unterschiede kann man besser einschätzen.” Gleichzeitig soll es aber nicht nur um die interkulturellen Gegensätze gehen, sondern auch um Ähnlichkeiten, mit denen man vielleicht nicht rechnet.
Auch die Fremdsprache zählt natürlich zur interkulturellen Kompetenz. „Wir brauchen ja Sprache, egal in welcher Form — sonst wäre es sehr kompliziert”, sagt Scholtyssek. Vor allem Englisch sei essenziell für die Kommunikation, da viele internationale Studierende begrenzte Deutschkenntnisse besitzen.
Ein Führerschein — drei Bausteine
Aus drei Bausteinen setzt sich der interkulturelle Führerschein zusammen — und einer ist die Sprache. Sprachkurse in Englisch oder einer anderen Fremdsprache, die die Lehrbeauftragten durchführen, bietet der Campus Sprache an. Ein weiteres Modul ist das interkulturelle Training: Hier gibt es ein Einstiegsseminar sowie Regionalschulungen. Dabei richtet sich die Auswahl nach den Herkunftsländern und Regionen, aus denen die meisten internationalen Studierenden kommen: Taiwan, China, Japan, Indien, arabischer Kulturraum, Osteuropa, Lateinamerika, Westafrika und Türkei. „Die Regionalschulungen werden von Kollegen aus dem Hochschulservice Internationales und mir durchgeführt. Das hat den Vorteil, dass wir die FHWS, unsere Kollegen und Studenten kennen und wissen, welche Probleme an welcher Stelle aufgetreten sind”, erzählt Gleißner. Eine Schulung hat auch Eva Maria Scholtyssek abgehalten, da sie viele Jahre in Taiwan gelebt hat. Und Martin Gleißner leitet die Regionalschulung Japan, da er dort sechs Jahre lebte und in verschiedenen internationalen Unternehmen arbeitete. Da seine Frau Japanerin ist, ist auch sein privates Umfeld von Mehrsprachigkeit und Internationalität geprägt. Jede Schulung sieht anders aus, da auch einzelne Fälle und Fragen besprochen werden. „Es geht allgemein um das Land, die Kultur, Unterschiede und Ähnlichkeiten, aber auch um das Leben und Verhalten als Studierender in diesem Land”, beschreibt die Sprachkoordinatorin. Es sei hilfreich für die FHWS-Mitarbeitenden, darüber zu sprechen, da einige nicht so viele internationale Erfahrungen im Leben oder im Arbeitsumfeld sammeln konnten.
Deswegen gibt es auch noch den dritten Baustein: die Auslandserfahrung. Hier können Teilnehmende in die Regionen vor Ort reisen und an einer Partnerhochschule eigene Erfahrungen sammeln. Alternativ kann an drei vertieften Regionalschulungen auf Englisch teilgenommen werden.
Innerhalb des Führerscheins können zwei Zertifikate erworben werden: Base und Base+. Für das Base-Zertifikat müssen Teilnehmende den Sprachkurs, das Einstiegsseminar und zwei Regionalschulungen absolviert haben. Für Base+ muss Base bestanden worden sein und zusätzlich ist eine Auslandserfahrung oder drei vertiefte Regionalschulungen nötig.
Die FHWS-Mitarbeitenden schätzen die Angebote
Seitdem es das Angebot der interkulturellen Schulungen gibt, werden diese laut Gleißner gut angenommen: „Bisher hatten wir gute Resonanz und ich denke, dass unsere Kollegen unser Angebot des interkulturellen Führerscheins schätzen.” 21-mal konnte der Hochschulservice Internationales das Zertifikat bereits ausstellen, 59 Mitarbeitende nehmen durchschnittlich pro Semester teil. Wie lange die Teilnehmenden für den Führerschein brauchen, hängt wie beim Erlernen des Autofahrens vom eigenen Engagement und dem individuellen Zeitrahmen ab. „Aber in drei bis vier Semestern kann man das gut schaffen”, versichert Martin Gleißner. Auch Eva Maria Scholtyssek bekommt viel positive Resonanz. „Es ist ein nützliches Angebot für Mitarbeitende der Hochschule, zudem kann es kostenfrei genutzt werden.” In Zukunft wollen der Hochschulservice Internationales und der Campus Sprache das Angebot sogar noch erweitern. Die Sprachkoordinatorin hofft auf die Möglichkeit, neben Englisch noch weitere Sprachen anzubieten. Martin Gleißner geht davon aus, dass die Nachfrage weiterhin bestehen bleibe. „Ich liebe es, Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und unser internationales Team verfügt über einen großen Erfahrungsschatz, den wir gerne weitergeben.” Er legt deshalb allen ans Herz, an einer der Veranstaltungen teilzunehmen. „Wir freuen uns!"