Seit dem Start des Gastprofessorenprogramms ist die FHWS nicht mehr nur von Studierenden aus dem Ausland gut besucht. Auch in der Lehre und Forschung heißt die Hochschule Professorinnen und Professoren aus der ganzen Welt im Kollegium willkommen – und profitiert von deren internationaler Erfahrung.
Wenn das neue Semester beginnt, reisen jedes Jahr zahlreiche Studierende aus dem Ausland über das Erasmus-Programm nach Deutschland, um ein Auslandssemester zu absolvieren. Nicht nur unter den Studierenden sind solche akademischen Auslandsaufenthalte beliebt: Seit 2015 heißt die FHWS jedes Semester Gastprofessorinnen und Gastprofessoren auf den Campus willkommen. Aber was machen diese eigentlich während ihrer Gastprofessur? Bezahlten Urlaub jedenfalls nicht.
Eine Gastprofessur ist ein Prozess
„Gastprofessoren sind internationale Professoren, bevorzugt von Partnerhochschulen der FHWS, die für eine bestimmte Zeit zwischen zwei Wochen und einem Semester zu uns an die Hochschule kommen, um zu lehren aber auch gemeinsam mit den Kollegen der FHWS spannenden Forschungsideen nachzugehen“, erklärt Dr. Daniel Wimmer, Leiter des Hochschulservice Internationales der FHWS (HSIN). Er und sein Team verwalten die Mittel, die ihnen vom Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und von der EU dafür bewilligt werden. Sie begleiten vor allem aber den gesamten Prozess einer Gastprofessur. „Wir nehmen den Kontakt auf oder klinken uns in die Kommunikation mit den möglichen Gastprofessorinnen und Gastprofessoren ein“, erklärt er.
Dr. Wimmer und sein Team leisten zwar Hilfestellung bei der Besetzung der Gastprofessuren und unterstützen mit Informationen bezüglich der Chancengleichheit der Fakultäten und Antragstellenden. Die Entscheidung, wer eine Gastprofessur antreten darf, trifft aber nicht HSIN, sondern die Hochschulleitung. Die Bewerbungen aus aller Welt landen zunächst auf dem Tisch von Barbara Müller-Scheuring. „Ich prüfe den Antrag auf Vollständigkeit der Dokumente, die einzureichen sind“, erklärt sie. Insgesamt beanspruche der Bewerbungsprozess von der Antragstellung bis zur Genehmigung mindestens sechs Wochen. Sobald der Antrag bewilligt ist, kümmert sich die ausgebildete Dolmetscherin auch um die Wohnraumbeschaffung für die Aufenthalte in Präsenz und erstellt jeweils zu Semesterbeginn ein kulturelles Rahmenprogramm für die Gäste. Der Hochschulservice Internationales unterstützt dann sowohl die Fakultäten als auch die Gastprofessorinnen und Gastprofessoren vor, während und nach deren Aufenthalt.
Die internationalen Gäste haben viel vor
Die ersten Gastprofessorinnen und -professoren kamen im Wintersemester 2015 an, damals aus Ungarn, den USA und Russland. Knapp 40 Gastprofessuren konnte die FHWS bis jetzt besetzen. Die Herkunft der Gäste variiert genauso stark wie die Dauer des Aufenthalts. Laut Müller-Scheuring blieben die Gäste für einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen bis zu sechs Monaten.
Seit der Covid-19-Pandemie findet der Aufenthalt in virtueller Form statt – so wie bei Prof. Ndangwa Noyoo. Der Professor von der südafrikanischen University of Cape Town war 2021 von Mitte März bis Ende August als Gastprofessor an der FHWS. Er war an der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften tätig, wo er die Kurse „Indigenous Social Security Systems in Africa“ im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit und „Post Colonial Social Work“ im Masterstudiengang unterrichtete. Auch die Forschung kam bei seiner Gastprofessur nicht zu kurz. Gemeinsam mit Prof. Tanja Kleibl und weiteren Gastprofessorinnen und Gastprofessoren aus Griechenland, Irland und Simbabwe nahm er Forschungsaktivitäten an seiner Gastfakultät auf. „Wir sind damit beschäftigt, uns Zusammenhänge zwischen postkolonialer sozialer Arbeit und der internationalen sozialen Arbeit in Zeiten der Pandemie anzuschauen“, berichtet er. „Wir untersuchen auch die Migration von Flüchtlingen, Asylsuchenden und Migranten von Afrika nach Europa und welche Rolle die Sozialarbeiter hier spielen können.“ Außerdem arbeitet Prof. Noyoo gemeinsam mit Prof. Dr. Kleibl an einem Buch. Ein vollgepackter Terminkalender also.
Prof. Alexander Pérez Ruiz aus der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá war im Juni 2021 ebenfalls in virtueller Form zu Gast an der FHWS. Bereits im Mai 2020, in der ersten Phase der Pandemie, setzte er in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Ansgar Brunn, Auslandsbeauftragter der Fakultät Kunststofftechnik und Vermessung, seine Lehre und Forschung dort in einem digitalen Format um. Einige Schwierigkeiten mussten für diesen Schritt bewältigt werden. „Die Lehrveranstaltung von Prof. Pérez im Modul ‚Geodätisches Seminar‘ widmet sich der Optimierung von Rechenprozessen durch Parallelprogrammierung“, erklärt Prof. Dr. Brunn. Bei der visuellen Übertragung der praktischen Übungen auf einem Embedded System für Bildverarbeitung habe die begrenzte Internetgeschwindigkeit für die Datenübertragung bei den Studierenden Probleme bereitet, berichtet Brunn. Die Bewältigung dieser Hürden stärkte aber auch die interkulturelle Zusammenarbeit.
ITW: Intensiver internationaler Austausch
Auch im Rahmen der International Teaching Week (ITW) dürfen die Gastprofessorinnen und -professoren ihr Wissen aus einer internationalen Perspektive teilen und ermöglichen den Studierenden so den Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand. Die ITW ist eine fakultätsübergreifende Veranstaltung, bei der eine Woche lang Vorlesungen und Workshops in verschiedenen Fachgebieten durch internationale Gastdozierende gehalten werden. Eine wertvolle Möglichkeit für Studierende, auch ohne Auslandsaufenthalt internationale Erfahrungen und Credit Points zu sammeln. Die Gestaltung der ITW ist durch viel Flexibilität gekennzeichnet und kann auch für Diskussionsrunden genutzt werden, um Aspekte aus einer internationalen Perspektive aufzuzeigen. „Jede Fakultät findet ihren Weg, wie man die ITW für die Studierenden, aber natürlich auch für andere Kolleginnen und Kollegen so einsetzen kann, dass ein Mehrwert entsteht“, erklärt Dr. Wimmer. Normalerweise findet die ITW in den Hörsälen der FHWS statt. 2020 wurde sie aufgrund der Covid-19-Pandemie abgesagt. Für das Jahr 2021 hat die FHWS entschieden, die ITW in einem virtuellen Format abzuhalten.
Dass die Gastprofessorinnen und -professoren trotz digitaler Lehre immer wieder kommen, zeigt, dass auch sie die internationale Zusammenarbeit mit der FHWS schätzen. Sobald die Umstände es ermöglichen, will die FHWS wieder entsprechende Präsenzformate ermöglichen. „Der persönliche Kontakt ist bei der realen Begegnung einfach intensiver und bietet Kommunikationskanäle, die durch die digitale Übertragung verhindert werden“, erklärt Prof. Dr. Brunn. Auch die International Teaching Week soll dann wieder vor Ort stattfinden, um so internationale Kulturen und Lehrgebiete entweder nach Würzburg oder Schweinfurt zu bringen.