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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Auf dem Weg zur klimaneutralen Hochschule

Wie die THWS Nachhaltigkeit umsetzt und welche Aufgaben ihr Nachhaltigkeitsbeauftragter hat

 © privat

Seit Juli 2020 ist Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt Nachhaltigkeitsbeauftragter der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, kurz THWS. Wie er dazu kam, welche Aufgaben er bewältigt – und welche Schwierigkeiten der Job mit sich bringt.

Veröffentlicht am 13.05.2024

Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt ist so etwas wie ein Überzeugungstäter: „Nachhaltigkeit und Klimaschutz waren mir schon immer wichtig“, sagt der 60-Jährige. Seit Juli 2020 kann er sein Herzensthema auch in einem größeren Kontext umsetzen - als Nachhaltigkeitsbeauftragter der THWS. Wie er dazu kam? „Die Hochschule hat erkannt, dass wir als öffentliche Einrichtung auch klimaneutral bis 2028 werden sollen“, erinnert er sich. 2020 gab es dann eine konkrete Gesetzesvorlage und ein erstes Signal der bayerischen Staatsregierung an die Hochschulen, sich hiermit auseinanderzusetzen und sich entsprechend vorzubereiten.

Langjährige Erfahrung an der THWS

Die Hochschulleitung suchte nach einer geeigneten Person, die sich um das Thema kümmerte. Müller-Steinfahrt eignete sich hierfür perfekt: Seit 18 Jahren ist er bereits an der Hochschule, seit über 16 Jahren leitet er hier das Hochschulinstitut IAL - das Institut für angewandte Logistik. Dort gab es von Anfang an den Themenschwerpunkt „Nachhaltigkeit“. „In meiner Kernbranche, der Logistik, ist in diesem Bereich sehr viel passiert, sodass ich in den vergangenen Jahren viel mit Unternehmen und Kommunen auf den Weg gebracht habe“, sagt Müller-Steinfahrt. Das hat auch die Hochschule erkannt. „Ich fragte mich, wieso soll ich nur Unternehmen helfen? Lasst uns doch erst einmal im eigenen Hause etwas voranbringen.“ Für ihn war damit die Entscheidung gefallen, die Aufgabe zu übernehmen.

Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt mit der Festung Marienberg im Hintergrund.
Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt ist seit Juli 2020 Nachhaltigkeitsbeauftragter der THWS (© THWS)

Keine leichte Aufgabe. Denn das Themenfeld Nachhaltigkeit ist komplex. Im Mittelpunkt stand vor allem eins: Eine Nachhaltigkeitsstrategie für die Hochschule zu entwickeln. Dafür musste er sich zunächst in seine Rolle einfinden – und erste Schritte einleiten. „Es ging darum, den Begriff Nachhaltigkeit zu definieren und ihn dann auch an der Hochschule zu etablieren“, sagt Müller-Steinfahrt. Ein großes Thema: „Nachhaltigkeit ist mehr als nur Zero Carbon“, betont er. Denn schließlich geht es auch darum, Verhaltensänderungen bei allen Beteiligten zu bewirken.

Zitat Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt: "Nachhaltigkeit ist mehr als nur Zero Carbon."

Der entscheidende Unterschied zu Unternehmen

Der Unterschied bei der Implementierung von Nachhaltigkeit in einer Hochschule in Relation zu einem Unternehmen sei groß. „Beides ist komplex, aber an einer Bildungsstätte ist es noch ein Stück weit komplexer“, betont er. „Wir haben fünf Kernbereiche, die die Unternehmen nicht haben. Vereinfacht ausgedrückt: Unternehmen haben ihre Stakeholder, also Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten. Wir hingegen haben verschiedene Zielgruppen und Akteure, aber eben auch unterschiedliche Aufgabenfelder“, erklärt er.

Bild: Verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit
© AdobeStock/Proxima Studio

Hier gäbe es einmal die Lehre, die Forschung und die Art und Weise, wie geforscht wird, sowie den Hochschulbetrieb an sich, vom Einkauf über die Nutzung von Geräten bis hin zum Heizen. Ein weiteres wichtiges Feld sei Governance, also die Führung, die sich damit auseinandersetzt, wie man all das organisiert. Der fünfte Bereich: Transfer. „Jede Hochschule hat nicht nur die Aufgabe, Studierende in ihren Kompetenzen der Nachhaltigkeit auszubilden, sondern auch dafür zu sorgen, dass ein Transfer zwischen der regionalen Wirtschaft und den Studierenden erfolgt und das auch entsprechend zu gestalten“, sagt Müller-Steinfahrt.

Zitat Vizepräsident Prof. Martin Naumann: "Ich bin davon überzeugt, dass wir als Hochschule eine gesammtgesellschaftliche Aufgabe haben, die ein Unternehmen in der Form nicht hat."

Wie umfangreich das Thema Nachhaltigkeit an Hochschulen ist, weiß auch Prof. Martin Naumann, Dipl.-Ing. und Vizepräsident an der THWS. Für ihn unterscheidet sich der Nachhaltigkeitsanspruch einer Bildungsstätte im Vergleich zu einem Unternehmen vor allem in einem Punkt. „Ich bin davon überzeugt, dass wir als Hochschule eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe haben, die ein Unternehmen in der Form nicht hat“, sagt Naumann. Entsprechend sei die Bedeutung eines Nachhaltigkeitsbeauftragten besonders hoch. „Wir bilden den Nachwuchs aus, wir forschen. Und da sind natürlich die Themen der Nachhaltigkeit heute wichtiger denn je.“ Für diese wichtige Aufgabe habe die THWS die richtige Person gewählt. „Herr Müller-Steinfahrt leistet eine hervorragende Arbeit. Wir stehen im regen Austausch miteinander“, sagt Naumann.

Ein weiterer Aspekt liege in der Gestaltung von studentischen Initiativen. „Es ist wichtig, dass die eigentliche Zielgruppe in einer Hochschule auch selbst aktiv wird und das auch unterstützt“, betont er. Das große Ziel, auf das alle diese Punkte hinarbeiten: bis 2028 klimaneutral zu werden. Doch wie realistisch ist das? „Wir haben aktuell noch keine final verabschiedete Strategie, denn hier muss man alle zehn Fakultäten mitnehmen. Wir befinden uns hier noch in einem Change-Prozess“, stellt Müller-Steinfahrt klar. Ein Maßnahmenkatalog, bei dem alle fünf Gebiete abgedeckt und Ziele definiert werden, sei bereits vorhanden.

Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei den Studierenden

Was Müller-Steinfahrt persönlich wichtig ist? „Ein Bewusstsein bei den Studierenden zu schaffen. Ich stelle mir die Frage: Wie gelingt es uns, die Studierenden für das Thema nicht nur zu begeistern, sondern auch so zu gewinnen, dass sie ihr Verhalten verändern.“ Damit sei nicht nur das Verhalten in der Hochschule gemeint, sondern auch im Privaten. Dass das nicht immer einfach ist, weiß auch Müller-Steinfahrt. „Es fängt schon bei den Kleinigkeiten an. Wenn man nicht den wiederverwendbaren Recup-Becher benutzt, sondern immer wieder Plastikbecher, die man dann wegschmeißt.“

Ein Einweg-Kaffeebecher, der auf den Boden geworfen wurde.
© AdobeStock/spritnyuk

Er wolle die Studierenden nicht belehren, sondern dazu anregen, ihr Verhalten außerhalb der Hochschule zu reflektieren. Vielen jungen Menschen ist Nachhaltigkeit wichtig, doch das zeige sich nicht immer in ihrem Verhalten. Diese Diskrepanz herrsche in allen Alters- und Bevölkerungsschichten. Doch es gäbe einen entscheidenden Unterschied. „Im Gegensatz zu meiner Generation ist die heutige studentische Generation viel besser aufgeklärt. Sie kennen sich zum Thema Klima schon sehr gut aus“, sagt der Logistik-Professor. Sie seien nicht nur interessiert, sondern gingen auch proaktiv voran. Das ende jedoch häufig beim Thema Geld. „Viele Studierende haben ein knappes Budget und stellen sich die Frage, was kann ich mir leisten, was will ich mir leisten.“ Bei Lebensmitteln, aber auch bei Mobilität, gerade wenn es um längere Urlaubsreisen ginge, sei häufig zu beobachten, dass spätestens dann der CO2-Fußabdruck aus den Augen verloren wird.

Nachhaltigkeit auch im Privaten

Nachhaltigkeit setzt Müller-Steinfahrt auch Zuhause im Privaten um. „Das Thema Umwelt steht bei meiner Familie und mir schon lange im Fokus. Meine Kinder, die jetzt 13 und 15 Jahre alt sind, achten schon immer sehr darauf – gerade beim Einkaufen, wo sie sehr auf regionale Produkte achten, manchmal mehr als ich“, sagt er und lacht. Nachhaltigkeit zu etablieren und in die nächste Generation hineinzutragen, gelingt ihm nicht nur bei seinen Kindern, sondern auch an der Hochschule. So hat er es geschafft, Fördermittel für die Finanzierung einer Klimaschutzmanagerin zu generieren - damit Nachhaltigkeit und Klimaschutz an der THWS auch in der Praxis weiter umgesetzt werden kann.

Zitat Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt: "Das Thema Umwelt steht bei mir und meiner Familie schon lange im Fokus."
Fokus Grün, Nachhaltigkeit an der THWS

Ein Artikel von 
Stefanie Unbehauen