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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Logistik lernen mit Lego

Studierende bauen Autos im Kleinformat

 © Elisabeth Schimpf

Im Projekt SimCar modellieren Studierende mithilfe von Lego-Autos die industrielle Autoproduktion. Drei Studierende der THWS entwickeln die Lernumgebung mit frischen Ideen weiter. Von den Ergebnissen profitiert nicht nur das Schweinfurter Logistiklabor - sondern auch das Partnerprojekt an der Auburn University in den USA.

Veröffentlicht am 26.11.2025

Teamwork am Fließband: Oleksandr Ahafonov und seine Kommilitonen bei der Lego-Montage im Logistiklabor (© Elisabeth Schimpf)

Drei Studierende sitzen hochkonzentriert am Montageband und greifen nach bunten Lego-Steinen. Es muss schnell gehen, pro Station haben sie höchstens 30 Sekunden. Zügig stecken sie die Einzelteile zusammen. Nach zweieinhalb Minuten steht ein fertiges Lego-Auto auf dem Band. Hier, an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen am Schweinfurter THWS-Campus Ledward ist die Lernumgebung SimCar im Logistiklabor zuhause. Der Name steht für das, was hier passiert: Die Simulation einer echten Autofertigung.

Oleksandr Ahafonov, Nikhil Patil und Deepak Dinesh schreiben ihre Bachelorarbeiten über SimCar. Sie studieren gerade im letzten Semester des englischsprachigen Studiengangs Logistics. Die Organisation von komplexen Produktionsprozessen ist dabei ein zentraler Lerninhalt. „Logistik ist mehr als der Transport der Waren von A nach B. Der Prozess umfasst die Beschaffung über die Lagerung bis hin zur Verteilung der Produkte“, erklärt Nikhil Patil. „Die dahinterstehende Organisation muss optimal ablaufen, damit im Unternehmen Effizienz und Qualität gewährleistet werden können.“ SimCar ist also für Übungszwecke da, eine Art Trainingseinheit für die Berufswelt.

Zitat von Nikhil Patil: „Logistik ist mehr als der Transport der Waren von A nach B. Der Prozess umfasst die Beschaffung über die Lagerung bis hin zur Verteilung der Produkte“, erklärt Nikhil Patil. „Die dahinterstehende Organisation muss optimal ablaufen, damit im Unternehmen Effizienz und Qualität gewährleistet werden können.“

Aus der Theorie in den Takt der Produktion

Seit 2015 arbeitet das Labor nach dem Prinzip „Von Studierenden für Studierende“. „Wir haben Stück für Stück die einzelnen technischen Elemente selbst entwickelt und mit Studierenden zusammen aufgebaut“, berichtet Prof. Dr. Peik Bremer. Der Professor für Technische Logistik leitet das Labor. SimCar ist von Audi in Ingolstadt inspiriert: Dort gibt es ebenfalls eine Modell-Fertigung, in der Lego zum Einsatz kommt.

Heute arbeiten pro Semester mindestens 15 Studierende unterschiedlicher Studiengänge daran, die kleine Produktion in Gang zu bringen. „Wir wollen, dass die Studierenden eigenständig Lösungen für logistische Herausforderungen finden, so wie es auch in der Industrie der Fall ist“, betont der Laborleiter. Deswegen gibt es für die Umsetzung keine Schritt-für-Schritt-Anleitungen, sondern nur eine Abbildung des Produkts und eine Stückliste.

„Wir wollen, dass die Studierenden eigenständig Lösungen für logistische Herausforderungen finden, so wie es auch in der Industrie der Fall ist“ Zitat von Prof. Dr. Peik Bremer

Die Theorie kam schon in Vorlesungen vor, aber noch nicht in einer realitätsnahen Anwendung. Für die Studierenden geht es also in die Praxisphase. Zunächst bereiten sie in der Vormontage zusammengesetzte Teile vor, damit der eigentliche Fertigungsprozess schneller abläuft. Anschließend durchlaufen sie die einzelnen Arbeitsschritte mehrfach, analysieren Abläufe und optimieren diese - das gelingt mit klugen Überlegungen bis hin zu technischen Lösungen. In der Prüfung müssen die Studierenden das Produktionssystem dann störungsfrei über einen Zeitraum von mindestens zwei Stunden betreiben. Prof. Dr. Bremer und weitere Prüfer bewerten dann Zykluszeit, Bestand in den Montage-Bereichen, Ressourceneinsatz und Qualität.

Im Fokus des Bildes ist ein aus Legosteinen gebautes Rennauto in den Farben gelb, weiß und rot.
Mit Lego-Autos lassen sich industrielle Fertigungen unkompliziert nachahmen. Die kompakten und recycelbaren Bausteine benötigen nur wenig Platz und Ressourcen (© Elisabeth Schimpf)

Vorbereitung ist das A und O

Neben seinem Logistics-Studium arbeitet Oleksandr Ahafonov als Assistent im Logistiklabor. Bereits seit zwei Semestern unterstützt er die Lehre dort. „Man kann hier viel ausprobieren, was draußen im großen Maßstab passiert“, fasst er zusammen. Riesige Lagerhallen seien schließlich schwer in der Hochschule unterzubringen. „Ich habe im Labor gelernt, dass Vorbereitung und Planung das A und O sind. Sonst produziert man, wie es in der IT heißt: garbage in, garbage out“, führt er aus. Deswegen setzt er in seinem Projekt bei der Vormontage an und entwickelt eine intelligente Lösung für das Bestandsmanagement.

„Ich habe im Labor gelernt, dass Vorbereitung und Planung das A und O sind. Sonst produziert man, wie es in der IT heißt: garbage in, garbage out“ Zitat von Oleksandr Ahafonov

Bisher mussten Lego-Teile vor der Montage mühsam abgezählt werden. Ahafonov hat nach einer einfacheren Methode gesucht - und sie gefunden. Eine smarte Wiegestation soll die unterschiedlichen Bausteine anhand ihres Gewichts erkennen. Dafür muss er zunächst alle Datensätze sammeln und ein Programm schreiben. Wenn das erledigt ist, können Studierende bei der Material-Bereitstellung Zeit einsparen - und die Dozierenden können damit die Leistungen differenzierter beurteilen. 

Lernlabor 4.0: Studierende treiben Digitalisierung voran

Logistics-Student Nikhil Patil möchte die Lernumgebung digital anreichern. „Auf einem Informations-Dashboard sollen Studierende und Betreuer prüfen können, wie der Arbeitsprozess läuft“, sagt er. Darin werden alle nötigen Daten und Informationen für den aktuellen Status des Produktionssystems geordnet aufgelistet. Dazu gehören etwa die Anzahl der fertiggestellten Autos und die noch offenen Aufträge.

Ist ein Lego-Auto fertiggestellt, kommt Deepak Dineshs Idee ins Spiel. Seine automatisierte Qualitätskontrolle soll mithilfe von Kameras erkennen, ob das Produkt mit der vorgegebenen Bestellung übereinstimmt. Wenn Teile fehlen oder falsch verbaut sind, erkennt das System die Abweichung sofort. So werden Fehlerquellen schneller identifiziert und behoben. Auch das entlastet die Studierenden und sorgt für mehr Übersicht im Prüfprozess.

Kooperation mit der Auburn University in den USA

Das Projekt SimCar bleibt nicht auf Schweinfurt beschränkt. Im Tigers Motors Lab der Auburn University in den USA wird ebenfalls mit Lego gearbeitet, allerdings mit einem anderen Fokus. Die amerikanischen Studierenden lernen dort die Herausforderungen der Massenproduktion kennen. Das 370 Quadratmeter große Labor orientiert sich dabei an der Toyota-Produktion. Mit 70 Lego-Fahrzeugen pro Stunde wollen sie den Taktzeiten echter Fertigungen entsprechen.

Die Kooperation ermöglicht eine höhere Lernkurve für alle Beteiligten. „Unsere Vision ist, dass sich unsere Studierenden in gemischten Teams treffen, vor Ort und virtuell“, erzählt Prof. Dr. Bremer. Durch die internationale Zusammenarbeit werden zudem Austauschprogramme realisiert. Beide Seiten lernen so unterschiedliche, überregionale Herangehensweisen an die Logistik kennen.

Lego als Baustein für die Karriere

Lego sei sehr klein, kompakt und nachher wieder recycelbar, wie der Laborleiter betont. Mit den Bausteinen in unterschiedlichsten Farben und Formen lassen sich komplexe Autos zusammensetzen. Für einen Lernort sei das perfekt. „Anders als in der Industrie, geht es bei uns nicht um das Endergebnis, sondern um den Prozess“, resümiert Prof. Dr. Bremer. „Wir wollen hier etwas lernen.“

Für die Studierenden ist SimCar mehr als ein Lego-Spielplatz. Es ist eine gute Vorbereitung auf die Arbeitswelt. Verantwortung übernehmen, Probleme eigenständig lösen und komplexe Prozesse durchdringen - das sind schließlich wertvolle Kompetenzen für den späteren Beruf. So gestaltet sich der Weg in die Logistik praxisnah, international vernetzt und mit Spaß am Lernen - Stein für Stein.

„Anders als in der Industrie, geht es bei uns nicht um das Endergebnis, sondern um den Prozess“ Zitat von Prof. Dr. Bremer
Fokus Grün, Nachhaltigkeit an der THWS

Ein Artikel von
Elisabeth Schimpf