Die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) hat mit MainKassandra ein Planspiel entwickelt, das anschaulich zeigt, wie Anpassung an den Klimawandel aussehen kann. Mit spielbasiertem Lernen entwickeln Verantwortliche aus Industrie und Gesellschaft praxisnahe Lösungen für globale Herausforderungen – ganz ohne Vorkenntnisse.
Veröffentlicht am 23.05.2025
Wie reagiert ein Unternehmen, wenn plötzlich eine extreme Hitzewelle die Produktion lahmlegt oder Starkregen das Firmengelände überflutet? Solche Szenarien sind längst keine dystopischen Zukunftsvisionen mehr, sondern durch den Klimawandel in den Bereich des Möglichen gerückt. Hier setzt das Planspiel MainKassandra der THWS an: Es ermöglicht Führungskräften und Beschäftigten, die Auswirkungen des Klimawandels auf Unternehmen in einer geschützten Spielumgebung zu erleben und passende Maßnahmen zu entwickeln und zu diskutieren. Ziel ist, nicht nur reaktiv, sondern antizipativ, also vorwegnehmend, zu handeln und dabei die Balance zwischen ökologischen und ökonomischen Interessen zu wahren.
MainKassandra versetzt die Teilnehmenden in fiktive Rollen, in denen sie unternehmerische Entscheidungen treffen. Ob es darum geht, die Logistik trotz Schneestürmen aufrechtzuerhalten oder neue Produktionsmethoden einzuführen – die Herausforderungen sind vielfältig. Unterstützt werden die Teams durch einen interaktiven Maßnahmenkatalog. Dieser bietet über 80 Strategien zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz. So werden konkrete Bedrohungen gemeistert und langfristige Lösungsansätze entwickelt.

Die THWS als Vorreiter in nachhaltiger Bildung
Die Entwicklung des Planspiels erfolgte im Rahmen des Forschungsprojekts MainKlimaPLUS, das mit knapp 200.000 Euro vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert wurde und vom 1. April 2021 bis zum 30. Juni 2023 lief. Ziel des Projekts: Die aktuellen Herausforderungen des Klimawandels adressieren und passende Bildungskomponenten entwickeln. „Die Idee war, ein gamifiziertes Bildungsangebot zu schaffen“, ergänzt Prof. Dr.-Ing. Jan Schmitt, Vizepräsident der THWS für den Bereich Forschung und Gründung. Zuvor leitete er das Institut für Digital Engineering (IDEE) und übernahm die Leitung des Projekts MainKlimaPLUS.
Prof. Dr.-Ing. Schmitt und Sophie Fischer, wissenschaftliche Mitarbeiterin der THWS, entwickelten im Team mit drei studentischen Hilfskräften das Planspiel, wobei sie durch professionelle Lernspielentwickler der Firma Be-Su Solution unterstützt wurden. Das Spiel richtet sich an Unternehmen, die sich strategisch auf die Herausforderungen des Klimawandels vorbereiten möchten. Mit einem spielerischen Ansatz simuliert MainKassandra reale Ereignisse und fordert die Teams auf, kreative und effektive Anpassungsstrategien zu entwickeln. „Die Region Schweinfurt ist ein industriestarker Standort, der sich zunehmend mit den direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels auseinandersetzen muss“, erklärt Sophie Fischer.
Von der Idee zur Umsetzung
Die Entwicklung von MainKassandra sei eine spannende und herausfordernde Aufgabe gewesen, sagt Fischer. „Wir hatten noch nie ein Spiel entwickelt und mussten uns erst mal mit Spielsystematiken und -logiken auseinandersetzen. Außerdem galt es zu definieren, welche Lern- und Spielziele wir erreichen wollten.“
Ein zentrales Element des Spiels ist, dass die Teilnehmenden Entscheidungen für fiktive Unternehmen treffen müssen, um diese vor Klimaereignissen zu schützen. Dafür schlüpfen sie in verschiedene Rollen und sind beispielsweise als CEO des fiktiven Unternehmens tätig. „Die Fehler, die in der geschützten Spielumgebung gemacht werden, haben keine Konsequenzen, was es den Spielern erlaubt, innovative und mutige Lösungen auszuprobieren“, so Fischer.
Warum ist MainKassandra einzigartig?
Das Besondere an MainKassandra ist die Kombination aus Teamwork, Strategieentwicklung und Diskussion. Die Teilnehmenden, in der Regel Teams aus drei bis fünf Personen, müssen Herausforderungen wie extreme Wetterereignisse bewältigen. „Ein großer Wert liegt im Austausch der Spielenden, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln“, sagt Vizepräsident Prof. Dr.-Ing. Schmitt. Die Spielenden lernen, wie sie mit einem begrenzten Budget handeln und langfristige Strategien entwickeln können.
Im Vergleich zu herkömmlichen Schulungen oder Vorträgen bietet MainKassandra einen interaktiven und praxisnahen Ansatz. Die Teilnehmenden erleben unmittelbar, wie sich ihre Entscheidungen auf die Unternehmensperformance auswirken. Dabei ist es wichtig, dass die Teams möglichst heterogen sind, betont Fischer: „So profitieren alle von individuellen Erfahrungen, Meinungen und Werten. So entsteht die Inspiration, mit der man nach dem Spiel nach Hause geht.“ Diese Dynamik fördert nicht nur den Austausch innerhalb der Teams, sondern auch die Reflexion über bestehende Unternehmenspraktiken. Die Kombination aus realistischer Simulation und strategischem Denken macht MainKassandra zu einem wertvollen didaktischen Ansatz für alle, die nachhaltige und zukunftsorientierte Unternehmensstrategien entwickeln möchten.

Positive Resonanz und Potenziale für die Zukunft
Seit der ersten Testphase hat das Planspiel durchweg positives Feedback erhalten. „Die Spieler schätzten besonders die Diskussionen und die Möglichkeit, sich kreativ mit der Thematik auseinanderzusetzen“, berichtet Fischer. Insgesamt haben bisher 54 Personen aus verschiedenen Zielgruppen teilgenommen – darunter Studierende, Beschäftigte von Landratsämtern sowie Führungskräfte und Mitarbeitende in Klimaschutzfunktionen aus Unternehmen.
Die Verstetigung von MainKassandra ist bereits im Gange. „Wir arbeiten an einer englischen Version des Spiels, um das Spiel auch international einsetzen zu können“, sagt Fischer. Im Rahmen des Erasmus-Plus-Projekts „Project Personal Green Skills in Higher Education“ wird MainKassandra Teil eines 3-ECTS-Blended-Intensive-Programms zur Förderung von Nachhaltigkeitskompetenzen bei Studierenden und Lehrenden von Hochschulen in Deutschland, Litauen, Finnland, Österreich und Spanien. Durch das EU-Projekt wird MainKassandra weiterhin gespielt und weiterentwickelt, um „das Spiel zu verbessern und dann passgenau auch für die internationalen Studierenden einzusetzen“, so Fischer.
Nachhaltige Bildung als Schlüssel zur Klimaanpassung
Mit MainKassandra hat die THWS ein innovatives Bildungsangebot geschaffen, das die oft abstrakte Thematik der Klimaanpassung greifbar und praxisnah vermittelt. Das Planspiel zeigt eindrucksvoll, wie spielbasiertes Lernen Unternehmen und Kommunen dabei unterstützen kann, nachhaltige Strategien zu entwickeln. Ziel ist es, Menschen zum Umdenken zu bewegen und zu zeigen, dass auch kleine Schritte große Wirkungen haben können. Mit diesem Ansatz betont die THWS nachdrücklich die Bedeutung von Bildung und Innovation im Umgang mit den Folgen des Klimawandels.