Angebote für Geflüchtete unterstützen diese bei der Integration. Doch wie kommen Angebot und Nachfrage zusammen - und wer kümmert sich darum? Ein Lehrforschungsprojekt der THWS gibt Aufschluss.
Veröffentlicht am 07.08.2025
Professionelle Soziale Arbeit für Geflüchtete: Das erfordert natürlich einerseits Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und andererseits Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Um einen Überblick über das Ehrenamtsmanagement in der Geflüchtetenhilfe zu bekommen, wandte sich die Stadt Würzburg mit der Anfrage nach einem gemeinsamen Projekt an die Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) - und landete bei Prof. Dr. Dieter Kulke.
Die Rahmenbedingungen
Prof. Dr. Kulke ist Professor für Soziologie und Leiter des Moduls Qualitative Forschungsmethoden im Master Soziale Arbeit. Er leitete gemeinsam mit Dr. Ahmed Albaba, Lehrbeauftragter an der THWS, das aus einer Anfrage der Stadt Würzburg entstandene Lehrforschungsprojekt. Knapp ein Jahr, also über zwei Semester hinweg, untersuchten sie mit den Studierenden des Masters Soziale Arbeit die Ehrenamtsangebote für die Gemeinschaftsunterkunft in der Veitshöchheimer Straße in Würzburg.
Das Lehrforschungsprojekt musste gleich mehreren Ansprüchen genügen: Es mussten die formalen Anforderungen des Modulhandbuchs mit den Anforderungen der Kooperationspartner in Einklang gebracht werden. Die Stadt Würzburg war an einer Analyse der ehrenamtlichen Angebote in der Gemeinschaftsunterkunft interessiert. „Von einer reinen Auftragsforschung ist hier aber nicht die Rede“, betont Prof. Dr. Kulke. „Neben den Vorgaben aus dem Modulhandbuch sollten die Studierenden auch die Möglichkeit haben, verschiedene Forschungsmethoden kennenzulernen und ihre eigenen Forschungsfragen einzubringen.“
Exkursion und Interviews
Zusätzlich zur Datenerhebung und der anschließenden Analyse gehörten verschiedene andere Formate zum Lehrforschungsprojekt. Darunter auch der Besuch der Gemeinschaftsunterkunft in der Veitshöchheimer Straße. „Wir haben eine Exkursion in die Gemeinschaftsunterkunft durchgeführt, um das Feld überhaupt kennenzulernen, in dem wir dann forschen“, so Prof. Dr. Kulke. Die Exkursion war ein wichtiger Bestandteil des Projekts, da die Studierenden subjektive Eindrücke von der Lage vor Ort gewinnen konnten. Mareike Karges, Studentin des Masters Soziale Arbeit, erinnert sich an den Besuch: „Ich war das erste Mal in einer Gemeinschaftsunterkunft und speziell diese Lebenssituation zu sehen und die Bedingungen, in denen die Geflüchteten leben, das machte mir schon ein beklemmendes Gefühl.“
Die Studierenden teilten sich unter Prof. Dr. Kulke und Dr. Albaba in kleine Gruppen auf und sprachen im Rahmen von Einzel- und Gruppeninterviews mit verschiedenen Personengruppen und Akteuren der Gemeinschaftsunterkunft. Dazu gehören Geflüchtete, Mitarbeitende der Stadt, hauptamtliche Mitarbeitende, die Leitung der Gemeinschaftsunterkunft, aber auch vor allem die, die einem Ehrenamt für Geflüchtete nachgehen und die, die die ehrenamtlichen Tätigkeiten koordinieren. Alles unter dem Gesichtspunkt, die unterschiedlichen Facetten der ehrenamtlichen Arbeit in der Gemeinschaftsunterkunft zu betrachten.

Mareike Karges und ihr Kommilitone Burkhard Salzer untersuchten beispielsweise das Babycafé, ein spezielles Angebot der Stadt Würzburg für Schwangere, Eltern und alleinerziehende Mütter und Väter mit Kindern in den ersten Lebensjahren. „Wir waren ein Team von zwei Studierenden und haben das Babycafé ein bisschen unter die Lupe genommen“, erklärt Salzer. „Dabei ging es darum zu schauen, welche Erfahrungen sowohl die Mitarbeitenden des Babycafés als auch die Geflüchteten, die dieses Angebot wahrnehmen, machen.“ Während Salzer zwei Mitarbeitende des Babycafés interviewte, setzte sich Karges mit Mitarbeitenden der Stadt zu diesem Angebot in Verbindung.
Herausforderungen der Ehrenamtsorganisation: Abstimmung, Kommunikation und Flexibilität
Aus den Eindrücken und Analysen der Studierenden kristallisiert sich, neben kleineren praktischen Themen, vor allem ein konkreter Knackpunkt heraus: die Ehrenamtsorganisation. Während der Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Abstimmung zwischen den hauptamtlichen und den ehrenamtlichen Mitarbeitenden nicht immer so reibungslos abläuft, wie es sich alle Beteiligten wünschen. Prof. Dr. Kulke führt ein Beispiel auf: „Die Schlüssel zu besorgen war ein Problem. Man musste sich bei der Gemeinschaftsunterkunft melden, wo man den Schlüssel erhält, um dann in das Gemeinschaftshaus zu gehen, in dem die Angebote stattfanden.“
Dazu kommt die Koordinierung der Angebote. Wie macht man am besten auf die Angebote für Geflüchtete aufmerksam? Wie regelmäßig und verbindlich finden diese statt? Man wisse zu wenig voneinander, erklärt Prof. Dr. Kulke. Neben der Bekanntmachung solcher Angebote fehle es aber auch an zeitlicher Flexibilität. „Ehrenamtliche haben auch Interessen und arbeiten oft ein bisschen projektbezogen.“ Es brauche daher die professionelle Soziale Arbeit, um Ehrenamtliche kompetent zu managen und zu koordinieren.
Die Ergebnisse des Projekts wurden im November vergangenen Jahres auf einer Fachkonferenz für die interessierte Fachöffentlichkeit in Würzburg vorgestellt. Verschiedene Referenten waren vor Ort, wie Prof. Dr. Jens Vogler von der Hochschule Fulda, der das Thema wissenschaftlich einordnete. Die Konferenz markierte den Abschluss des Projekts, war aber gleichzeitig Pick-up für Maßnahmen und der Start, neue Wege zu gehen.

Nach dem Projekt ist vor dem Projekt – Ein Blick in die Zukunft
Am Ende der Fachkonferenz wurde ein Schema zur Ehrenamtskoordination präsentiert und diskutiert. „Es tut sich gerade einiges. Wir sind in einer Zeit des Umbruchs“, sagt Prof. Dr. Kulke zufrieden. Die Ergebnisse des Projekts bilden eine Grundlage für Vorschläge, wie das Ehrenamtsmanagement künftig besser organisiert werden kann.
Bei dem Projekt ging es nicht darum, einen konkreten Fahrplan vorzustellen, der im Anschluss abgearbeitet werden kann. Wichtig war vielmehr, den aktuellen Stand zu erfassen. „Wir haben sowohl von Ehrenamtlichen, aber auch von Ehrenamtskoordinatoren gehört, dass die Situation nicht ganz einfach ist. Das betrifft in erster Linie den Informationsfluss“, fasst Prof. Dr. Kulke zusammen. Wichtige Maßnahmen, die jetzt folgen, sind in seinen Augen: Ansprechpersonen und Zuständigkeiten klar benennen und deutlich machen, Zeiten verbindlich vereinbaren sowie die klare Abstimmung und Bekanntmachung der Angebote.
Auf die Frage, wie er das Lehrforschungsprojekt bewertet, antwortet er: „Mit unserer Forschung Erkenntnisse zu produzieren und an die Fachöffentlichkeit zu bringen war für die Studierenden und für mich sehr schön, genauso wie die Zusammenarbeit mit der Stadt Würzburg.“ Prof. Dr. Kulke hat mit lokalen Akteuren der Sozialen Arbeit schon mehrere Lehrforschungsprojekte im Master Soziale Arbeit durchgeführt und freut sich auf weitere. Auch für die Studierenden sei die enge Zusammenarbeit in der Forschung ein Gewinn. „Ich könnte mir für künftige Masterseminare gut vorstellen, im Rahmen von ähnlichen Projekten an dem Thema Flucht und Ehrenamt weiter zu forschen. Mit solchen Lehrforschungsprojekten können wir zeigen, was wir als Hochschule leisten können und ein bisschen in die Gesellschaft hineinwirken.“