Grünes Licht für alle zugelassenen Hochschulen und ihre neuen Promotionszentren. Laut der bayerischen Landesregierung beginnt mit der Einrichtung der Promotionszentren in Bayern eine „neue Ära“. Die Besonderheit: an Hochschulen wird eng mit Unternehmen zusammengearbeitet und geforscht.
Veröffentlicht am 30.08.2024
Am 15. März 2024 startete auch die Technische Hochschule Würzburg Schweinfurt in eine neue Ära: das eigene Promotionszentrum „NISys“ nahm den Betrieb auf. Zusammen mit der Technischen Hochschule Aschaffenburg und der Hochschule Coburg sollen eigenständige Promotionen entstehen. Die Abkürzung NISys steht für „Nachhaltige und Intelligente Systeme“, die fachlichen Schwerpunkte sind also Energie- und Infrastruktursysteme, Mobilität und Produktion sowie Materialien. Erlangt werden kann hier ein „Dr.-Ing.“ also ein Doktortitel der Ingenieurwissenschaften. Diese Entwicklung ist neu, Hochschulen durften lange Zeit Promotionen nur in Kooperation mit Universitäten betreuen. Als wissenschaftliche Hochschulen wurden sie im Hochschulrahmengesetz von 1976 anerkannt, 34 Jahre später bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf freie wissenschaftliche Betätigung auch für Professorinnen und Professoren an Fachhochschulen. Der Prozess, dass die einzelnen Bundesländer das umsetzen, ist aktuell noch nicht abgeschlossen. Seit 2023 können auch Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Bayern in „besonders forschungsstarken Bereichen“ beim Wissenschaftsministerium das Promotionsrecht beantragen, verkündete die Bayerische Staatsregierung.
Kooperative Promotionen vs. Promovieren am Promotionszentrum
An der THWS sollen im Wintersemester 2024/25 die ersten Anträge für eigenständige Promotionen im Promotionszentrum zugelassen werden. „Aktuell sind rund 80 Promovierende im sogenannten kooperativen Verfahren mit einer Promotion beschäftigt“, weiß Dr. Christian Lengl, Leiter des Campus Angewandte Forschung der THWS. Kooperative Promotion bedeutet, dass man eine Promotion in Kooperation mit einer Universität durchführt. Die Schwierigkeit dabei ist, sowohl eine betreuende Person an der Hochschule zu finden als auch eine Professorin oder einen Professor an der jeweiligen Universität. In vielen Fällen ist die doppelte Betreuung ein Vorteil, in manchen Fällen jedoch gestaltet sich die Kommunikation schwieriger, da man sich mit mehreren Leuten absprechen muss und von individuellen Regelungen an der Universität abhängig ist. „Im besten Fall bringt jede Professorin und jeder Professor wichtigen Input für die promovierende Person und ein hilfreiches Netzwerk an Kontakten mit“, sagt Dr. Simone Stork, die im Rahmen des Projekts ProPereTHWS (Professorale Personalgewinnung und -entwicklung) Promotionsinteressierte an der THWS berät.
Promotionszentrum NISys an der THWS
„Der große Vorteil des Promotionszentrums an der THWS ist nun, dass die Kooperation mit den Universitäten nicht mehr notwendig ist“, erläutert Dr. Lengl. Der gesamte Prozess werde dadurch vereinfacht und so gebe es auch dementsprechende zeitliche Einsparungen vor allem in der Vorbereitung bis zur Annahme eines Promotionsvorhabens, ergänzt Dr. Stork. Qualitätstechnisch gibt es mehrere Absicherungen: Zum einen werden die Promotionen im Team betreut, das heißt jedem Promovierenden werden zwei Professorinnen und Professoren an die Seite gestellt. „Zum anderen gibt es ein begleitendes Qualifizierungsprogramm, welches verpflichtend für die Promovierenden ist und sie bei ihrer fachlichen Arbeit unterstützen soll“, führt Dr. Lengl aus.
Wenn man von Nachteilen bei der nicht-kooperativen Promotion sprechen möchte, sind das einmal die fachliche Beschränkung und dann, dass das Promotionszentrum noch in den Kinderschuhen steckt: Die fachliche Beschränkung ist, im Fall der THWS, aktuell noch ganz klar auf dem ingenieurwissenschaftlichen Bereich. Wenn man aus einer anderen Fakultät kommt, ist aktuell weiterhin nur der Weg über eine Universität mithilfe der kooperativen Promotion möglich. Zudem ist das Promotionszentrum noch neu und hat damit mit den klassischen Problemen eines neu eingeführten Systems zu kämpfen. „Wir müssen die formellen Vorgaben erstmal richtig festklopfen“, sagt Prof. Dr. Jürgen Hartmann, Sprecher des Promotionszentrums. Dieser Prozess befinde sich aber in den letzten Zügen und sollte, bis die ersten Promotionen angenommen werden, keine Probleme mehr darstellen.
Voraussetzungen für eine Promotion an der THWS
Wenn man sich für eine Promotion interessiert, muss man verschiedene Aspekte beachten und grundsätzlich einiges mitbringen. Zunächst braucht man einen Masterabschluss oder einen äquivalenten Studienabschluss, der mindestens mit der Note „gut“ oder besser noch „sehr gut“ abgeschlossen wurde. Am besten hat man als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder als studentische Hilfskraft bereits Erfahrungen gesammelt und kommt so auch an Kontakte für die eigene Promotion. Von Vorteil ist es auch, wenn im Fachbereich geforscht wird oder ein Forschungsprojekt gestartet werden kann, denn ohne eigenes Forschungsthema gilt: keine Promotion. Zudem ist Begeisterung für den Fachbereich essentiell. Im Vorfeld sollte man sich frühzeitig konkrete Gedanken über das Thema der Promotion machen und genau überlegen was motivierend genug ist, um über viele Jahre daran zu arbeiten Ein Tipp von Dr. Lengl: „Eine Masterarbeit wählen, die tatsächlich schon forschungsorientiert ist.“ Er weiß: „Je früher man sich darüber Gedanken macht, dass man Promovieren möchte, desto besser.“ Die intrinsische Motivation für das Fachgebiet, die auch über den gesamten Prozess trage, sei entscheidend, meint Dr. Stork. Denn wenn das Thema nur Mittel zum Zweck ist, ist es wahrscheinlicher, dass die Promotion frühzeitig abgebrochen wird oder Qualitätsverluste zu verzeichnen sein werden. Im Idealfall wird man sein restliches Arbeitsleben von diesem Thema begleitet. Nur wenn man wirklich dafür brennt, bleibt man über so einen langen Zeitraum auch motiviert. Für promotionsinteressierte Studierende an der THWS gibt es verschiedene Kontaktstellen und sogar einen E-Learning-Kurs, bei dem man nicht nur Infomaterial, sondern auch Angebote zu Workshops und Veranstaltungen findet.
Finanzierung der Promotion
Die Finanzierung einer Promotion läuft meistens über eine Anstellung als Doktorandin oder Doktorand in einem Forschungsprojekt an der Hochschule. Diese Forschungsprojekte werden meist über Drittmittel finanziert, beispielsweise vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Bei der Hochschule angestellt zu sein heißt, im öffentlichen Dienst tätig zu sein und auch dementsprechend entlohnt zu werden. In Bayern wird man an Hochschulen in der Besoldungsstufe E13 des TV-L eingestuft. Das ergibt ein Vollzeit-Bruttoeinstiegsgehalt von 4.188,38 Euro im Monat. Dr. Lengl weist aber darauf hin, dass der Zeitaufwand der Forschungstätigkeit bei einer Promotion nicht zu unterschätzen sei. Eine Vollzeitstelle plus Promotion sei aufgrund der Doppelbelastung schwer realisierbar. Auch beim Thema Finanzierung sei es wichtig sich im Vorfeld Gedanken zu machen und sich genau zu überlegen, wie viel Geld man benötige und ob man sich auf ein Stipendium bewerben sollte, wenn keine Anstellung an der Hochschule in Aussicht sei. Doch: „Wenige haben die Möglichkeit, über ein Stipendium finanziert zu werden“, weiß Dr. Stork.
Auch wenn man im Promotionszentrum der THWS, der Technischen Hochschule Aschaffenburg und der Hochschule Coburg erstmal nur im Bereich der Ingenieurwissenschaften promovieren kann, ist es trotzdem ein wichtiges und deutliches Zeichen zur weiteren Stärkung der Forschung an Hochschulen.