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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Projekt EntrepreneurSHIP: Kreativität 2.0

Kreativ ist, wer Neues schafft und innovative Ideen entwickelt. Doch was genau bedeutet das?

 © AdobeStock / Andreas Berheide

Kreativität ist ein vielschichtiger Begriff. Die Fachkonferenz für Kreativitätsforschung an der THWS diskutiert den Begriff aus verschiedenen Blickwinkeln - und schlägt dabei die Brücke zwischen Brettspielen, künstlicher Intelligenz und Stand-up-Comedy. Über innovative Denkansätze und kreative Prozesse in der facettenreichen Welt der Kreativforschung.

Veröffentlicht am 11.07.2024

„Braucht Innovation Genies?“ - Das ist die Frage des Abends. Unter dem Slogan veranstaltete das Projekt EntrepreneurSHIP der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) im November 2023 die Fachkonferenz "Kreativität neu denken“, die sich an Interessierte und Experten aus dem Bereich Entrepreneurship Education, Forschung und Förderung richtet. Ein zentraler Bestandteil liegt vor allem darin, herauszufinden und zu diskutieren, wie menschliche Kreativität und Innovation zusammenhängen. Kann Kreativität aktiv beeinflusst werden - und inwieweit sind Menschen gezwungen, in Anbetracht der fortschrittlichen Entwicklungen von künstlicher Intelligenz das Verständnis von Kreativität grundlegend zu überdenken?

Bild: Lanyards und Unterlagen mit der Aufschrift: Kreativität neu denken.
Braucht Innovation Genies? Diese Frage stellte die Fachkonferenz "Kreativität neu denken" an der THWS (© THWS/Klara Thein)

Kreativität ist die Grundlage für Ideenfindung und somit eine der wichtigsten Voraussetzungen für Innovation. Daher ist es wichtig, Kreativität zuzulassen. Die Spieleentwicklerin Antonia Bartning setzt bei der Innovationsförderung auf einen spielerischen Ansatz. Um Kreativitätsblockaden wie Pessimismus und Skepsis zu umgehen, hat sie ein Brettspiel entwickelt, um auf spielerische Art und Weise, kreative Ideen zur Lösung von gesellschaftlichen und ökologischen Problemen zu entwickeln. „Spiele bieten einen geschützten Raum, in dem man eigene Ideen erproben kann, ohne das Schranken-Denken aus dem Alltag. Beim Spielen legt man diese Schranken ab und kann seinen Gedanken freien Lauf lassen“, sagt Bartning. Sie spricht auch vom sogenannten „Flow-erleben“- einem Zustand, in dem Menschen sich in etwas vertiefen und dabei in eine neue Rolle schlüpfen, um somit neue Perspektiven einzunehmen.

Zitat von Antonia Bartning: „Spiele bieten einen geschützten Raum,[…], ohne das Schranken-Denken aus dem Alltag. Beim Spielen legt man diese Schranken ab und kann seine Gedanken freien Lauf lassen“
Zitat Ferdinand Grah: „Intuition und das Bauchgefühl, ob etwas richtig ist, ist sehr hilfreich bei kreativen Prozessen“

Ferdinand Grah ist Food-Designer und im Bereich der sozialen Innovationen tätig. Er definiert den Kreativitäts-Begriff so, dass Menschen problemlösende Gefühle entwickeln, um Dinge auszuprobieren, sie zu reflektieren und sie weiterzuentwickeln. „Intuition und das Bauchgefühl, ob etwas richtig ist, sind sehr hilfreich bei kreativen Prozessen“, sagt Grah und stellt eine Verbindung zu Stand-up-Comedy her: Bei Comedy wie auch bei anderen kreativen Prozessen komme es vor allem darauf an, zu improvisieren und zu beobachten, ob Dinge funktionieren. Grah betont dabei, dass es entscheidend ist, auch die Improvisationen Anderer zu betrachten, um daraus einen Lerneffekt zu ziehen - und anschließend Dinge in einer neuen Weise zu gestalten.

Künstliche Kreativität

Dr. Felix Liedel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Campus Angewandte Forschung der THWS und engagiert sich intensiv im Projekt EntrepreneurSHIP. Seine Expertise erstreckt sich über die Themenbereiche Forschung, Medien und Kommunikation. Dr. Liedel hatte die Fachkonferenz mitorganisiert. Sein Ziel: das Thema fachübergreifend zu beleuchten. Laut aktuellem Stand komme der interdisziplinäre Austausch zwischen den verschiedenen Fachrichtungen zu kurz - ein Defizit, weil die unterschiedlichen Fächer ihre jeweils einzigartigen Blickwinkel auf das Thema Kreativität haben. „Durch einen intensiven Austausch und die Zusammenführung der verschiedenen Fachperspektiven kann nicht nur ein umfassenderes Verständnis von Kreativität ermöglicht werden, sondern es entsteht auch die Möglichkeit für innovative Ansätze und Ideen“, sagt Dr. Liedel. Die Frage nach der Entstehung von Kreativität ist jedoch ein komplexer Prozess und lässt sich nicht eindeutig beantworten, da jeder eine individuelle Auffassung von Kreativität hat. „Vielmehr betrachten wir Kreativität als einen Weg zur Problemlösung und als die Fähigkeit, durch verschiedene Techniken Probleme zu lösen. In diesem Kontext ist das Design-Thinking-Prinzip besonders hervorzuheben“, erklärt Dr. Liedel.

Zitat Dr. Felix Liedel (gekürzt): „Durch einen intensiven Austausch […] entsteht auch die Möglichkeit für innovative Ansätze und Ideen“

Insbesondere in der Design-Forschung hat sich die Design-Thinking-Methode als sehr wirksam erwiesen. Es handelt sich um eine kreative Problemlösungsmethode, die sich auf die Bedürfnisse der Nutzenden konzentriert, ein iterativer Prozess, der durch die Phasen des Verstehens, Beobachtens, Ideenfindens, Prototypisierens und Testens führt. Durch multidisziplinäre Zusammenarbeit wird versucht, innovative Lösungen zu entwickeln. Dabei wird der Prozess in zwei Räume unterteilt: den Problemraum und den Lösungsraum. Im Problemraum wird das Problem identifiziert und eingehend beleuchtet. Anschließend erfolgt im Lösungsraum die Erarbeitung von kreativen Lösungsansätzen auf Basis der zuvor gewonnenen Erkenntnisse.

Zitat Walt Disney/Prof. Dr. Jochem Müller: „If you can dream it, you can do it!”

Das Walt-Disney-Zitat „If you can dream it, you can do it!” nutzt der Intuitionsforscher Prof. Dr. Jochem Müller von der Hochschule Ansbach in seinem Vortrag bei der Fachkonferenz „Kreativität neu denken“. Es verdeutlicht die Fähigkeit, von Visionen und neuen Ideen zu träumen - und nimmt damit im Bereich Entrepreneurship einen zentralen Stellenwert ein. „Unsere Träume und Wünsche fungieren als kraftvoller Antrieb für innovative Unternehmungen und unterstützen uns dabei, zukunftsweisende Visionen zu verfolgen“, sagt Prof. Dr. Müller. In diesem Zusammenhang steht vor allem die Diskussion um eine Abgrenzung oder mögliche Überschneidungen zwischen menschlicher Intuition und künstlicher Intelligenz im Fokus. "Die menschliche Intuition erweist sich dabei als Schlüssel für disruptive Entwicklungen auf den Gebieten, auf denen das Erfahrungswissen begrenzt ist und neues Wissen dringend benötigt wird", hebt der Intuitionsforscher hervor. Hierbei tritt künstliche Intelligenz als ergänzender Faktor auf, indem sie vorhandenes Wissen erweitert, Erfahrungswissen einbringt, abwägt und analytische Ergänzungen liefert. Dennoch bleibt der wesentliche Unterschied, dass der Mensch die Tür zu visionären Ideen öffnet.

Beim Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Innovationsförderung gibt es Chancen wie auch Grenzen. Prof. Dr. Stephanie Kapitza von der Technischen Hochschule Rosenheim ist Expertin auf den Gebieten Entrepreneurship sowie digitale Geschäftsmodelle. Sie erklärt: “Die Potenziale von KI liegen klar in der Unterstützung der menschlichen Kreativität und in der Förderung von Geschäftsmodellen mit einem eher inkrementell innovativen Charakter." In diesem Bereich eröffnen sich daher vielversprechende Verbindungen von technologischem Fortschritt und unternehmerischer Kreativität, welche durch den Einsatz von KI unterstützt werden können. Allerdings stößt die künstliche Intelligenz bei der Verknüpfung zu menschlicher Intuition auch an ihre Grenzen. “KI kann diese intuitive Komponente nicht abbilden, da sie nur in der Lage ist, bereits existierende Denkmuster zu verarbeiten“, sagt Prof. Dr. Kapitzka. Sie appelliert auch an einen verantwortungsbewussten Umgang mit künstlicher Intelligenz. "Die Qualität der KI-Ergebnisse hängt stark von der gestellten Frage und der zugrundeliegenden Datenbasis ab", erklärt die Professorin.

Braucht Innovation Genies?

Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Innovation braucht nicht zwangsläufig Genies - waren sich die Expertinnen und Experten auf der Fachkonferenz einig. Denn schließlich trägt jeder Mensch Kreativpotenziale in sich, die dazu beitragen können, die Welt positiv zu gestalten. Es gilt, den Genie-Begriff breiter zu fassen und zu erkennen, dass kreative Fähigkeiten und Talente in vielfältiger Weise zu Innovationen beitragen können.

Bild: Projektor zeigt Präsentation "Kreativität neu denken"
Expertinnen und Experten, auch von anderen Hochschulen, brachten bei der Konferenz neue Ideen und Impulse zum Thema Kreativität ein (© THWS/Klara Thein)

Ein Artikel von 
Alexander Schreck