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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Fahrrad-Infrastruktur: Innovative Projekte zur Verbesserung der Verkehrssituation

Forschungsprojekte der THWS untersuchen die Würzburger Fahrradwege

 © AdobeStock / stockphoto-graf

Von Fahrrad-Sensorboxen bis zu gezielten Maßnahmen am Maintalradweg - Forschende der THWS setzen auf innovative Ansätze, um Hindernisse für Radfahrende zu identifizieren und die Verkehrssicherheit zu verbessern.

Veröffentlicht am 10.06.2024

Schulnote Vier - so lautet das Ergebnis des Fahrradklima-Tests vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) für die Stadt Würzburg. Etwa 1.000 Personen bewerteten im vergangenen Jahr in einer bundesweiten Umfrage die Fahrradfreundlichkeit der fränkischen Stadt. Mit diesem Ergebnis liegt Würzburg im Vergleich zu anderen Städten im Mittelfeld. Dennoch offenbart der Test deutliche Mängel in der örtlichen Fahrrad-Infrastruktur.

Schwachstellen in der Würzburger Fahrrad-Infrastruktur

„Abschnitte, an denen der Fahrradverkehr in Würzburg äußerst schlecht geführt wird, gibt es zu Genüge“, erzählt Torsten Staab, Vorstandsmitglied des Radfahrer-Interessenverbands ADFC in Würzburg. Zwar habe die Stadt in den letzten Jahren Verbesserung vorgenommen, doch würden diese bei weitem nicht ausreichen. Nach wie vor seien die schmalen Fahrradwege und der fehlende Abstand zu fahrenden und parkenden Autos in Würzburg ein Problem, genauso wie die Verkehrsführung durch Baustellen. „Viele Menschen trauen sich deshalb nicht mehr, im Stadtverkehr mit dem Fahrrad zu fahren“, stellt Staab fest.

Zitat Torsten Staab: „Abschnitte, an denen der Fahrradverkehr in Würzburg äußerst schlecht geführt wird, gibt es zu Genüge.“
Torsten Staab, Vorstandsmitglied im ADFC Würzburg
Torsten Staab, Vorstandsmitglied im ADFC Würzburg, kritisiert vor allem die schmalen Fahrradwege in Würzburg (© Sebastian Strauß)

Doch wo liegen die Schwachstellen in der Würzburger Verkehrs-Infrastruktur und an welchen Stellen sind Verbesserungen notwendig, um die Sicherheit der Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer zu gewährleisten? Ein interdisziplinäres Team der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) versucht in einem aktuellen Forschungsprojekt, genau das herauszufinden.

„Im Alltag hört man oft von gefährlichen Kreuzungen oder Straßenabschnitten, an denen Autofahrerinnen und Autofahrer die gebotenen Abstände zu den Radfahrerenden nicht einhalten“, sagt Prof. Dr. Nicholas Müller, Initiator des Projekts und Inhaber der Professur für Sozioinformatik und gesellschaftliche Aspekte der Digitalisierung an der Fakultät Informatik und Wirtschaftsinformatik (FIW). Zusammen mit seinen Kollegen Prof. Dr. Jan Wilkening, Studiengangleiter Geovisualisierung an der Fakultät Kunststofftechnik und Vermessung (FKV), und Prof. Dr. Arndt Balzer, Inhaber der Professur Rechnerarchitekturen und eingebettete Systeme (FIW), hat Prof. Dr. Müller es sich daher zur Aufgabe gemacht, die Mängel in der Würzburger Fahrrad-Infrastruktur zu identifizieren.

Zitat Prof. Dr. Nicholas Müller: „So können wir beispielsweise feststellen, wann und an welchem Straßenabschnitt eine besonders hohe Feinstaubbelastung vorliegt oder Straßenschäden vorhanden sind.“

Datenerfassung im Straßenverkehr durch Bike-Boxen

Möglich gemacht wird das Ganze durch sogenannte Bike-Boxen. Mithilfe der Boxen sollen die bisherigen Berichte über problematische Stellen im Würzburger Verkehr mit quantitativen Daten untermauert werden. Hierfür werden die selbst konstruierten Behälter mit unterschiedlichen Sensoren ausgestattet und am Lenkrad eines Fahrrads befestigt. Neben Luftdruck-, Temperatur- und Erschütterungssensoren verfügen sie auch über Sensorik zur Abstands- und Feinstaubmessung. „So können wir beispielsweise feststellen, wann und an welchem Straßenabschnitt eine besonders hohe Feinstaubbelastung vorliegt oder Straßenschäden vorhanden sind“, erklärt Prof. Dr. Müller.

In einem sogenannten Pre-Test sollen Anfang 2024 zunächst etwa 30 Bike-Boxen an Studierende ausgegeben werden. Im Laufe des Jahres soll die Anzahl auf bis zu 100 Boxen steigen. Einzige Bedingung für die Teilnahme an dem Projekt ist, dass die Studierenden regelmäßig mit dem Fahrrad unterwegs sind. „Wir zeichnen alle Daten und die dazugehörigen Koordinaten auf. Am Anfang und Ende der Aufzeichnung werden jedoch aus Datenschutzgründen jeweils ein paar hundert Meter wieder gelöscht“, erklärt Prof. Dr. Müller. Über Bluetooth senden die Sensoren die aufgezeichneten Informationen an eine App auf dem Handy der Probanden. Sobald die Studierenden ihr Smartphone mit dem WLAN verbinden, werden die Daten an das Forschungsteam der THWS übermittelt.

„Wenn wir bei mehreren Personen an der gleichen Stelle im Straßenverkehr auffällige Messungen feststellen, könnten die Daten als konkreter Anknüpfungspunkt dienen, um Verbesserungen vorzunehmen“, so Prof. Dr. Müller. Dies gelte insbesondere für die Abstandsmessung: Wenn mehrere Messungen von verschiedenen Studierenden ergeben sollten, dass es an einem Streckenabschnitt immer wieder zu einer Unterschreitung des vorgeschriebenen Mindestabstands von eineinhalb Metern kommt, wäre das ein Hinweis für eine problematische Stelle im Straßenverkehr. „Es wäre möglich, dass an dieser Stelle der Fahrradweg zu schmal ist oder besser gekennzeichnet und abgesichert werden müsste“, verdeutlicht Prof. Dr. Müller.

Foto: Drei Jugendliche auf dem Fahrradweg über die Alte Mainbrücke in Würzburg.
Alte Mainbrücke in Würzburg (© AdobeStock/MiroslawKopec)

Erfolgreiche Studie am Maintalradweg

Welche Auswirkungen ein gut gekennzeichneter Fahrradweg auf die Verkehrssicherheit hat, untersuchte die Studentin Laura Pressel im Frühjahr 2023 in ihrer Bachelorarbeit. Hierfür führte Pressel am Maintalradweg zwischen Würzburg und Randersacker eine sogenannte Community Behavioral Intervention durch, also ein gezieltes Eingreifen in die Voraussetzungen vor Ort, um Verhaltensänderungen herbeizuführen. Entlang dieses Abschnitts wird der Maintalradweg mit einem Fußgängerweg zusammengeführt und durch eine weiße Linie getrennt, wobei eine entsprechende Beschilderung lediglich am Anfang des Wegs existiert. Wer in einem der Biergärten oder Restaurants einkehrt, steht nach seiner Pause vor der Herausforderung, den richtigen Weg zu wählen. „Ich fahre selbst sehr viel Fahrrad und bin an dieser Stelle schon häufiger fast mit jemandem zusammengestoßen“, erzählt Pressel. In ihrer Studie erneuerte die Studentin auf Höhe eines Biergartens die Kennzeichnungen für Fahrradfahrende und Fußgänger. „Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass durch meine Intervention weniger Personen auf dem falschen Weg unterwegs waren“, erläutert Pressel. Ihre Abschlussarbeit stellte die Studentin der Gemeinde Randersacker zur Verfügung - und diese nutzte die gewonnenen Informationen auch gleich: Mittlerweile gibt es zwei neue Schilder am Maintalradweg.

Bild: Maintalradweg auf der Höhe eines Biergartens zwischen Würzburg und Randersacker.
Am Maintalradweg auf Höhe eines Biergartens hat die Gemeinde Randersacker inzwischen zwei neue Hinweisschilder aufgestellt (© Sebastian Strauß)

Daten für alle zugänglich

Für ähnliche Interventionen sollen auch die Bike-Boxen Anhaltspunkte liefern. Aus den ausgewerteten Geodaten will das Forschungsteam um Prof. Dr. Müller thematische Karten erstellen, in denen die Mängel im Straßenverkehr verdeutlicht werden. Die Ergebnisse und Karten werden im Open-Data-Portal der Stadt Würzburg der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Alle Bürgerinnen und Bürger können kostenlos auf die Daten zugreifen und mithilfe der Visualisierungen die eigene Pendelstrecke nachvollziehen. „Natürlich erhoffen wir uns, dass unsere Daten auch von der Stadt Würzburg genutzt werden, um die problematischen Stellen für die Fahrradfahrenden zu verbessern“, betont Prof. Dr. Müller abschließend.

Zitat Prof. Dr. Nicholas Müller: „Natürlich erhoffen wir uns, dass unsere Daten auch von der Stadt Würzburg genutzt werden, um die problematischen Stellen für die Fahrradfahrenden zu verbessern.“

Bis dahin empfiehlt Torsten Staab vom ADFC allen Fahrradfahrenden, selbstbewusst und vorausschauend zu fahren: „Man sollte nicht am Bordstein kleben, sondern rund eineinhalb Meter Abstand zu diesem oder zu den parkenden Autos halten.“ Das sei nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern beuge auch Unfällen vor, die durch plötzlich aufschwingende Autotüren verursacht werden können. Das Wichtigste sei jedoch, auffallende Kleidung zu tragen, um im Straßenverkehr von allen Beteiligten wahrgenommen zu werden, so Staab. Gerade im Winter könne das Tragen von auffälligen Reflexionsstreifen an der Kleidung viele Unfälle verhindern.

Bild: Fahrradfahrende Kinder
(© AdobeStock/tashechka)
Fokus Grün, Nachhaltigkeit an der THWS

Ein Artikel von
Sebastian Strauß