Im Wintersemester 2022/23 bot die THWS in Kooperation mit einer finnischen und ukrainischen Hochschule das Wahlpflichtfach „Green IT – Nachhaltigkeit in der Industrie“ an. Aufgebaut als virtuelles Kooperationsprojekt, hatten Studierende die Möglichkeit, interkulturelle Kompetenzen zu erwerben. Das Projekt hat Modellcharakter für die international vernetzte Lehre.
Das Internet verbraucht extrem viel Strom: Eine simple E-Mail etwa verursacht bereits Emissionen von zehn Gramm Kohlenstoffdioxid. Das entspricht der Klimabilanz einer Plastiktüte. Je mehr der Klimawandel in das gesellschaftliche Bewusstsein rückt, umso stärker gerät auch der riesige Energiebedarf der Informations- und Kommunikationssysteme in den Fokus. Mit dem Modul „Green IT“ thematisiert die Fakultät Informatik und Wirtschaftsinformatik der THWS den umweltbewussten Umgang mit Hard- und Software. Als integrativer Bestandteil des Angebots „Mobility Goes Virtual“ finden die Vorlesungen in Kooperation mit der National Technical University Kharkiv Polytechnic Institute aus der Ukraine und der LAB University of Applied Sciences aus Finnland statt.
Idee entstand während Corona-Pandemie
Bereits zum Anfang der Corona-Pandemie hatte Franziska Königer, Projektleiterin von „Mobility Goes Virtual“, den Impuls zu einem virtuellen und hochschulübergreifenden Austausch. Die grundlegende Idee: Virtuelle Mobilität auf Ebene der Studierenden und Dozierenden herstellen und den internationalen Austausch fördern. „Von der Idee bis zur Umsetzung ging es sehr schnell damals“, berichtet Königer. Bereits im Wintersemester 2020/21 startete die erste Runde von „Mobility Goes Virtual“. In Kooperation mit einer Partnerhochschule aus Rumänien erprobten die Studierenden neue Technologien zur Realisierung von Telepräsenz. Mit Hilfe von Double-Robotern, VR-Geräten und 360-Grad-Kameras sollte eine möglichst natürliche Begegnung im virtuellen Raum erprobt werden.
Aktuelle Themenstellung: Umweltfreundliche Cloud-Uploads
Mit positivem Feedback aus der ersten Runde und einer Förderung seitens des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) für die zweite Runde folgte im Wintersemester 2022/23 das Modul „Green IT". In Form eines virtuellen Blockkurses treffen sich die Studierenden aus den drei Ländern und erhalten wöchentlich einen Input von Dozierenden der teilnehmenden Hochschulen. Insgesamt sind es 25 Studierende, die sich in interkulturellen Arbeitsgruppen mit den konkreten Projektaufgaben befassen.
Im Zentrum steht immer die Frage, wo Potenziale zur Energieeinsparung in der IT liegen. Denn der Energieverbrauch steigt enorm im Zuge der digitalen Transformation. Durch die Verbreitung des Internets finden Blockchain-Lösungen oder Streaming-Dienste breitflächig Anwendung. Laut dem Borderstep-Institut haben deutsche Rechenzentren im Jahr 2020 etwa 16 Milliarden Kilowattstunden an Energie benötigt, im Jahr 2010 lag dieser Wert noch bei rund zehn Milliarden. „Keiner macht sich Gedanken darüber, was eine Google-Suchanfrage kostet“, unterstreicht Königer das Problem. Allein durch 20 Google-Anfragen, komme man auf den einstündigen Verbrauch einer Energiesparlampe. Das Modul „Green IT“ soll in diesem Zusammenhang eine erste Sensibilisierung für das Thema schaffen.
Wie eine spezifische Aufgabenstellung aussehen könnte, zeigt das Team von Erik Iakhno. Die Gruppe rund um den E-Commerce-Studenten von der THWS beschäftigt sich mit einer umweltfreundlicheren Lösung für Cloud-Uploads. „Cloud-Anbieter verbrauchen derzeit viel Energie bei den Datei-Uploads der User“, schildert Iakhno. Das Team arbeitet dafür an einer holistischen Lösung. Schon bei der Erstellung einer eigenen Lösung versuche man jegliche Umweltfaktoren möglichst gering zu halten, erklärt der 25-Jährige. „Die Cloud-Technologie bietet verschiedene Ansatzpunkte. Die gewählte Verschlüsselung oder auch der Ort, an dem die Dateien gespeichert werden, sind für uns wichtige Themen, an denen wir arbeiten“, erläutert der Bachelorstudent.
Blended Mobility als Networking-Plattform
Das Freiwillige Wahlpflicht-Modul „Green IT“ verbindet eine aktuelle Forschungsfrage mit einem neuen Mobilitätskonzept, in Form der Blended Mobility. Bei diesem Format wird rein digitale Lehre ergänzt durch ein persönliches Treffen der Studierenden, meist zu Beginn oder am Ende eines Studienprojekts.
Im Anschluss an den elfwöchigen Online-Blockkurs, schließt sich Mitte Dezember die Mobility Week an, bei der sich alle Studierenden in Würzburg treffen. In dieser Woche präsentieren die Gruppen ihre Projektergebnisse. Zudem besteht die Möglichkeit, sich persönlich kennenzulernen. „Gerade wenn man selbst daran interessiert ist, später im Ausland zu arbeiten, bietet sich mit der Mobility Week eine Topgelegenheit, sich untereinander zu vernetzen“, erklärt Erik Iakhno. Zusätzlich baue man seine Fähigkeiten im internationalen Projektmanagement aus und verbessere automatisch sein Englisch, so der Student. Studierende können somit internationale Erfahrung sammeln, ohne ein ganzes Semester im Ausland zu verbringen.
Franziska Königer sieht in dieser Art der Lehre ein generelles Potenzial für Hochschulen: „Wenn sich die Prozesse etabliert haben, handelt es sich um eine ressourcensparende und inklusive Lehrform. Einer breiten Masse an Studierenden wird somit die Chance gegeben, erste Auslandserfahrung zu sammeln.“ Aufgrund der hochschulübergreifenden Lehre investiert eine Hochschule beim Start aber auch viel Zeit in die Koordination und Planung. Neben der inhaltlichen Abstimmung müssen Hochschulen einen zeitlichen Rahmen festlegen. Dies wird komplizierter, wenn Zeitverschiebungen oder abweichende Semesterzeiten vorliegen.
Ukrainische Hochschule ebenfalls dabei
Bereits im Sommersemester 2022 sollte das Modul „Green IT“ starten, doch aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine musste der Start verschoben werden. Denn auch das Kharkiv Polytechnic Institute ist seit Anfang der Planungen dabei. Charkiw liegt im Osten der Ukraine und gilt seit Kriegsanfang als besonders umkämpft. „Für uns ist es nicht auszumalen, wie die Situation vor Ort ist, jedoch hatten wir während der gesamten Zeit Kontakt zu unseren Partnern“, schildert Franziska Königer die Situation. Inzwischen habe sich die Hochschule mit der traurigen Situation arrangiert. Ein Großteil der Vorlesungen findet derzeit rein virtuell statt, da viele Studierende und Dozierende aus der Stadt geflüchtet sind und ein regulärer Lehrbetrieb unter den derzeitigen Umständen nicht möglich ist. Als Projektleiterin stellt Königer aber fest: „Bisher klappt die Durchführung des Moduls sehr gut. Die Studierenden und Dozierenden aus der Ukraine sind sehr motiviert und haben bisher an allen Veranstaltungen teilgenommen.“ Umso mehr freuten sich die Teilnehmenden auf das Treffen Mitte Dezember in Deutschland.
Für die THWS ist das Modul „Green IT“ ein wichtiger Baustein für die internationale Hochschularbeit. Die Verknüpfung von aktuellen Problemstellungen, gepaart mit einem internationalen Austausch, könnte sich in vielerlei Hinsicht für Hochschulen als Zukunftsmodell erweisen. Speziell das Blended-Mobility-Format könne durch die Verzahnung von Präsenz- und Onlinelehre das „Beste aus beiden Welten“ vereinen, fasst Franziska Königer zusammen.
Was ist Green IT?
Green IT fungiert als Sammelbegriff für umweltverträgliche Waren und Dienstleistungen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik. Zudem umfasst der Begriff sämtliche Bemühungen, digitale Technologien ressourcenschonend und umweltfreundlich einzusetzen. Durch die rasante Geschwindigkeit der Digitalisierung nehmen ebenfalls die Emissionsanteile zu. Green IT setzt an verschiedenen Punkten im Lebenszyklus an. Die Bestrebungen umgreifen eine Optimierung des Ressourcenverbrauchs während der Herstellung, Nutzung und Entsorgung der Technologie.