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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Ein Werkzeugkasten für das Lernen

Die Blended Learning Toolbox des Studiengangs Robotik macht das Studium an der THWS flexibler

 © Adobe Stock / pauchi

Während der Corona-Krise startete im THWS-Studiengang Robotik das Projekt „MINT Blended Learning Toolbox“. Die Mischung aus Präsenzvorlesung und digitalen Lernmethoden soll Wissenslücken schließen, das Lernen zeit- und ortsunabhängig machen und vor allem lernschwächere Studierende unterstützen.

Heutzutage zu studieren, bedeutet schon längst nicht mehr, vor Ort in Vorlesungen zu sitzen und den vermittelten Stoff mit Stift und Papier zusammenzufassen. Besonders während der Corona-Pandemie hat sich die Art, wie an Hochschulen gelernt und gelehrt wird, stark verändert. Es kristallisierte sich schnell heraus, dass Online-Lehre im Studium durchaus umsetzbar und auch erwünscht ist. Eine repräsentative Umfrage des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) fand heraus, dass die Mehrheit der Studierenden eine Mischung aus Präsenzlehre und digitalen Elementen bevorzugt. Rund ein Drittel gab dabei an, sich als Lern-Setting das sogenannte Blended Learning (zu Deutsch integriertes Lernen) zu wünschen. Dabei werden Präsenzvorlesungen durch Online-Videos oder digitale Übungen unterstützt.

Auch die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt fördert das integrierte Lernen – und zwar mit einem eigenen Projekt: Die „MINT Blended Learning Toolbox“ des Studiengangs Robotik soll das Lernen an der Hochschule flexibler machen. Bisher gibt es dieses Angebot für die ersten beiden Semester in den Kursen Roboter Mechanik I und II. Doch eine Ausweitung auf weitere Kurse und Studiengänge ist denkbar: Die Blended  Learning Toolbox sei nämlich gerade für Studienanfängerinnen und -anfänger ideal, weil damit der unterschiedliche Wissensstand angeglichen werden könne, meint der Leiter des Projekts, Prof. Dr.-Ing. Jean Meyer, der zugleich Prodekan und Studiengangleiter für Robotik ist.

Prof. Dr.-Ing. Jean Meyer im Vorlesungssaal (© Amelie Seidel)
Prof. Dr.-Ing. Jean Meyer im Vorlesungssaal (© Amelie Seidel)

Die vier Werkzeuge in der Blended Learning Toolbox

Die Anwendung der Blended Learning Toolbox ist in vier Schritte gegliedert: Prepare, Follow-up, Exercise und Test. Zunächst können sich Studierende im ersten Schritt „Prepare“ ein zweiminütiges Video ansehen, um sich auf die Vorlesung in Präsenz vorzubereiten – beispielsweise im Bus auf dem Weg zur Hochschule. Nach der Präsenzveranstaltung können die Studierenden das vermittelte Wissen dann im „Follow-up“ innerhalb von einer Woche mit einem Video von ungefähr 30 Minuten vertiefen. In diesem zweiten Teil werden die wichtigsten Inhalte der Vorlesung nochmal herausgegriffen und grafisch aufbereitet. Das dritte Werkzeug „Exercise“ in der Blended Learning Toolbox ist eine Übungseinheit. Die Übungen sind in erster Linie digital. Dazu kommen manchmal auch praktische Übungen vor Ort, um die einzelnen Aspekte der Vorlesung noch anschaulicher zu machen und das Erlernte zu verfestigen. Im letzten Schritt „Test“ schließen die Studierenden die jeweilige Einheit mit einem Kurztest ab. Dabei handelt es sich nicht um eine offizielle Prüfungsleistung, sondern um ein Tool zur Selbsteinschätzung, um Defizite schneller zu erkennen.

Grafik mit den vier Schritten der Blended Learning Toolbox
Die vier Schritte der Blended Learning Toolbox: Prepare, Follow-Up, Exercise und Test (© Evgenii Tereshchenko)

Verbesserte Flexibilität und Lerneffizienz

Der Einsatz einer Blended Learning Toolbox bietet verschiedene Vorteile für die Studierenden. Zum einen werden so all diejenigen abgeholt, die zum Studienbeginn bestimmte Wissenslücken aufweisen. Das sei häufig in Mathematik der Fall, weshalb sich das Fach Roboter Mechanik besonders für das Projekt eigne, wie Prof. Dr.-Ing. Meyer berichtet. Außerdem sei es so möglich, das Lerntempo individuell anzupassen. „Besonders lernschwache Studierende bekommen mit der Blended Learning Toolbox die Unterstützung, die sie brauchen“, betont der Studiengangleiter für Robotik.

Zum anderen fördert die Toolbox das mobile und flexible Lernen, da die Studierenden die einzelnen digitalen Elemente des Werkzeugkastens unabhängig von Ort und Zeit konsumieren können. Das hat sich besonders während der Corona-Krise als nützlich erwiesen. So konnten erkrankte Studierende notfalls auch eine Vorlesungswoche mit den Inhalten der Blended Learning Toolbox überbrücken und hinkten nicht mit dem Wissensstand hinterher. Evgenii Tereshchenko, Robotik-Student im vierten Semester, arbeitet aktuell als Hilfskraft an der Blended Learning Toolbox. Er sieht auch in der spielerischen Vermittlung einen großen Vorteil. „Ich finde es gut, dass die Videos nicht statisch sind. Die integrierten Bilder und Animationen helfen, den Stoff besser aufnehmen zu können“, erzählt er über die Follow-up-Videos.

Zitat von Evgenii Tereshchenko: „Ich als Student finde es gut, dass die Videos nicht statisch sind. Die integrierten Bilder und Animationen helfen, den Stoff besser aufnehmen zu können.“

Blended Learning eignet sich für alle Studiengänge

Dass genau der Studiengang Robotik eine Blended Learning Toolbox erhalten hat, ist laut Prof. Dr.-Ing. Meyer lediglich ein Zufall gewesen. Als ohnehin schon eine neue Vorlesung aufgebaut wurde, kamen ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen die Idee, den Studierenden dafür zusätzlich einen digitalen Werkzeugkoffer an die Hand zu geben. Insbesondere in MINT-Fächern wie der Robotik ist diese Art des Lernens sinnvoll. Es entstehen hier schnell Defizite, die nicht selten dazu führen, dass eine Prüfung wiederholt werden muss.

Doch aufgrund der Anpassungsmöglichkeiten der einzelnen Tools können alle Studiengänge von dieser Methode profitieren. „Die Blended Learning Toolbox ist universell und kann in Zukunft auch in anderen Vorlesungen und Studiengängen angewandt werden“, so der Projektleiter. Leicht war die Umsetzung des Projekts jedoch nicht. Gerade der Dreh und der Schnitt der Lernvideos sei sehr arbeits- und zeitintensiv gewesen. Nicht jeder Dozierende habe für diese große Aufgabe genügend Platz im ohnehin schon vollen Terminkalender. Darüber müsse man sich im Klaren sein, wenn man eine Blended Learning Toolbox zusammenstellen möchte.

Zitat von Prof Dr.-Ing. Jean Meyer: „Die Blended Learning Toolbox ist universell und kann in Zukunft auch in anderen Vorlesungen und Studiengängen angewandt werden.“

Das Projekt endet – doch die Blended Learning Toolbox bleibt

Dass sich all dieser Aufwand gelohnt hat, ist für Prof. Dr.-Ing. Jean Meyer jetzt schon sicher. „Meine Aufgabe ist es, die Übungen noch interaktiver zu gestalten, sodass die Semester nach mir eine optimierte Version der Blended Learning Toolbox dauerhaft erhalten“, berichtet Hilfskraft Evgenii Tereshchenko über die Zukunft des Projekts für den Studiengang Robotik. Darüber hinaus soll die Lernmethode nun auch für andere Studiengänge eingesetzt werden. Laut Prof. Dr.-Ing. Meyer ist bereits angedacht, den digitalen Werkzeugkasten auch im Studiengang Mechatronik zu integrieren – auch aufgrund der positiven Resonanz der Studierenden: „Bisher kam nur ein Jahrgang Studierende in den Genuss der Blended Learning Toolbox – doch das bisherige Feedback ist durchweg positiv ausgefallen.“

Was ist der Unterschied zwischen hybridem und integriertem Lernen?

Achtung, Verwechslungsgefahr: Integriertes Lernen wie bei der Blended Learning Toolbox ist nicht mit dem hybriden Lernen gleichzusetzen.

  • Integriertes Lernen (Blended Learning): Hier sind Präsenzveranstaltungen fester Bestandteil der Lehrmethodik. Die digitalen Komponenten wie Videos, Quiz und Übungen sind hauptsächlich zur Unterstützung und Verdeutlichung des Stoffs da und sollen die Vorlesungen vor Ort nicht vollständig ersetzen.
  • Hybrides Lernen: Früher wurde der Begriff oft mit Blended Learning synonym verwendet. Die aktuelle Bedeutung ist jedoch eine Lehrveranstaltung, an der sowohl online als auch in Präsenz teilgenommen werden kann.

Ein Artikel von 
Amelie Seidel