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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Wasserstoff: Klimaneutral abheben mit der THWS

THWS-Projekt HyFly entwickelt wasserstoffbetriebenen Antriebsstrang für Flugzeuge

 © Katrin Hirmer

Fliegen schadet dem Klima. Um das zu ändern, entwickelt das Projekt HyFly einen wasserstoffbetriebenen Antrieb für Leichtflugzeuge. Was es bei Autos bereits gibt, muss für Flugzeuge komplett neu gedacht werden. An einem Prüfstand sammeln die Forschenden Daten und entwickeln Lösungen für die extremen Anforderungen.

Seit 2020 steht das Wort „Flugscham“ im Duden. Dort wird der Begriff definiert als „schlechtes Gewissen, das Klima beim Reisen mit dem Flugzeug (vor allem durch den hohen CO2-Ausstoß) zu belasten“. Mit dem Projekt HyFly trägt die THWS am Standort Schweinfurt dazu bei, dass Fliegen bald auch ohne schlechtes Gewissen möglich ist: Die Hochschule forscht an einem CO2-neutralen Antriebsstrang für Flugzeuge.

„Unser Ziel ist, dass wir fliegen“, bringt Dr. Isabell Wirth, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei HyFly, das vom Bund geförderte Kooperationsprojekt, auf den Punkt. Gemeinsam mit vier Unternehmen entwickelt die Hochschule einen klimafreundlichen Antriebsstrang für Ultraleichtflugzeuge. Die Technik basiert dabei auf wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen.

Zitat von Dr. Isabell Wirth: „Unser Ziel ist, dass wir fliegen.“

Wasserstoff hat großes Potenzial für den Flugverkehr

Aktuell verursacht der Flugverkehr drei Prozent der CO2-Emissionen weltweit. Zwar hat es die Branche in den letzten zwölf Jahren geschafft, den Treibstoffverbrauch pro Passagierkilometer um 24 % zu reduzieren, gleichzeitig ist der CO2-Ausstoß jedoch durch eine Zunahme bei Flugreisen insgesamt um 16 % gestiegen. Wasserstoff kann hier eine Lösung sein. Das International Council on Clean Transportation ermittelte kürzlich, dass bis 2050 zwei Drittel aller Flüge auf Wasserstoffantrieb umgestellt werden könnten. Ein Drittel aller Flugkilometer wäre dann klimaneutral.

Foto des Flugzeugs
So sieht das Flugzeug aus, das im Herbst 2023 mit einem an der THWS entwickelten Wasserstoffantrieb zum ersten Mal abheben soll. (© Katrin Hirmer)
Foto einer Brennstoffzelle
Sie sieht unscheinbar aus, doch eine Brennstoffzelle wie diese soll bald Flugzeuge klimafreundlich in die Luft bringen. (© Katrin Hirmer)

Das Projekt HyFly will helfen, diesen nachhaltigen Wandel im Flugverkehr mit Wasserstoff herbeizuführen. Der Energieträger kann vielseitig eingesetzt werden – und er ist speicherbar. In einer Brennstoffzelle kann daraus Energie gewonnen werden: Dort reagieren Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser. Bei dieser elektrochemischen Reaktion entsteht Strom.

Allerdings wird laut einer Statistik des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbands Wasserstoff aktuell noch überwiegend aus der Dampfreformierung von Erdgas oder Naphtha erzeugt. Die Rede ist dann von „grauem“ Wasserstoff, der nicht klimaneutral ist. Der massiv gestiegene Gaspreis und das wachsende Klimabewusstsein sorgen hier jedoch für ein Umdenken. „Deswegen wandelt sich Wasserstoff aktuell immer mehr von grau zu grün und wird auch wirtschaftlich immer rentabler“, erklärt Prof. Dr. Johannes Paulus, Projektleiter von HyFly.

Wasserstoffflugzeuge erfordern Umdenken

Prof. Dr. Paulus fiebert einem besonderen Moment im Herbst 2023 entgegen: Dann soll zum ersten Mal ein Zweisitzer abheben, der mit dem an der THWS entworfenen Antrieb ausgestattet ist. Doch bis es soweit ist, kommt auf die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der THWS noch viel Arbeit zu. Ihre Aufgabe ist es, eine Brennstoffzelle inklusive Batterie und Elektromotor zunächst am Boden zu testen und parallel dazu ein Akkuladesystem und eine Motoransteuerung aufzubauen.

Zwar werden Autos bereits mit Brennstoffzellen angetrieben, aber die Technologie ist nicht eins zu eins auf Flugzeuge übertragbar. „Das sind ganz andere Voraussetzungen. Wir haben Fragen, die stellen sich so beim Auto nicht“, sagt Prof. Dr. Paulus. So kann man etwa bei Pilotinnen und Piloten anders als bei Autofahrerinnen und Autofahrern von speziell geschultem Personal ausgehen, die Steuerung anders gestalten und ihnen während des Flugs mehr Kontrollparameter anzeigen. „Wir müssen aber herausfinden, was man im Betrieb messen muss, um die Anlage sicher betreiben zu können“, so der Projektleiter.

Die größte Herausforderung ist das Gewicht. Flugzeuge müssen leicht sein und haben wenig Platz. Ein Zweisitzer in Ultraleichtbauweise darf maximal 600 Kilogramm wiegen. Dementsprechend muss der Antriebsstrang möglichst „simplifiziert“ werden, wie Paulus erklärt: „Wir wollen die Brennstoffzelle mit so wenig Komponenten ausstatten, dass sie gerade so funktioniert.“ Beim Auto würde man einen Rezirkulationskreislauf vorsehen, um möglichst wenig Wasserstoff zu verlieren, sagt er. „Das will man beim Flugzeug auch nicht, aber wenn das Ziel ist, möglichst Komponenten und damit Gewicht zu sparen, ist ein sogenannter Dead End-Betrieb wahrscheinlich besser.“ Das heißt: Möglichst wenig Wasserstoff soll am Ende übrigbleiben.

Um herauszufinden, welche Bestandteile im Antrieb weggelassen werden können, baut das Forscherteam aktuell einen Prüfstand auf. Dieser basiert im Wesentlichen auf der Vorarbeit von Toni Schott. Er hat über die Planung des Prüfstands seine Bachelorarbeit geschrieben. Jetzt arbeitet er als Masterand und wissenschaftlicher Mitarbeiter an den tatsächlichen Tests mit.

Zitat von Prof. Dr. Johannes Paulus: „Das sind ganz andere Voraussetzungen. Wir haben Fragen, die stellen sich so beim Auto nicht.“
Das Projektteam
Am Projekt HyFly arbeiten am Standort Schweinfurt mehrere Professorinnen, Professoren und wissenschaftliche Mitarbeitende (von li.): Prof. Dr.-Ing. Stephanie Renner, Pierre Bauer, Toni Schott, Dr. Isabell Wirth, Christina Heller, Prof. Dr. Johannes Paulus (© Katrin Hirmer)

Prüfstand liefert Erkenntnisse für Neuentwicklungen

Toni Schott freut sich über die Möglichkeit, bei diesem Forschungsprojekt dabei zu sein. „Da kann man sich als Ingenieur austoben“, sagt er. „Es weiß noch kaum jemand, wie sich ein Wasserstoffflugzeug in der Luft verhält.“ Der Flieger bewege sich in großer Höhe, wo Temperatur und Luftfeuchtigkeit niedrig seien. Die Brennstoffzelle reagiere darauf sehr sensibel. Vor allem das Austrocknen der Membran in der Brennstoffzelle sei ein Problem.

Am Prüfstand sammelt Prof. Dr. Paulus mit seinem Team nun Daten über das Verhalten des Antriebsstrangs unter unterschiedlichen Bedingungen und integriert diese in einen digitalen Zwilling des Antriebs. „Wir sitzen quasi in einem virtuellen Cockpit und analysieren den Antrieb während des Fluges komplett“, beschreibt er die Arbeit.

Zitat von Toni Schott: „Da kann man sich als Ingenieur austoben.“

Anhand der Ergebnisse entwickeln sie neue Lösungen, denn es gibt viele Herausforderungen, für die es noch keine Anwendungen im Flugzeugbau gibt. Viele Komponenten müssten von Grund auf neu gedacht werden. „Der Karbonkugeltank ist komplett neuartig“, erzählt Schott. Er ist besonders leicht, platzsparend – und darauf ausgelegt, den hohen Druck zu halten, der für die Speicherung von Wasserstoff nötig ist, auch wenn der Umgebungsdruck mit zunehmender Flughöhe immer niedriger wird. Der Energieträger stellt die Forschenden vor viele Herausforderungen, hat aber laut Paulus den großen Vorteil, dass sich die Brennstoffzelle leicht recyceln lässt. Auch das trägt zum Klimaschutz bei.

Ziel ist es, am Ende kleine bis mittelgroße Flugzeuge anzutreiben. „Der Traum ist, auch weit fliegen zu können“, sagt Wirth. Mit einem Elektromotor komme man nicht so weit, aber mit Wasserstoffantrieb könne man aktuell Reichweiten von 1.000 Kilometern erreichen. Das entspricht in etwa der Strecke von Schweinfurt nach Rom.

Auch für große Flugzeuge und Passagiermaschinen wird an klimafreundlichen Lösungen gearbeitet. Airbus beispielsweise plant, 2035 die ersten Wasserstoffflugzeuge auszuliefern. Insgesamt prognostizierte Allied Market Research 2021 ein weltweites Marktvolumen für wasserstoffbetriebene Flugzeuge von 144,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2040.

Neben einem Antrieb mit Brennstoffzellen forschen Institutionen und Unternehmen auch an Möglichkeiten, Wasserstoff anstelle von Kerosin in herkömmlichen Antrieben zu nutzen. Welche Technologie sich in welcher Leistungsklasse langfristig durchsetze, sei momentan noch nicht absehbar, meint Prof. Dr. Paulus. Schotts Fazit: „Es gibt aus meiner Sicht gerade keinen besseren Ansatz als Wasserstoff, um das Fliegen klimafreundlich zu gestalten.“

Ein Artikel von 
Katrin Hirmer