Die Corona-Pandemie hat vielfältige Einschränkungen mit sich gebracht. Besonders ältere Menschen mussten auf viele Kontakte verzichten. Damit sie dennoch weiter am Geschehen in der Sanderau teilhaben konnten, entwickelten die Diakonie Würzburg und die THWS den digitalen Stammtisch für Seniorinnen und Senioren.
Geselliges Beisammensein, rege Diskussionen: Ein Stammtisch ist ein Stück bayerisches Kulturgut. Doch während der Corona-Pandemie war es mit der Geselligkeit nicht mehr weit her: Die Einschränkungen und Kontaktverbote während der Corona-Pandemie trafen besonders ältere Menschen. Einsamkeit spielte eine große Rolle, denn schließlich sind vielen Seniorinnen und Senioren durch den Renteneintritt ohnehin schon die beruflichen Kontakte weggebrochen und nicht zuletzt haben einige auch bereits Angehörige verloren. Während der Pandemie entfielen auch noch die sozialen Kontakte in der Nachbarschaft. Diesem Problem wollte die Initiative „Miteinander in der Sanderau“ entgegenwirken – und mithilfe digitaler Angebote mehr soziales Miteinander ermöglichen.
Die Idee, die die Initiative gemeinsam mit der THWS entwickelte, war ein digitaler Stammtisch für Seniorinnen und Senioren. Prof. Dr. Theresia Wintergerst, die sich bereits seit vielen Jahren in der Seniorenarbeit engagiert, unterstützte das Projekt auf Seiten der Hochschule. Als Professorin der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften hätte sie sich gewünscht, dass ihre Studierenden Teil des Programms werden würden, doch der Pandemie-Modus machte dies unmöglich. Im Januar 2022 konnte dennoch der erste digitale Stammtisch in der THWS stattfinden.
Der erste digitale Stammtisch
Der erste virtuelle Stammtisch wurde – unter Pandemie-Bedingungen – in einem hybriden Format ausgetragen: In einem Veranstaltungsraum der FHWS konnten Akteurinnen und Akteure sowie Interessierte in Präsenz teilnehmen – oder sich digital dazuschalten und auf diese Weise am Stammtisch teilnehmen. Die Veranstaltung begann mit einem historischen Rückblick auf die Entwicklung der Sanderau von Historiker Willi Dürrnagel. Hildegard Hardt von der Nachbarschaftshilfe widmete sich nach dem Einstieg in die Vergangenheit den heutigen Herausforderungen der Sanderau. Sie zeigte in ihrem Vortrag den Mangel an Möglichkeiten für Seniorinnen und Senioren in der Sanderau auf und forderte Verbesserungen ein, wie das Organisationsteam berichtet.
Weiter referierte Renate Fiedler von der Seniorinnen- und Seniorenvertretung über die Stadtteilarbeit „Miteinander in der Sanderau“ und die Barrierefreiheit des Stadtteils. Sie berät die Kommunalpolitik bei Fragen der Vernetzung und Infrastruktur im Sozialraum sowie den generellen Anliegen der älteren Bevölkerung.
Als letzte Rednerin stand Antje Marlock auf dem Podium. Als seniorenfokussierte Quartiersmanagerin stellte sie ihre Tätigkeit vor. „Ich verstehe mich so, dass ich die Angebote für die Älteren in der Sanderau sammle und sowohl online als auch analog verbreite, damit Seniorinnen und Senioren wissen: Da gibt es was, da kann ich hin“, so Marlock.
Neben diesem breiten Spektrum an Referierenden war auch das Publikum sehr vielfältig aufgestellt. Mitarbeitende von Pflegediensten, Personen aus Wohlfahrtsverbänden und dem Einzelhandel, Vertreter der Stadt Würzburg und nicht zuletzt auch Seniorinnen und Senioren sowie andere am Stadtteil Interessierte besuchten die Veranstaltung. Insgesamt waren 20 Menschen vor Ort, rund 30 weitere hatten sich virtuell zugeschaltet. Ein voller Erfolg, resümierte Organisatorin Prof. Dr. Wintergerst.
Fokus auf Barrierefreiheit in der Sanderau
Der virtuelle Stammtisch verfolgt das Ziel, älteren Menschen den Zugang zum Sozialraum zu erleichtern. Er beschäftigt sich mit Themen, die für die ältere Bevölkerung wichtig und interessant sind – und macht sich für ihre Bedürfnisse in der Sanderau stark. Denn der Stadtteil ist nicht in allen Bereichen altersfreundlich. „Es gibt kaum öffentliche Toiletten, nur wenig abgesenkte Bordsteine und nur vereinzelt Ampelsignale“, bemängelt Quartiersmanagerin Antje Marlock. Außerdem bedürfe es einem Ausbau der Infrastruktur und des Einzelhandels. Grund ist, dass besonders für die Bewohnenden der hinteren Sanderau nicht nur die Wege zu den Geschäften des alltäglichen Bedarfs sehr lang sind, sondern auch zu den dafür nötigen öffentlichen Nahverkehrsanbindungen.
Die Zukunft der Sozialraumentwicklung
Der digitale Stammtisch soll künftig viertel- bis halbjährlich stattfinden. Er soll allerdings nicht der einzige Anstoß der Initiative „Miteinander in der Sanderau“ bleiben, der die Veränderungen in der Sozialraumentwicklung dieses Stadtteils fördern soll. Ein weiteres Projekt ist etwa der sogenannte „Runde Tisch“ für Akteurinnen und Akteure, der regelmäßig stattfinden soll.
Darüber hinaus sollen die Angebote der Heime, Einrichtungen und Begegnungsstätten, die vor der Corona-Pandemie bestanden haben, wieder aufleben. Dazu gehören regelmäßige Nachmittage mit Vorträgen oder Kaffee und Kuchen, Gedächtnistrainings, Ausflüge, Mittagstische und Filmabende. Eine Besonderheit der Sanderau ist dabei das „Internetcafé von Seniorinnen und Senioren für Seniorinnen und Senioren“. Hier werden die Älteren der Gesellschaft mitgenommen in die Welt des Digitalen und über bestehende Technologien und wie man sich im Internet bewegt informiert.
Trotz all diesen Möglichkeiten und Events ist Antje Marlock der Überzeugung, es könnte mehr Angebote für die Älteren in der Sanderau geben. „Auf der einen Seiten sind die Leute mit 65 Jahren noch fit und jung und möchten viel erleben“, reflektiert die Quartiersmanagerin, „Auf der anderen Seite erreichen viele Informationen die Seniorinnen und Senioren aufgrund der Onlineverbreitung nicht“, erklärt Marlock weiter. Ihrer Einschätzung nach bilden ältere Menschen dann häufig eine Hemmschwelle, dahingehend anzurufen und nachzufragen, wodurch sie schneller zu vereinsamen drohen. Sie gilt es mit spezifischen Projekten, wie dem digitalen Stammtisch, abzuholen und in den Sozialraum einzubinden.