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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Nachhaltigkeit verstehen und leben

Ein Begriff mit vielen Facetten

 © Adobe Stock / Normal Desing

Nachhaltigkeit ist ein vielseitiges Thema, das in verschiedenen Bereichen unseres Lebens eine Rolle spielt. Über die ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen dieses Konzepts und wie kleine Entscheidungen im Alltag zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen können – für uns und kommende Generationen.

Veröffentlicht am 04.08.2025

Nachhaltigkeit ist mehr als ein Modewort: Sie steht im Mittelpunkt globaler Diskussionen, vor allem angesichts der Klimakrise und der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen die Weltgemeinschaft steht. Der Brundtland-Bericht von 1987 definierte nachhaltige Entwicklung als die Fähigkeit, „die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden“. Dieser Leitgedanke prägt bis heute die Debatte und zeigt, wie Nachhaltigkeit alle Lebensbereiche beeinflusst.

Doch was bedeutet Nachhaltigkeit in der Praxis? Ist sie eine Ideologie, die abstrakt bleibt, oder ein praktischer Ansatz, den jede und jeder Einzelne umsetzen kann? Prof. Dr. Matthias Schicktanz, der an der Fakultät Angewandte Natur- und Geisteswissenschaften der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) eine Professur für nachhaltige Energiesysteme innehat, erklärt: „Allgemein im Sprachgebrauch ist für uns Nachhaltigkeit eher ein Begriff dafür, dass wir sagen wollen, wir möchten ein Thema vollumfänglich und zukunftsorientiert betrachten.“

„Allgemein im Sprachgebrauch ist für uns Nachhaltigkeit eher ein Begriff dafür, dass wir sagen wollen, wir möchten ein Thema vollumfänglich und zukunftsorientiert betrachten.“ – Zitat von Prof. Dr. Matthias Schicktanz

Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit lässt sich in drei zentrale Dimensionen unterteilen: ökologisch, ökonomisch und sozial. Diese Bereiche sind eng miteinander verknüpft und machen Nachhaltigkeit zu einem ganzheitlichen Konzept.

Ökologische Nachhaltigkeit: Die Grundlage unseres Lebens

Die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit bedeutet, bewusst mit Ressourcen umzugehen und das Klima zu schützen. Im Alltag können wir viel tun, um unseren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Eine einfache Möglichkeit ist der Wechsel zu einem Anbieter für erneuerbare Energien. Prof. Dr. Schicktanz rät dazu, sich intensiv mit der Thematik zu befassen: „Habe ich schon einen erneuerbaren Energieversorger? Womit heize ich meine Gebäude?“ Solche Fragen helfen uns, über nachhaltige Alternativen nachzudenken – sei es durch den Einsatz von Solarenergie etwa in Form eines Balkonkraftwerks oder durch effizientere Heizsysteme wie Wärmepumpen.

Neben der Energieversorgung gibt es weitere kleine Veränderungen, die etwas bewirken. Der Verzicht auf Einwegplastik ist ein Beispiel. Statt Plastikflaschen oder -tüten kann man einfach auf wiederverwendbare Glasflaschen und Stoffbeutel setzen. Auch beim Einkaufen gibt es viele Alternativen: Unverpackt-Läden oder der Kauf von Produkten ohne (viel) Verpackung tragen dazu bei, weniger Müll zu produzieren.

Portraitbild von Matthias Schicktanz. Er trägt eine schwarze Brille und lächelt in dir Kamera. Er trägt einen schwarzen Anzug und ein hellblaues Hemd.
Befasst sich mit den konkreten Umsetzungsmöglichkeiten eines nachhaltigen Lebensstils: Prof. Dr. Matthias Schicktanz ist Professor für Nachhaltige Energiesysteme (© THWS/Matthias Schicktanz)
Eine weiße Wärmepumpe ist an einer Hauswand befestigt.
Wärmepumpe: Effiziente Heizsysteme helfen Energie einzusparen (© AdobeStock/Milan)

Ökonomische Nachhaltigkeit: Effizienz und Fairness

Ökonomische Nachhaltigkeit ist eng mit der Ressourcennutzung verbunden. Die Profitmaximierung steht hier nicht allein im Fokus - vielmehr geht es darum, dass wirtschaftliches Wachstum nicht auf Kosten der Umwelt oder sozialer Gerechtigkeit erfolgen darf. Für die THWS bedeutet dies beispielsweise die Förderung von Projekten, die ressourceneffiziente Technologien und Kreislaufwirtschaft unterstützen. Was im ersten Moment ausschließlich positiv klingt, betrachtet Prof. Dr. Felipe Cerdas, Professor für Circular Economy und Life Cycle Assessment an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der THWS, kritisch: „In der Regel sollte man nicht vergessen, dass Nachhaltigkeit multidimensional ist und allein dadurch werden wir immer wieder mit Widersprüchlichkeiten konfrontiert sein.“

„In der Regel sollte man nicht vergessen, dass Nachhaltigkeit multidimensional ist und allein dadurch werden wir immer wieder mit Widersprüchlichkeiten konfrontiert sein.“ – Zitat von Prof. Dr. Felipe Cerdas

Ein Beispiel hierfür sind Lithiumbatterien, die für die Energiewende entscheidend sind, da sie in Elektrofahrzeugen und zur Speicherung erneuerbarer Energie genutzt werden. Sie tragen wesentlich zur Reduzierung von CO₂-Emissionen und zur Förderung einer nachhaltigeren Energieversorgung bei. Allerdings verursachen sie erhebliche ökologische und soziale Kosten. Der Abbau von Lithium erfordert große Mengen an Wasser, was zur Austrocknung lokaler Wasserquellen und so zu negativen Auswirkungen auf die Landwirtschaft führt.

Daneben betont Prof. Dr. Cerdas die Rolle der Kommunikation im Diskurs über Nachhaltigkeit und Klimakrise: „Ich denke wir sollten uns mehr Gedanken machen über die Art und Weise, wie wir über die Klimakrise sprechen und berichten.“ Denn die Art zu kommunizieren, beeinflusse maßgeblich, wie die Herausforderungen wahrgenommen würden. „Ich denke, die Medien spielen an der Stelle eine sehr wichtige Rolle, denn sie machen bestimmte relevante Aspekte sichtbar, aber eben auch unsichtbar“, erklärt Prof. Dr. Cerdas.

Portraitbild von Prof. Dr. Felipe Cerdas. Er steht in der Natur. Er trägt einen dunkelblauen Anzug und ein hellblaues Hemd. Er hat schwarze Haare und einen Bart.
Prof. Dr. Felipe Cerdas ist Professor für Circular Economy und Life Cycle Assessment und beschäftigt sich mit kritischen Fragen zum Thema Nachhaltigkeit (© THWS/Juan Felipe Cerdas Marín)

Soziale Nachhaltigkeit: Verantwortung und Gerechtigkeit

Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit richtet den Blick auf die Verantwortung, die das Verhalten von Privatpersonen und Unternehmen auf globaler Ebene mit sich bringt. Prof. Dr. Hannah Reich, Professorin an der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften der THWS, beschreibt es so: „Unser Verhalten und Konsum hat eine Auswirkung, zum Beispiel in Bangladesch.“ Denn dort werde ein Großteil unserer Kleidung hergestellt. Unser tägliches Handeln sei eng mit den Lebensbedingungen von Menschen in anderen Teilen der Welt verbunden. Prof. Dr. Reich betont, dass es nicht darum geht, sich für den eigenen Ressourcenverbrauch zu verurteilen, sondern zu erkennen, dass jede und jeder von uns durch bewusste Entscheidungen etwas verändern kann. „Mein Vorschlag wäre, bei sich selbst anzusetzen und die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Es geht darum, eine Wertschätzung und eine Dankbarkeit fürs Leben zu entwickeln“, erklärt sie weiter. Haltung ist dabei ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigen Lebensweise, die nicht nur die Umwelt, sondern auch das soziale Gefüge positiv beeinflusst.

Portraitbild von Prof. Dr. Hannah Reich. Sie hat braune schulterlange Haare und lächelt in die Kamera.
Prof. Dr. Hannah Reich von der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften beschäftigt sich mit den sozialen Dimensionen von Nachhaltigkeit (© Johann Grillenbeck)

Für Studierende kann soziale Nachhaltigkeit bedeuten, sich mit der Herkunft und den Produktionsbedingungen von Konsumgütern auseinanderzusetzen. Der Kauf von fair produzierten Produkten kann dazu beitragen, eine gerechtere globale Wirtschaft zu unterstützen. Darüber hinaus kann soziale Nachhaltigkeit bedeuten, sich dafür einzusetzen, gesellschaftliche Ungleichheiten zu reduzieren. Diese Perspektive steht im Einklang mit den Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen, die auf die Verringerung sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten abzielen.

„Unser Verhalten und Konsum hat eine Auswirkung, zum Beispiel in Bangladesch.“ – Zitat von Prof. Dr. Hannah Reich
Eine große Bekleidungsfabrik mit dutzenden Arbeiterinnen.
Bekleidungsfabrik in Südostasien: Was wir konsumieren kann das Leben von Menschen in anderen Teilen der Welt beeinflussen (© AdobeStock/HongKi)

Nachhaltigkeit im Alltag leben

Nachhaltigkeit bedeutet, nicht nur konkrete Maßnahmen zu ergreifen, sondern auch eine veränderte Haltung einzunehmen. Im Alltag zeigt sich dies in verschiedenen Bereichen. Beispielsweise trägt der Umstieg auf erneuerbare Energien sowie der Einsatz energiesparender Geräte zur Ressourcenschonung bei. Beim Konsum können Second-Hand-Produkte, Fairtrade-Lebensmittel oder nachhaltig produzierte Kleidung dazu beitragen, Arbeitsbedingungen zu verbessern oder Abfall zu reduzieren. Ein bewusster Umgang mit Mobilität, wie die Nutzung von Fahrrad, Bahn oder Elektrofahrzeugen anstelle des Autos, verringert den persönlichen CO₂-Ausstoß. Auf diese Weise wird Nachhaltigkeit zu einem persönlichen Lebensstil, der einen globalen Einfluss ausüben kann.

Nachhaltigkeit ist also keine starre Ideologie, sondern ein flexibles Konzept, das an die individuellen Möglichkeiten und Werte angepasst werden kann. Sie fordert uns auf, Verantwortung zu übernehmen – für uns selbst, unsere Gesellschaft und die Welt, die wir zukünftigen Generationen hinterlassen. Veränderung beginnt mit kleinen Schritten, die jede und jeder in seinem persönlichen Universum gehen kann.

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Die Agenda 2030 und die 17 Nachhaltigkeitsziele

Die Agenda 2030 wurde 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet und umfasst 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Diese Ziele richten sich an alle Länder und Akteure - von Regierungen über Unternehmen bis hin zu Individuen - und adressieren Themen wie Armutsbekämpfung, Klimaschutz, Bildungsgerechtigkeit und nachhaltige Wirtschaft. Die SDGs dienen als Leitlinie, um Nachhaltigkeit global und lokal umzusetzen.

Ein Artikel von
Hannah Schweser