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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Mental Health First Aid: Hinsehen, zuhören, helfen

Erste Hilfe für die mentale Gesundheit an der THWS

 © Adobe Stock/Bro-Vector

Stress, Leistungsdruck, Einsamkeit - die Herausforderungen im Studienalltag sind vielfältig und häufig unsichtbar. Für manche können die Belastungen zu groß werden. Auf Initiative des Gesundheitsmanagements der THWS sind Mitarbeitende zu MHFA-Ersthelferinnen und Ersthelfern ausgebildet worden.

Veröffentlicht am 23.07.2025

Erste Hilfe für die psychische Gesundheit leisten: Das ist das Ziel von MHFA. Die Abkürzung steht für Mental Health First Aid, also Erste Hilfe für psychische Gesundheit. Ziel dieses Konzepts ist es, Menschen zu schulen, die sich auf dem Gebiet der mentalen Gesundheit bisher wenig auskennen. Sie lernen, Erste Hilfe bei Menschen zu leisten, die psychische Probleme haben. Und diese kommen immer häufiger vor, denn Stress und Leistungsdruck im Studienalltag hinterlassen ihre Spuren. Als geschulte Ansprechpersonen können MHFA-Ersthelferinnen und -Ersthelfer Studierende in schwierigen Momenten unterstützen und ihnen Orientierung geben.
Initiiert wurden diese Kurse für Mitarbeitende der THWS von Prof. Dr. Silke Neuderth und Prof. Dr. Rebecca Löbmann. Die Psychologinnen haben im Jahr 2022 das Studentische Gesundheitsmanagement ins Leben gerufen. Dabei wurde offensichtlich, wie sinnvoll es ist, Mitarbeitende und Lehrende in dieses Gesamtkonzept einzubeziehen - also die Menschen, die den meisten Kontakt mit den Studierenden haben, sei es zum Beispiel in Lehrveranstaltungen oder in der Bibliothek.

Ein Flyer der Initiative Gesund studieren und ein Handbuch für MHFA-Ersthelfende liegen auf einem Tisch
Der Flyer „Gesund Studieren!“ und das Handbuch für MHFA-Ersthelfende (© Mara Maria Müller)

Ausbildung der Mitarbeitenden

Als die Möglichkeit bekannt wurde, an einem MHFA-Kurs teilzunehmen, haben sich schnell viele Mitarbeitende dafür interessiert. „Da hat man echt einen Nerv getroffen“, erinnert sich Prof. Dr. Löbmann. Schließlich haben im Jahr 2023 rund 50 Mitarbeitende der THWS an einem entsprechenden Kurs teilgenommen.

Monika Hahn ist in der Allgemeinen Studienberatung tätig. Mentale Gesundheit nehme in der Gesellschaft einen immer größeren Stellenwert ein, sagt sie. Ihr Interesse an dem Kurs war sofort geweckt. Gerade, weil bei jungen Menschen in der Phase des Studiums viel im Leben passiere, sie erst ankommen und ihren Weg finden müssten, sei es ihrer Meinung nach wichtig, Mitarbeitende einer Hochschule auf psychische Krisen vorzubereiten.

Monika Hahn. steht bei einem Event vor einer orangenen Wand mit der Aufschrift "thws". Sie ist im Gespräch mit einer Person, die dem Betrachter dem Rücken zeigt.
Monika Hahn berät Studierende vor und während des Studiums. Dabei greift sie auch auf die Methoden des Ersthelferkurses für Mentale Gesundheit zurück (© THWS/Simone Friese)

Ein Kurs besteht aus sechs Einheiten, die je zwei Stunden dauern. Das Hauptziel ist, „dass man sich nicht wegduckt, wenn man merkt, mit jemand anderem ist etwas nicht in Ordnung“, erklärt Prof. Dr. Löbmann. Es sei wichtig, aufmerksam zu sein, sich zu trauen, Leute anzusprechen und keine Angst davor zu haben, fügt Prof. Dr. Neuderth hinzu.

Studentin sitzt verzweifelt zwischen Büchern, Notizen und Tablet.
Studentin sitzt verzweifelt zwischen Büchern, Notizen und Tablet (© Mara Maria Müller)

Während des Kurses lernen die Teilnehmenden anhand von Praxisbeispielen, wie sie sich in konkreten Situationen verhalten und wie sie am besten auf Betroffene zugehen sollen. Die Beispiele behandeln häufige Störungsbilder und Krankheiten wie Ängste oder Depressionen. Monika Hahn hat es besonders gefallen, dass gleichzeitig medizinisches Hintergrundwissen vermittelt wurde.

Wichtiger Bestandteil des Kurses ist eine Gesprächstechnik, das sogenannte R.O.G.E.R.-Prinzip: 


R = Reagieren: ansprechen, einschätzen, verstehen 

O = Offenheit und unvoreingenommen zuhören und kommunizieren 

G = Gib Unterstützung und Information 

E = Ermutige zu professioneller Hilfe 

R = Reaktiviere Ressourcen

Für Gespräche mit Studierenden hat Monika Hahn dieses Prinzip als Leitfaden schon einige Male gern zu Hilfe gezogen. „Ich habe das Gefühl, ich bin jetzt anders gewappnet, wenn ich in solche Gespräche gehe“, betont sie. 
Die Kursteilnehmenden würden rückblickend nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Umfeld von der Teilnahme am Kurs profitieren, erklärt Prof. Dr. Neuderth. Denn Menschen, die mit Problemen zu kämpfen haben, gibt es schließlich überall. „Es ist für einen selbst entlastend, wenn man das Handwerkszeug und die Strategien an der Hand hat, Dinge anzusprechen“, erläutert die Psychologin. Für Monika Hahn brachte genau diese Sensibilisierung einen großen Mehrwert: „Offen auf die Menschen zugehen können und nicht von vornherein das Gefühl zu haben, ich bin hier hilflos.“

„Ich habe das Gefühl, ich bin jetzt anders gewappnet, wenn ich in solche Gespräche gehe“ - Zitat von Monika Hahn

Prof. Dr. Silke Neuderth ist der Meinung, dass durch die Kursteilnahme der Mitarbeitenden auch etwas mit dem Klima an der Hochschule passiere. Denn die Sensibilität für Menschen mit psychischen Problemen werde geschult. Indem Mitarbeitende sich intensiv mit mentaler Gesundheit auseinandersetzen, könne ein besseres Verständnis für die Herausforderungen der Betroffenen gebildet werden. Daraus resultiere ein offeneres und vorurteilsfreies Hochschul-Klima. In der sensiblen Entwicklungsphase, in der sich junge Erwachsene während ihres Studiums befinden, könne man noch einiges positiv beeinflussen, hebt Prof. Dr. Neuderth hervor.

„Es ist für einen selbst entlastend, wenn man das Handwerkszeug und die Strategien an der Hand hat, Dinge anzusprechen“ - Zitat von Prof. Dr. Neuderth

In welchen Fällen können sich Studierende an die MHFA-Ersthelferinnen und -Ersthelfer wenden?

Konkret können sich Studierende an die MHFA-Ersthelferinnen und -Ersthelfer wenden, wenn sie Hilfe in akuten Krisensituationen oder bei psychischen Herausforderungen benötigen. Während des Studiums sind Gefühle wie Stress, Überforderung und Selbstzweifel keine Seltenheit. Akute Belastungen, wie ein Trauerfall, familiäre Probleme oder andere Sorgen, die die Psyche belasten - bei all diesen Problemen bieten die MHFA-Ersthelfenden eine Anlaufstelle. Die Kontaktdaten einiger MHFAs gibt es gibt es auf der Website des Studentischen Gesundheitsmanagements. Wenn die Studierenden mit einer ausgebildeten Vertrauensperson offen über ihre Sorgen und Probleme sprechen, können diese Personen sie unterstützen. Sie hören zu, geben Ratschläge und können helfen, Zugang zu weiterer Hilfe zu finden.

Prof. Dr. Silke Neuderth (© Johann Grillenbeck)
Prof. Dr. Rebecca Löbmann (© Johann Grillenbeck)

Was ist für die Zukunft geplant?

Die ausgebildeten Ersthelfenden zeigten auch nach erfolgreichem Abschluss des Kurses weiter großes Interesse an dem Thema mentale Gesundheit. Prof. Dr. Rebecca Löbmann und Prof. Dr. Silke Neuderth verabreden sich regelmäßig mit ihnen. Diese Treffen sind ein Angebot, um Wissen aufzufrischen, Strategien im Umgang mit belasteten Mitmenschen zu erlernen und sich zu Erfahrungen mit Beratungssituationen auszutauschen. Zudem vertiefen die beiden Psychologinnen immer wieder konkrete Themen oder bringen neue ein, die in den Kursen nicht behandelt oder nur angeschnitten wurden.

2023 wurden die Kurse über Restmittel aus Studienzuschüssen finanziert. Daher können sie (noch) nicht regelmäßig angeboten werden. Die beiden Professorinnen arbeiten dennoch an weiteren Angeboten: „Die Uniklinik Würzburg bietet jetzt eine Art knapperen MHFA-Kurs an – er heißt EMG-Kurs, Erste Hilfe mentale Gesundheit“, erläutert Prof. Dr. Neuderth. Dieser Kurs sei kürzer und fokussiere sich auf die häufigsten Störungsbilder und Krankheiten wie Angst, Depressionen oder Suizidalität. Sie und ihre Kollegin hoffen, hierzu mit der Uniklinik eine Kooperation aufbauen zu können.

Außerdem planen die beiden, Angebote für Mitglieder der Studierendenvertretung zu schaffen. Dies sei eine weitere Schlüsselstelle, da diese Studierenden eine Art Mentoren-Rolle einnehmen würden, erklärt Prof. Dr. Neuderth. Unterstützt wird diese Initiative von der Vogel Stiftung.

Die Auseinandersetzung mit mentaler Gesundheit verändert das Klima an einer Hochschule. Initiativen wie die MHFA-Kurse fördern gegenseitige Wertschätzung. Hochschulkanzler Stefan Hartmann unterstreicht die Bedeutung des Projekts: „Wir freuen uns, die Schulung zum Mental Health First Aider zu unterstützen, da wir überzeugt sind, dass die Förderung der psychischen Gesundheit unserer Studierenden und Mitarbeitenden von entscheidender Bedeutung ist.“ Die Initiative stärke das Engagement für ein unterstützendes und achtsames Hochschulumfeld.

Ein Artikel von
Mara Maria Müller