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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

REKLINEU: Auf dem Weg zur klimaneutralen Hochschule

Das Verbundprojekt REKLINEU und die Frage nach den CO2-Emissionen

 © AdobeStock/Flash Vector

Die bayerischen Hochschulen sollen klimaneutral werden – auch die THWS. Im Rahmen des Projekts REKLINEU wird ermittelt, wie man den CO2-Fußabdruck einer Hochschule überhaupt messen kann - und welcher Bereich am meisten Emissionen verursacht.

Veröffentlicht am 18.06.2024

Von Körperpflege über Lebensmittel bis hin zu Kleidungsstücken tragen immer mehr Produkte das Label „klimaneutral“. Das bedeutet: Die CO2-Bilanz der Produkte wurde vollständig kompensiert. Auch viele Industrieunternehmen und andere Organisationen setzen sich im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie immer häufiger das Ziel der Klimaneutralität - so auch die Bayerische Staatsverwaltung. Diese will bis 2028 klimaneutral werden. Dabei sollen die Hochschulen eine wichtige Vorbildfunktion einnehmen. Das Projekt „Regionale Wege zu klimaneutralen Hochschulen“ - kurz REKLINEU - beschäftigt sich deshalb mit der Bilanzierung von Treibhausgasen, und mit Möglichkeiten, diese regional zu kompensieren.

Ein Bild von Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt.
Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt leitet das THWS-Institut für angewandte Logistik. Als Nachhaltigkeitsbeauftragter der THWS hat er das Projekt REKLINEU mitinitiiert (© Ulrich Müller-Steinfahrt)

Forschung im Verbund

REKLINEU ist ein Verbundprojekt der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS), der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Finanziert wird das Projekt im Rahmen der Fördermaßnahme „Transformationspfade für nachhaltige Hochschulen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Die Idee für REKLINEU sei bei einer Sitzung der Verantwortungsregion Mainfranken im August 2021 im Austausch mit Prof. Dr. Anja Schlömerkemper von der JMU entstanden, erzählt Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt, Nachhaltigkeitsbeauftragter der THWS und Mitinitiator des Projekts. „Nachdem alle Hochschulen eine Nachhaltigkeitsstrategie und Konzepte und Wege für eine nachhaltige Hochschule entwickeln müssen, war es ideal, einige der notwendigen Arbeiten im Verbund durch ein Projekt unterstützend anzugehen.“ Am 1. Oktober 2022 folgte der Startschuss für REKLINEU.

Messen, Verringern, Kompensieren und Kommunizieren

Innerhalb des Projekts hat jede Hochschule einen eigenen Forschungsschwerpunkt. Die THWS ist zum einen für die Erstellung einer Treibhausgasbilanz zuständig, in der alle Emissionen, umgerechnet in sogenannte CO2-Äquivalente, bewertet und aufgelistet sind. Wichtig dabei ist, dass diese einheitlich zu berechnen und leicht reproduzierbar ist. „Unsere Aufgabe ist es, den Status Quo der drei am Projekt beteiligten Hochschulen festzustellen“, resümiert Prof. Dr. Normen Langner von der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen.

Außerdem erforscht die THWS, welche Möglichkeiten es gibt, diese Emissionen zu reduzieren - beispielsweise in den Bereichen Gebäudetechnik, Entsorgung oder der Beschaffung von relevanten Produkten und Dienstleistungen. Verantwortlich für diese Teilbereiche sind Prof. Dr. Müller-Steinfahrt, der mit seinem Team vom Institut für angewandte Logistik auch die Treibhausgasbilanzierung mitvorantreibt und alternative Wege der nachhaltigen Beschaffung entwickelt, und Prof. Dipl.-Ing. Gunter Benkert von der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen.

Über die Reduzierung von Emissionen hinaus spielt auch die Kompensation von Treibhausgasen eine wichtige Rolle bei der Klimaneutralität. Hier erforscht ein Team der HSWT schwerpunktmäßig die Potenziale regionaler Wälder, Äcker und Moore zur CO2-Kompensation. Das dritte und letzte Teilprojekt widmet sich der gesellschaftlichen Transformation. „Die Sprache der Wissenschaft in die Gesellschaft zu transformieren, und das in einer Form, in der das auch in der Gesellschaft ankommt und nicht als langweilig oder abgehoben wahrgenommen wird - das ist die Aufgabe der Universität“, erklärt Prof. Dr. Langner.

Zitat von Prof. Dr. Normen Langner: "„Unsere Aufgabe ist es, den Status Quo der drei am Projekt beteiligten Hochschulen festzustellen."
Zitat von David Voellner: „Bei der Treibhausgasbilanzierung verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz – wir versuchen also, jegliche Emissionsquellen zu berücksichtigen.“

Treibhausgasbilanzierung nach dem Greenhouse Gas Protocol

Drei von insgesamt zehn Arbeitspaketen des Projekts leitet die THWS, darunter das Arbeitspaket 2, „CO2-Footprint - Bilanzierung und Einsparpotenziale“. Das Projektteam erarbeitet dafür gerade eine Treibhausgasbilanz. Dabei verfolge man einen ganzheitlichen Ansatz, erklärt David Voellner, der neben seinem Masterstudium an der THWS bei REKLINEU arbeitet: „Wir versuchen, jegliche Emissionsquellen zu berücksichtigen und mit in die Klimabilanz einzubeziehen.“

Bei der Bilanzierung richtet sich das Projektteam nach dem sogenannten Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol), einem transnationalen Standard zur Bilanzierung von CO2-Emissionen, der durch die Zusammenarbeit des World Resources Institute (WRI) und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) entstanden ist. Die Treibhausgasemissionen, die in die Klimabilanz eines Unternehmens oder einer Organisation einfließen, unterteilen sich im GHG Protocol in drei Kategorien, auch „Scopes“ genannt.

Scope 1 umfasst alle direkten Emissionen, die vor Ort entstehen, zum Beispiel Verbrennungs- oder Laborprozesse. Aber „auch die Emissionen des Fuhrparks der THWS oder das Auto des Präsidenten zählen da mit rein“, schildert Voellner. Scope-2-Emissionen sind hingegen indirekte Emissionen, die durch Energieprozesse entstehen, zum Beispiel durch eingekauften Strom oder Fernwärme. Auch unter Scope 3 werden indirekte Emissionen bilanziert - und zwar solche, die entlang der Wertschöpfungskette entstanden sind. „Dazu zählen hier vor allem Emissionen, die bei der Produktion und dem Transport von Papier oder Reinigungsmitteln angefallen sind, die die THWS einkauft“, erläutert Voellner.

Ein Bild von Prof. Dr. Normen Langner.
Prof. Dr. Normen Langner lehrt an der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen. Im Projekt REKLINEU leitet er das Arbeitspaket „CO2-Footprint“ (© Stefanie Wassermaier)
Ein Bild von David Voellner.
David Voellner studiert den Masterstudiengang Integrales Bauen und Planen an der THWS. Seinen Schwerpunkt hat er dabei auf Forschung gelegt (© David Voellner)

Eine Frage der Daten

„Die Herangehensweise für die Erstellung der Klimabilanz stand von Anfang an fest, da es mit BayCalc bereits ein entsprechendes Tool gab“, erläutert Prof. Dr. Langner. BayCalc ist ein Tool für die Treibhausgasbilanzierung, an dessen Entwicklung die THWS im Netzwerk Hochschule und Nachhaltigkeit Bayern (BayZeN) beteiligt war. Die Daten, die für die Erstellung der Klimabilanz notwendig sind, sind darin schon recht genau beschrieben. Die Herausforderung besteht allerdings darin, an diese Daten heranzukommen.

Ein weiterer Knackpunkt sind die vor- und nachgelagerten Scope-3-Emissionen, die nicht vor Ort an der Hochschule anfallen. Dazu zählen nämlich auch jene Treibhausgase, die freigesetzt werden, wenn Hochschulangehörige an die Hochschule und wieder zurück pendeln. Um diese Emissionen zu berechnen, hat das REKLINEU-Teilprojektteam der THWS im Sommer 2023 eine große Befragung aller Hochschulangehörigen zu ihrer Mobilität durchgeführt. „Ziel der Mobilitätsumfrage war es, ein möglichst umfassendes Bild von der Pendelmobilität aller Hochschulangehörigen zu erhalten“, erklärt David Voellner. „Also von allen Studierenden, wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Mitarbeitenden, Dozierenden sowie Professorinnen und Professoren.“

Rund 1.400 Hochschulangehörige haben an der Umfrage teilgenommen. Dadurch weiß das Projektteam nun ungefähr, wie viele Kilometer mit welchen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. „Jedes Verkehrsmittel hat da einen eigenen Emissionsfaktor, der angibt, wie viele Emissionen pro Personenkilometer ausgestoßen werden“, erläutert Voellner. Diese Faktoren sind bereits im Bilanzierungstool vorgegeben. Die Ergebnisse sind zwar noch nicht spruchreif, aber eine deutliche Tendenz lässt sich bereits jetzt erkennen: „Die Pendelmobilität wird wahrscheinlich den größten Anteil der CO2-Emissionen der Hochschule ausmachen.“

Diese Erkenntnis soll nicht nur in die Klimabilanz der Hochschule einfließen. Gemeinsam mit der Universität und der Stadt Würzburg, die im vergangenen Jahr ebenfalls eine Mobilitätsumfrage durchgeführt haben, will man nun ein optimiertes Verkehrskonzept für den ÖPNV erarbeiten. „Ob dieses Konzept tatsächlich den Anteil der Mobilität in der CO2-Bilanz verringern wird, kann ich jetzt noch nicht sagen“, sagt Prof. Dr. Langner. Aber das sei auch eine Funktion des Projekts: „Zu erkennen, wo die Probleme liegen, und wie wir diese lösen können.“ 

Zitat von David Voellner: „Die Pendelmobilität wird wahrscheinlich den größten Anteil der CO2-Emissionen der Hochschule ausmachen.“
Fokus Grün, Nachhaltigkeit an der THWS

Ein Artikel von
Sophia Krotter