Manch einer mag schon damit überfordert sein, das Studium und einen Nebenjob unter einen Hut zu bekommen. Indra Remmel und Janice Krebs meistern hingegen neben einem Vollzeitstudium noch ihren Vollzeitjob als Mama.
Indra hatte sich nach einigen Jahren im Beruf dazu entschieden, ein Studium anzufangen. Das Besondere: sie hatte bereits zwei Kinder – eine damals dreijährige und eine einjährige Tochter. Janice wird im zweiten Semester ihres Masterstudiums Fachjournalismus schwanger. Sie entscheidet sich ohne Zweifel zu haben für das Kind – parallel zum Studium. „Ich war mit dem zweiten Semester fertig und einen Monat später kam das Baby“, erzählt Janice. Mittlerweile blickt sie stolz auf ihren Masterabschluss.
Laut einer Befragung aus dem WS 2021/22 haben knapp sechs Prozent der Studierenden der THWS Kinder. Auch bundesweit haben laut der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks sechs Prozent der Studierenden Kinder. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sind das eher geringe Zahlen. Und weil Minderheiten leicht übersehen werden, haben Dozierende mitunter nicht im Blick, dass Studierende zu Hause Kinder zu versorgen haben. Wenn eine Lehrveranstaltung beispielsweise spontan verschoben werden muss, liegt der Ausweichtermin oft in den Abendstunden. Es wird davon ausgegangen, dass die Studierenden dann Zeit haben. Allerdings ist eine Kinderbetreuung oft nur vormittags gesichert. Dementsprechend stehen die Eltern hier vor einem Organisationsproblem: Schnell noch einen Babysitter auftreiben – oder die Veranstaltung ausfallen lassen. Das zeigt: Studieren mit Kindern ist nicht immer leicht. Vielleicht sind auch deshalb die Zahlen so gering. In jedem Fall ist eine Veränderung notwendig.
Das Projekt ProPere: Vereinbarkeit von Beruf und Familie
An solch einer Veränderung arbeitet die Hochschule mit verschiedenen Maßnahmen. Eine dieser Maßnahmen ist das Projekt „Professorale Personalentwicklung und -gewinnung“ („ProPere“). Wie der Name schon sagt, handelt es sich hierbei um ein Projekt, welches eher auf die Beschäftigten der Hochschule ausgerichtet ist. Im ProPere-Teilprojekt „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ werden jedoch auch die Studierenden nicht außen vor gelassen.
Das zentrale Ziel der THWS ist eine Auditierung als familienfreundliche Hochschule. Diese umfasste 2022 zunächst eine Status-Quo-Erhebung, einen Strategie-Workshop sowie einen Auditierungs-Workshop – bei letzterem nahm neben Vertreterinnen und Vertretern aus dem Kreis der Beschäftigten auch Indra als Studierendenvertretung teil. Beim Auditierungs-Workshop wurde eine Zielvereinbarung getroffen, die innerhalb der kommenden drei Jahre umgesetzt wird und die Studien- und Arbeitsbedingungen an der THWS familienfreundlicher gestalten soll. Im Dezember 2022 hat die berufundfamilie Service GmbH der THWS auf dieser Basis die erfolgreiche Durchführung des "audit familiengerechte hochschule" bescheinigt. Ab Dezember 2025 ist dann eine Reauditierung vorgesehen.
Laut Prof. Dr. Tanja Mühling, die an der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften lehrt und zuständig für dieses ProPere-Teilprojekt ist, steht vor allem die Kommunikation im Vordergrund, um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. So müsse zum einen den Beschäftigten bewusster werden, dass es eben Studierende mit Kindern gibt, auf die entsprechend Rücksicht genommen werden sollte. Zudem müssten Lösungsmöglichkeiten und Ideen kommuniziert werden, um die Studierenden zu unterstützen. Darüber hinaus sollten die bereits vorhandenen Angebote und Möglichkeiten breiter kommuniziert und bekannter gemacht werden. Denn es gibt an der THWS beispielweise bereits Eltern-Kind-Zimmer, genauso wie Wickelmöglichkeiten an allen Standorten der Hochschule. Außerdem können eine Schwangerschaft und die Erziehung von Kindern laut allgemeiner Prüfungsordnung einen triftigen Grund zur Beantragung von Fristverlängerungen darstellen. Die allgemeinen rechtlichen Regelungen, wie Mutterschutz und Elternzeit, gelten selbstverständlich auch im Studium.
„Wir wollen Studierende gewinnen und erfolgreich durch ihr Studium begleiten“, erklärt Prof. Dr. Mühling. „Es ist auch nicht im Interesse der Hochschule und des Arbeitsmarkts, dass Studierende, nur weil sie Kinder haben, ihr Studium abbrechen.“ Aus diesem Grund wurde z. B. in der Zielvereinbarung festgehalten, dass bis 2025 in allen Fakultäten eine vorgezogene Kurswahl für Studierende mit familiären Belangen umgesetzt wird. Außerdem wurde im Rahmen des ProPere-Teilprojekts bereits eine Babysittingbörse eingerichtet und ein Online-Familienportal mit wichtigen Informationen aufgebaut. Dort wird u. a. darüber informiert, dass in Sonder- oder Notsituationen, in denen ein Betreuungsengpass entsteht, das Kind mit zur Lehrveranstaltung gebracht werden darf, damit die studierenden Eltern die Vorlesung nicht verpassen.
Wünsche zur Erleichterung des Alltags
Auch die Studierenden selber haben Wünsche und Ziele, die zur Erleichterung ihres Studiums beitragen sollen. Dazu zählen etwa eine Begegnungsstätte, beispielsweise in Form eines Elterncafés, um sich mit anderen Eltern auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen, finanzielle Unterstützung für spontane Betreuungen etwa im Fall von verschobenen Lehrveranstaltungen sowie bereits einige Wochen vor Semesterbeginn zugängliche Stundenpläne, so dass es möglich ist, rechtzeitig die Kinderbetreuung zu organisieren.
Darüber hinaus sollte es mehr Hybridangebote geben, um entsprechend Flexibilität zu schaffen, sowie eine vorgezogene Kurswahl für Studierende mit Kindern, um sicher einen Platz in Kursen zu bekommen, die zu normalen Betreuungszeiten stattfinden. Sinnvoll wäre zudem eine einheitliche Regelung, dass ein Kind mit in die Lehrveranstaltung gebracht werden darf. „Ich hatte einfach Glück, dass mein Dozent da nett genug war, sonst hätte ich den Kurs nicht machen können und insgesamt das Studium nicht beenden können“, sagt Janice. Ziel ist es, dass am Ende der drei Jahre keine Rede mehr von Glück sein muss.
Auch die Corona-Pandemie stellte Studierende mit Kind vor zusätzliche Herausforderungen. Indra musste beispielsweise ihr Praxissemester auf zwei Semester aufteilen, um die Betreuung ihrer Kinder zu sichern. „Zusätzliche Kinderkranktage würden Studierenden hier zudem das Leben erleichtern“, sagt Indra. Denn im Praxissemester stehen Studierenden normalerweise nur insgesamt sechs Krankentage zu. Bei Janice gab es hingegen keine Probleme mit Krankentagen ihrer Tochter: „Tatsächlich war sie nur ein einziges Mal spontan krank. Da bin ich dann einfach eine Stunde später gekommen. Das war kein Problem. Das war auch das einzige Mal, das ich gefehlt habe.“.
Tipps zum Studieren mit Kindern
An einigen Problemen wird bereits gearbeitet, während andere eher schwierig zu lösen sind. Aber das ist auch den Studierenden selbst bewusst. Für alle, die ihr Studium mit Kind meistern wollen, hat Indra einige Tipps parat, die ihr selbst geholfen haben. So sei neben einer klaren und disziplinierten Organisation eine finanzielle Basis und Sicherheit essenziell. Sie empfiehlt, „sich jegliche finanzielle Unterstützung zu holen“, die möglich ist.
Denn neben dem Studium und dem Leben mit Kindern noch arbeiten, ist sehr anstrengend. Beim BAföG-Amt kann nachgefragt werden, welche Möglichkeiten es gibt. Das elternunabhängige BAföG kann hier eine gute Option sein. „Ich bereue es überhaupt nicht, dass ich studiert habe“, sagt Indra. „Für mich war das wie eine Riesen-Fortbildung. Das hat mir unheimlich viel Spaß gemacht.“
Auch Unterstützung aus dem Umfeld einzuholen ist wichtig, weiß Janice. „Das schwierigste war die Masterarbeit, weil meine Tochter dann auch schon älter war und beschäftigt werden musste. Ich war mir teilweise nicht sicher, ob ich das mit der Masterarbeit wirklich hinbekomme.“ Nur während des Mittagsschlafs ihrer Tochter konnte Janice an ihrer Arbeit schreiben. Mitunter kamen aber auch die Großeltern zur Hilfe und passten auf die Kleine auf. „Wenn ich gemerkt hätte, dass es gar nicht geht und ich das Kind vernachlässigen muss, hätte ich das Studium natürlich abgebrochen oder verschoben“, betont Janice. „Ich war mir aber schon relativ sicher, dass ich das hinbekomme.“