Drei Jahre haben die Verantwortlichen den neuen Bachelorstudiengang Business Analytics konzipiert. Dieser zeichnet sich vor allem durch die fächerübergreifende Kombination aus. Zum Wintersemester 2022/23 sind die ersten 45 Studierenden gestartet.
Im Zuge der digitalen Transformation entsteht in vielen Unternehmen derzeit ein massiver Umbruch. Eine viel beachtete Studie der beiden Wissenschaftler Carl Frey und Michael Osborne sorgte 2013 weltweit für Aufsehen. In der Analyse kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass in den nächsten zehn bis 20 Jahren fast die Hälfte aller Jobs in den USA durch die Digitalisierung gefährdet sind. Die Universität Heidelberg und das ZEW Mannheim errechneten für Deutschland einen Wert in Höhe von zwölf Prozent.
Das klingt zunächst alarmierend – doch die digitale Transformation sorgt auch dafür, dass an anderer Stelle neue Fertigkeiten gefragt sind. So steigt im Zuge dieser Entwicklung die Nachfrage nach Spezialisten für die Analyse und Interpretation stetig wachsender Datenmengen. Branchenübergreifend sind Personen mit Fachkenntnissen im Bereich der Datenanalytik gefragt, um komplexe Fragestellungen zu beantworten. Seit Oktober bildet die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt hierzu im Studiengang Business Analytics die passenden Expertinnen und Experten von morgen aus, um eine Antwort auf den Fachkräftemangel in diesem Bereich zu liefern.
Neuer Studiengang setzt auf Vernetzung
Im Jahr 2019 startete die bayerische Staatsregierung die milliardenschwere Hightech Agenda, um eine Technologieoffensive an den bayerischen Hochschulen anzustreben. An der THWS wurde im Zuge dessen das KI-Kompetenzzentrum CAIRO (Center for Artificial Intelligence and Robotics) gegründet. „Der Bachelor Business Analytics ist unser Lehrbeitrag in diesem Umfeld“, erklärt der Studiengangleiter Prof. Dr.-Ing. Andreas Rükgauer von der Fakultät Wirtschaftswissenschaften. Seit Ende 2020 habe die Initiative für den Bachelorstudiengang an Fahrt aufgenommen. Das fünfköpfige Kernteam um Prof. Dr.- Ing. Rükgauer entwickelte das grundlegende Konzept und setzte auch auf interne Vernetzungen mit anderen Fakultäten. Insbesondere mit der Fakultät Angewandte Natur- und Geisteswissenschaften entstehen dabei neue Kooperationen.
Ein Novum stellt auch die Gestaltung der Studieninhalte dar. „Von Anfang an haben wir einen engen Draht zur Industrie gesucht, um Wunschkompetenzen zu erfragen“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Rükgauer. Auf Basis der eigenen Überlegungen und des Feedbacks der Industrie entstand der Studienplan. Ebenfalls setzt das Team einen Fachbeirat ein, um semesterweise den Erfolg des Studiengangs zu bewerten und gegebenenfalls nachzubessern.
Bachelorstudiengang aus drei Säulen
Der Studiengang zeichnet sich durch seine interdisziplinäre Idee aus. Drei Hauptsäulen ziehen sich vollständig durch das auf sieben Semester ausgelegte Studium. Betriebswirtschaft bildet die erste Säule. „Mit dem Bachelor in Business Analytics bilden wir nach wie vor Betriebswirtinnen und Betriebswirte aus“, bekräftigt Rükgauer. Die Studierenden durchlaufen in leicht reduzierter Form die komplette Bandbreite der BWL. Viel ausgeprägter als in anderen betriebswirtschaftlichen Studiengängen ist die MINT-Säule – die Abkürzung steht für die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – mit mehreren Modulen im Bereich Mathematik, Statistik und Informatik.
Module wie Business Intelligence oder Statistik für Data Science sind dabei komplett neu im Programm der Fakultät. Niemand müsse jedoch jahrelange Programmiererfahrung mitbringen, betont Prof. Dr.-Ing. Rükgauer. Wichtig sei lediglich die Affinität und das Interesse an den Bereichen.
Abgerundet wird der Bachelor durch eine interdisziplinäre Säule, bei der neben Modulen wie Englisch und Projektmanagement besonders der Kurs zu den Grundlagen des Datenschutzes hervorsticht. „Wir bilden keine reinen Informatiker aus. Wir geben den Studierenden die Kompetenzen an die Hand, um in betriebswirtschaftlichen Bereichen in der Lage zu sein, analytisch zu arbeiten“, fasst Prof. Dr. Marcus Klemm das Studienprogramm zusammen. Klemm selbst gehört ebenfalls zum Kernteam. Aus seiner Sicht schließe sich nun eine „Lücke auf dem Gebiet der Digitalisierung und Analytik“ im Fakultätsprogramm.
Steigende Nachfrage
Der Abschluss in Business Analytics erschließt den Absolvierenden ein weites Feld. Neben der Möglichkeit, direkt in ein betriebswirtschaftliches Masterprogramm zu wechseln, besteht auch die Option, den technischen Bereich im Master zu vertiefen. Es gelte aber, im Vorhinein die Anforderungen genau zu prüfen, so Prof. Dr.-Ing. Rükgauer. Der direkte Einstieg in das Berufsleben stellt den alternativen Weg dar. Für Rükgauer steht fest: „Absolvierende mit diesem breiten Wissen sind gefragt. Wir gehen davon aus, dass die Studierenden auf dem Arbeitsmarkt schnell unterkommen.“
Denn laut einer Studie der Strategieberatung Bain & Company Inc. steigt die Nachfrage nach Datenexpertinnen und -experten rasant an. So hat sich allein die Zahl von Analytics-Fachkräften weltweit von 2018 bis 2020 auf über eine Million verdoppelt. Besonders globale Tech-Konzerne sowie die Finanz- und Beratungsbranche haben früh mit der Akquise von jungen Expertinnen und Experten begonnen. Prof. Dr. Klemm prognostiziert zudem, „dass sich auch die Anforderungsprofile der Unternehmen anpassen werden“. Auf die neuen Anforderungen hinsichtlich datengestützter Entscheidungen und digitaler Geschäftsmodelle will die THWS mit dem Bachelorstudiengang Business Analytics nun die passende Antwort geben.
Das Konzept erhält Zustimmung
Ein Beispiel für ein konkretes Berufsbild liefert Andreas Hümmer, Alumnus der Hochschule. Nach seinem Bachelor in Betriebswirtschaft an der THWS machte er seinen Master in Big Data und Business Analytics. „Tatsächlich war der Beweggrund die erste Berührung mit angewandter Datenanalyse in einer Vertiefung im Bachelorstudium“, erklärt Hümmer. Heute ist er als Consultant bei IBM im Bereich AI & Data Services tätig und arbeitet an Projekten zum Aufbau neuer Datenpipelines. Eine wichtige Aufgabe ist dabei die Entwicklung von Use Cases für die Kundschaft. Wäre der Bachelorstudiengang Business Analytics auch für Hümmer eine Wahl gewesen? „Absolut! Je früher man sich mit dem Thema auseinandersetzt, desto besser“, steht für den Datenexperten fest.
„Am Ende darf man sich keiner Illusion hingeben, die wenigsten Branchen sind befreit von der digitalen Entwicklung. Mit dem Programm sind unsere Studierenden nach dem Abschluss breitbändig einsetzbar“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Rükgauer. In dreieinhalb Jahren wird sich zeigen, wie der erste Studienjahrgang den Bachelor in Business Analytics erlebt und wie sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt bis dahin entwickelt hat.
Was ist Business Analytics?
Der Begriff Business Analytics beschreibt die systematische und kontinuierliche Auswertung von Unternehmensdaten. Im Zuge dessen werden die Tätigkeiten der Vergangenheit analysiert, um wichtige Erkenntnisse zu erlangen. Zudem ist auch die Prognoseerstellung zukünftiger Entwicklungen ein Arbeitsfeld. Business Analytics kommt somit zur Anwendung, wenn Managemententscheidungen unter quantitativen und datengestützten Methoden gefällt werden. So trägt Business Analytics dazu bei, dass Unternehmen einen konkreten Nutzen aus der Digitalisierung ziehen.