Auf die Frage „Wie grün ist die FHWS?“ würden einige vielleicht antworten: Sie ist orange. Tatsächlich gibt es an der Hochschule vielfältige Projekte, die sich der ökologischen Nachhaltigkeit verschrieben haben. Neben offiziellen Hochschulprojekten an den verschiedenen Fakultäten gibt es auch eine studentische Initiative.
Nachhaltigkeit ist wichtig, klar! Aber oft stellt sich die Frage: Wo anfangen? Am besten bei sich selbst? Prof. Dr. Christoph Bördlein lehrt Psychologie und verhaltensorientierte Handlungslehre an der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften. Im Jahr 2017 fiel ihm auf, dass sich viele seiner Studierenden ehrenamtlich engagierten. Deshalb gründete er das Seminar „Weltverbesserungsprojekt“ rund um die Fragestellung: Wie können Studierende das Verhalten von Menschen auf eine effiziente Art verändern? Bördlein ist überzeugt: „Wenn wir uns umweltbewusster verhalten wollen, ist es nicht nachhaltig, mit moralischem Zeigefinger ein schlechtes Gewissen zu machen. Im Gegenteil, es geht darum, unsere Umwelt so zu gestalten, dass wir das gewünschte Verhalten selbst umsetzen.“
Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, das kaputte Fahrrad reparieren zu lassen, wenn man das Auto öfter stehen lassen will. Bei dem Weltverbesserungs-Seminar von Bördlein dürfen sich die Studierenden selbst ein Thema innerhalb des Gebiets der sogenannten Behavioral Community Interventions, mit denen sich das Verhalten von Menschen im öffentlichen Raum positiv beeinflussen lässt, aussuchen. So gab es beispielsweise ein Projekt „Intervention zur artgerechten Zigarettenentsorgung vor dem FHWS-Gebäude“. Es wurde zunächst die Ist-Situation analysiert, um anschließend Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise mittels visueller Hinweise wie Plakate und Sticker. So konnten auf dem Boden liegende Zigarettenstummel um etwa 50 % reduziert werden.
Ein anderes Projekt beschäftigte sich mit der Verwendung von Einwegbechern in der Cafeteria in der Münzstraße. Die Zahl der verbrauchten Pappbecher lag an manchen Tagen bei 375 Stück, an manchen hingegen nur bei 90 – auch abhängig von der Kursanzahl am Wochentag. Die Intervention erfolgte bei diesem Projekt ebenfalls mit Plakaten und auch mit einer sogenannten Schockbox. Hierfür wurden gebrauchte Kaffeebecher gesammelt und der durchschnittliche Verbrauch eines Tages in der Cafeteria zur Schau gestellt. Zudem wurde der Verkauf von Mehrwegbechern angeregt.
Eine andere Möglichkeit sich nachhaltig zu engagieren, ist die freiwillige Selbstverpflichtung, die Bördlein anbietet. Hierbei wird ein Vertrag mit sich selbst aufgesetzt und unterschrieben. In diesem Schriftstück steht, dass die Person in Zukunft beispielsweise auf Einwegbecher verzichten wird. „Die Themen und Ideen aus dem Bereich Nachhaltigkeit kamen von den Studierenden selbst“, so Bördlein.
Gestalterische Aufklärungsarbeit
Auch in der Fakultät Gestaltung kommen die Impulse zum Thema Nachhaltigkeit oft von den Studierenden. Die Möglichkeiten der Gestaltung sind vielfältig: von Echtzeitinformationsgrafiken und CO₂-Messstellen, über aufklärende Plakate bis hin zu ganzen Systemen. Prof. Erich Schöls lehrt seit mittlerweile 20 Jahren an der FHWS den Studienschwerpunkt Interaktive Medien. Seit Oktober 2019 ist er zudem Dekan der Fakultät Gestaltung. „Der Wandel muss als Gewinn und nicht als Verlust dargestellt werden“, sagt Schöls, und sieht das als Kommunikationsaufgabe. Auch im Studium erleben die gestalterischen Werke eine Entwicklung: Zuerst beschäftigen sich die Studierenden konzeptionell mit einem bestimmten Thema, daraus entsteht dann nach einer ausführlichen wissenschaftlichen Recherche eine inhaltliche Ausarbeitung. Danach folgt eine grafische Interpretation. Je nach Fach mal interaktiv und digital, fotografiert, gezeichnet oder was die Kreativität sonst noch so hergibt. „Gestaltung ist Aufklärungsarbeit“, glaubt Schöls. Gute Ideen, auch rund um das Thema Ökologie, seien der Schlüssel zum langfristigen Erfolg.
Altreifen-Recycling und „Smart Polymer Pipes Solution“
Originelle Ideen gibt es auch in der Fakultät Kunststofftechnik und Vermessung. „Der Kunststoff wird zum Teil leider zu Unrecht verurteilt“, stellt Prof. Dr. Volker Herrmann aus der Fakultät Kunststofftechnik und Vermessung klar. Er betreut seit 2013 Projekte rund um die Thematik Gummi- bzw. Altreifenrecycling. Altreifen machen den größten Teil im Gummimarkt aus: In Deutschland gibt es ca. 6.000 Tonnen Altreifen pro Jahr, die schwer recycelbar sind. So entstanden schon zahlreiche Semesterprojekte, Bachelor- und Masterarbeiten zu dieser Problematik. Ziel ist, dass der Reifen eingemahlen wird, in neuen Reifen Verwendung findet und dadurch ein geschlossener Werkstoffkreislauf erschaffen wird. „Für mich war es eine konsequente Schlussfolgerung das Projekt zu starten, da ich jahrelang in der Reifenindustrie tätig war und die Praxis dort kenne“, so Herrmann. Ein Vortrag über eine globale ökosoziale Marktwirtschaft und die Verantwortung als Familienvater und Lehrbeauftragter waren dann die ausschlaggebenden Punkte, weiter im Bereich Recycling zu forschen. Das Projekt wird jährlich von der Deutschen Kautschukgesellschaft gefördert.
Das neueste Projekt ist das Technologiezentrum Smart Polymer Pipes Solution. „Darauf sind wir besonders stolz und es ist ein super Aushängeschild für die ganze FHWS“, so Herrmann. Im Landkreis Haßberge herrscht eine weltweit einzigartige Dichte an Kunststoffherstellern. Deshalb wird seit September 2019 auf Initiative der lokalen Politik und von Landrat Wilhelm Schneider das Zentrum geplant. Im Februar 2020 entschied der Freistaat Bayern, die Einrichtung in Haßfurt mit sechs Millionen Euro zu finanzieren. Geplant ist, dass im Oktober 2021 die ersten Maschinen in das bereits vorhandene und dann sanierte Gebäude gestellt werden können. Konkret geht es um Kunststoffrohre, die beispielsweise in der Versorgung und Entsorgung verwendet werden, die Hygienestandards garantieren. „Der Traum wäre ein Rohr, das sich selbst abdichtet, wenn es ein Leck hat“, so Herrmann.
Recycling, eine längere Lebensdauer und der Einsatz nachhaltiger Rohstoffe: Auch mit solchen Aspekten soll sich das Zentrum beschäftigen. Herrmann ruft dazu auf, Kunststoff nicht von vornherein zu verteufeln. Ihm sei die Tragweite der Problematik durchaus bewusst und dass viel Verpackungsmaterial in den Meeren schwimme. Dennoch ist für ihn Recycling der Königsweg. Kunststoffe seien zudem eine Möglichkeit, Energie zu sparen: Im Zuge der Energiewende, beispielsweise beim Leichtbau in der Elektromobilität oder bei Windkraftanlagen. Herrmann ist sich sicher: „Wir brauchen jetzt mehr denn je Kunststoff-Ingenieurinnen und Ingenieure! Denn es geht darum, sinnvoll mit Kunststoffen umzugehen.“
Alltagstipps, Kleidertauschpartys und Social Media
Nach einer sinnvollen, nachhaltigen Weiterentwicklung strebt auch die Studentische Initiative für Natur und Nachhaltigkeit (S.I.N.N.). „Es geht uns darum zu zeigen, wie Nachhaltigkeit an der FHWS lebendig werden kann“, sagt Mattis Isenmann von S.I.N.N. Die Initiative will den Austausch fördern, Aufklärungsarbeit leisten und Anregungen für den Alltag geben. Ein Tipp der Initiative ist, bei dem Thema anzufangen, für das man sich am meisten interessiert. Ob Kochen, Mode, Kosmetik oder plastikfreies Einkaufen ‒ die Möglichkeiten sind zahlreich. Wichtig sei nur Schritt für Schritt vorzugehen, das verhindere Überforderung.
Die 20 Studierenden von S.I.N.N. organisieren verschiedene Events, wie Kleidertauschpartys oder Filmabende. Außerdem geben sie auf Instagram und Facebook Tipps für den Alltag und stehen im Austausch mit der Hochschule. „Es macht super viel Spaß, die Aktionen zu organisieren. Am Ende waren wir alle ziemlich stolz, was wir letztes Semester auf die Beine gestellt haben“, sagt Tamara Mühlberger. Auch der Austausch mit den Leuten inspiriere und schaffe Denkanstöße. Die Initiative existiert seit 2015 und erfährt seit dem Sommersemester 2020 einen erneuten Aufschwung. Neue Mitstreitende sind immer erwünscht und willkommen. Wer sich dafür interessiert, kann sich gerne auf Instagram oder auf Facebook bei S.I.N.N. melden.
Elektromobilität und Energieeinsparung in Industrieanlagen
Das Technologietransferzentrum Elektromobilität (TTZ-EMO) in Bad Neustadt an der Saale beschäftigt sich ebenfalls mit Nachhaltigkeit. Seit 2017 wird mit 35 Mitarbeitenden rund um die elektrische Energietechnik, Antriebstechnik und Elektromobilität geforscht. Am Standort Schweinfurt wird außerdem in Laboren und Instituten unter anderem an Batteriesystemen gearbeitet. In enger Kooperation vernetzen sich hier Industrie und Hochschule.
Mit der Fragestellung, wie sich Energie einsparen lasse und CO₂ in Industrieanlagen vermieden werden könne, beschäftigt sich das Projekt eDlan unter Prof. Dr. Stefan Knoblach an der Fakultät Elektrotechnik. Industrieanlagen haben ein enormes Potenzial, nachhaltiger zu werden. Durch eine automatisierte, thermografische und geometrische Erfassung soll das Einsparungspotenzial erfasst werden.
Ein grün-oranges Mosaik
Fakultäten, Dozierende, Mitarbeitende und Studierende – das nachhaltige Engagement an der FHWS zeigt sich vielfältig. Mit der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zur Zusammenarbeit von Hochschulen im Rahmen des Netzwerks Hochschule und Nachhaltigkeit Bayern geht die Hochschule einen Schritt in die nachhaltige Richtung. Insgesamt 25 Präsidentinnen und Präsidenten von bayrischen Hochschulen unterzeichneten 2019 dieses Dokument. So soll Nachhaltigkeit in den verschiedensten Aspekten unterstützt werden: von Forschung, Lehre bis hin zu Initiativen von Studierenden. Ziel ist, ein Netzwerk zu schaffen, das sensibilisiert, aktiviert, vernetzt, Transparenz schafft und berät. Gemeinsam ist Vieles möglich. Das wird auch an der FHWS deutlich: Vielfältige Themen, Engagement aus den verschiedensten Reihen und innovative Ideen bilden ein grün-oranges Mosaik der Nachhaltigkeit. Und vielleicht kann dann in Zukunft gesagt werden: Orange ist das neue Grün!