Von Zettelkatalogen über Mikrofiches bis hin zu Online-Katalogen: Heute ist die FHWS-Bibliothek weitestgehend digitalisiert. Doch eines hat sich nicht verändert: Die Bibliothek ist ein Ort für Menschen.
Bei ihrem Start 1977 hatte die Bibliothek der FHWS etwa 900 Bücher und drei Mitarbeitende: ihren damaligen Leiter Roland Greubel, eine Verwaltungsangestellte und eine Aushilfe. „Als ich angefangen habe, gab es keine Bibliothek in dem Sinne, wie man sich das heute vorstellt“, erzählt Greubel. „Es gab Bücher in Dozentenzimmern oder in Dekanaten und ein gemeinsames Bibliothekszimmer der Fachbereiche Betriebswirtschaft und Sozialwesen, das war ein fünf Meter langes Regal.“
Die Situation in Schweinfurt sah ähnlich aus: Mitten im Foyer des Campus Ignaz Schön stand ein provisorischer Glaskasten, der vor allem ältere Bücher enthielt, die die Dozierenden nicht mehr brauchten. Als Regale dienten ausgemusterte Werkzeugregale einer ansässigen Firma. „Die Bibliothek war mit Glaswänden abgetrennt, die oben offen waren. Das bedeutete, sobald Pause war, war ein unglaublicher Lärmpegel in diesen Räumlichkeiten“, erinnert sich Regina Trautner, die 1985 als Bibliothekarin an der FHWS in Würzburg begann und seit 1989 am Standort Schweinfurt arbeitet.
Fehlendes Budget als besondere Hürde
Eine besondere Hürde in der Anfangszeit war laut Greubel, dass die Bibliothek kein Budget hatte. Gelder wurden direkt den damaligen Fachbereichen zugewiesen. Zwar gab es dort Anteile für die Bücherbeschaffung, doch davon sollten sich die Professorinnen und Professoren selbst kaufen, was sie benötigten. Zu Beginn bestand Greubels Aufgabe also vor allem darin, die vorhandenen Bücher bei den Dozierenden einzusammeln. „Die Fachbereiche Sozialwissenschaften und BWL haben schnell erkannt, dass eine zentrale Bibliothek Vorteile bietet, zum Beispiel, um Parallelbeschaffungen zu vermeiden. Als andere Fachbereiche gesehen haben, dass es gut läuft, sind sie nachgezogen“, berichtet Greubel.
Bücher einsammeln, die Etats der Fachbereiche verwalten, Zeitschriften koordinieren: Das waren anfangs die wesentlichen Aufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Viel Zeit nahm auch das Katalogisieren in Anspruch. In den ersten Jahren gab es Zettelkataloge, Anfang der achtziger Jahre stellte man auf einen Katalog mit Mikrofiches um – postkartengroße Mikrofilme, die Informationen stark verkleinert speichern und es ermöglichen, diese mithilfe eines Lesegeräts wieder zu vergrößern. Ein weiterer Zwischenschritt zur Digitalisierung folgte mit CD-ROMs, auf denen Kataloge und Verzeichnisse gespeichert wurden. Jede Umstellung ging mit einer langen Phase der Datenerfassung einher, bevor 1994 schließlich Online-Kataloge eingeführt wurden.
Vom Verwaltungsberuf zur angewandten IT
Die Bibliothek ist heute stark von Digitalisierung geprägt. Ging es früher mehr um Verwaltungsaufgaben, beschreibt Jens Renner, der die Bibliothek seit 2019 leitet, den Beruf als „angewandte IT“. Den aktuellen Bücherbestand schätzt er auf etwa eine halbe Million. Davon seien 150.000 gedruckte Werke – Tendenz stark abnehmend.
„Roland Greubel war ein Verfechter und Vorreiter von elektronischen Medien“, sagt Renner. Diese Praxis setzte er fort, als Greubel 2019 in Ruhestand ging und Renner seinen Posten übernahm. Im Bereich E-Medien gilt die Bibliothek der FHWS als Pionier: Im vergangenen Jahr wurden nur 1.500 Printbücher gekauft – und 20.500 E-Books. „Aus diesem Grund waren wir auf Corona besser vorbereitet als andere Bibliotheken“, so Renner.
Jedes elektronische Angebot ist das Ergebnis eines Vertrags. Und jeder Vertrag muss ausgehandelt werden. Das bringt einiges an Arbeit mit sich. Bis auf wenige Ausnahmen vereinbart die Bibliothek Ein-Jahres-Verträge, denn schließlich wird auch das Budget jährlich vergeben. Wo es geht, kauft Renner E-Book-Pakete, von denen manche nur ein Dutzend, andere aber bis zu 500 E-Books umfassen. Aktuell laufen etwa 200 Verträge.
Open Access: Die Bibliothek widmet sich den Themen der Zukunft
Ein Großteil der Arbeit in der Bibliothek besteht auch darin, täglich den Neuerscheinungsmarkt zu beobachten und Schulungen durchzuführen. Trotz Covid-19-Pandemie hat die Bibliothek im Jahr 2020 171 Veranstaltungen durchgeführt. Auch beim Thema Open Access ist die Bibliothek Vorreiter: Im April 2021 hat die FHWS eine Open Access Policy verabschiedet, in der die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu ermuntert werden, ihre Forschungsergebnisse frei zugänglich zu veröffentlichen.
Was Medienausstattung und Informationsvermittlung angeht, war die Bibliothek der FHWS schon immer weit vorne. Weniger gut sah es beim vorhandenen Platz aus. Im Bericht der Hochschulleitung von 1983 bis 1985 schrieb Greubel: „Besonders an der Abteilung Würzburg sind die Raumverhältnisse völlig unzureichend, ja zur Qual für Benutzer und Personal geworden.“ Die Studierenden müssten sich zwischen den Personalschreibtischen hindurchschlängeln, die Leseplätze seien dauernd besetzt und bisweilen würden die Nutzerinnen und Nutzer auf dem Fußboden sitzen. 1984 hatte die Bibliothek bereits über 54.000 Nutzerinnen und Nutzer pro Jahr – also etwa die Hälfte der Einwohnerzahl Würzburgs.
In den ersten zehn Jahren befand sich die Bibliothek Würzburg in einem 100 Quadratmeter großen Hörsaal. Die Situation besserte sich, als 1987 die neuen Räume am Campus Münzstraße bezogen wurden. Allerdings sind die studentischen Arbeitsplätze in Würzburg aufgrund der Innenstadtlage aktuell auf 70 begrenzt, für Gruppenräume ist kein Platz.
Vandalismus am Neubau in Schweinfurt
In Schweinfurt verabschiedete man sich in den 1990er Jahren von dem etwa 120 Quadratmeter großen Glaskasten und zog in den Neubau zwischen Hauptgebäude und Mensa. Der wurde 2005 Opfer von Vandalismus: Ein alkoholisierter 22-Jähriger warf 24 Fenster der Bibliothek ein und verursachte einen Schaden in Höhe von 25.000 Euro. „Das war ein schlimmer Anblick. Jahre später habe ich noch Splitter in Regalecken gefunden“, erinnert sich Trautner.
Abgesehen davon blieb die Bibliothek bislang von größeren Schäden verschont. „Bücher-Diebstähle gibt es weit seltener, als man denkt“, sagt Renner. Ein Printexemplar koste heutzutage etwa 80 bis 120 Euro, selten auch mal 200 Euro – keine Summen also, für die sich das Risiko eines Diebstahls lohne. E-Books seien deutlich teurer – hier werden auch mal bis zu 2.000 Euro fällig, denn schließlich verkauft der Verlag in der Regel nur ein Exemplar. Dass Bücher verschmutzt oder beschädigt zurückgegeben werden, kommt Greubel zufolge jedoch häufiger vor: „Einmal brachte ein Student ein Buch zurück, dessen Ecke sein Hund abgebissen hatte.“ Renner ergänzt: „Wir sind eine Gebrauchsbibliothek. Auch wenn es ein Ort der Bücher ist: In der Bibliothek geht es um Menschen.“ Ziel einer wissenschaftlichen Bibliothek sei es, Menschen zu helfen.
Renner und sein Vorgänger Greubel sind eher zufällig auf den Beruf gestoßen. Was sie den Menschen ausleihen, ist ihnen weniger wichtig als der soziale Austausch und die Möglichkeit, anderen helfen zu können. Auch Trautner betrachtet die Bibliothek als einen Ort für Menschen: „Ich sehe die Bibliothek der Zukunft weiterhin als einen Wohlfühlort, an dem sich unsere Studierenden gerne aufhalten, und als einen Treffpunkt für Kultur und internationale Begegnung.“
Wie die Ausleihe vor 40 Jahren funktionierte
Früher arbeiteten Bibliotheken mit Zettelkatalogen: Jedes Buch wurde auf einer Karteikarte mit bibliografischen Angaben und Signatur gelistet. Die Karten wurden jeweils nach Autorinnen und Autoren sowie Schlagwörtern sortiert und in Schränken voller Holzkästen aufbewahrt. Die Leihfrist betrug wie heute vier Wochen und konnte zwei Mal verlängert werden. Mit der Einführung der EDV-Kataloge mit Mikrofiches waren ab 1983 erstmals auch Fernleihen möglich.