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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Forschung und Lehre, Hand in Hand

THWS ermöglicht zunehmend mehr Forschungsprofessuren

 © COLOURBOX Omelchenko

Gleichermaßen Lehren und Forschen – das war lange nur Professorinnen und Professoren an Universitäten möglich. Seit 2019 fördert der Freistaat Bayern nun Forschungsprofessuren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Die THWS nutzt diese Chance, um praxisnahe und qualitätsgesicherte Forschung aufzubauen.

Jan Schmitt arbeitete als Produktverantwortlicher im Engineering der Vorwerk Elektrowerke, als er durch Zufall in der Zeitung auf eine Stellenausschreibung stieß – und zwar für eine Forschungsprofessur im Bereich Prozessmanagement in der digitalen Produktion an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. „Da musste ich mich erst einmal erkundigen, was eine Forschungsprofessur ist“, erzählt Schmitt. „Aber das war letztendlich auch entscheidend, dass ich diese Professur annahm. Ich hätte nicht gedacht, dass ich im relativ jungen Alter schon Professor werde, aber das war immer mein Traum: Lehre und Forschung.“

Staat fördert mehr Lehre an Hochschulen

Als Schmitt im Alter von 35 Jahren im September 2018 an die Hochschule kam, war er einer der ersten Forschungsprofessoren an der THWS. Heißt: Von den 18 Semesterwochenstunden, die er an der Hochschule zu leisten hat, nutzt er die eine Hälfte für die Lehre und die andere für Forschung. Ein neues Modell, das unter anderem die Hightech Agenda Bayern möglich macht. Bisher waren alle Professorinnen und Professoren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften rein in der Lehre beschäftigt. Geforscht wurde vor allem an den Universitäten – von Ausnahmen wie etwa Forschungssemestern einmal abgesehen.

Zitat von Prof. Dr.-Ing. Jan Schmitt: „Das war immer mein Traum: Lehre und Forschung.“
Logo der Hightech Agenda Bayern

„Aber man hat jetzt gemerkt, dass angewandte Forschung sehr wichtig ist und dass Hochschulen für angewandte Wissenschaften dies sehr gut bedienen können“, erklärt Prof. Dr. Jürgen Hartmann, zum Zeitpunkt des Gesprächs Vizepräsident für Forschung an der THWS. Seine Aufgaben sind vielfältig: er möchte die Forschung an der THWS voranzubringen, den Kolleginnen und Kollegen den Forschungseinstieg erleichtern, die Rahmenbedingungen für die Forschungsarbeit optimieren, Unternehmensgründungen unterstützen, Forschungsimpulse geben und eine Forschungsvision für die Hochschule entwickeln.

Hartmann erklärt, ein Ziel hinter der staatlichen Förderung von Forschungsprofessuren sei, deutsche Unternehmen zukunftssicher zu machen, damit sie auf dem zunehmend stärker umkämpften Weltmarkt weiterhin konkurrenzfähig sind und die Marke „Made in Germany“ weiter nach vorne bringen können. „Es geht also auch darum, dass kleine und mittelständische Unternehmen, die keine eigenen Forschungsabteilungen haben, unsere Forschungsexpertise nutzen können“, sagt Hartmann. Letztlich sollen die Forschungsmittel also dazu beitragen, die Produktivität der deutschen Wirtschaft und damit das Bruttosozialprodukt zu steigern. 

Porträtbild Prof. Dr. Jürgen Hartmann
Prof. Dr. Jürgen Hartmann (© Stefan Bausewein)

Praxisnahe Forschung mit klaren Zielen

An der THWS liegen die Forschungsschwerpunkte auf den Themenfeldern „Mensch und Mobilität“, „Digitale und intelligente Systeme“ sowie „Energie- und Energietechnik“. Aktuell laufen an der THWS rund hundert Forschungsprojekte. Diese würden sich dabei vor allem durch ihren starken Praxisbezug auszeichnen, meint Hartmann: „Unsere Hochschule ist regional geprägt und stark vernetzt. Daher haben die Firmen keine Probleme, mit uns zu kooperieren und deswegen können wir sehr gut praxisnahe Forschung machen.“

So arbeitet die Hochschule beispielweise gemeinsam mit der Firma Knauf an einem Recyclingprozess für Gips, entwickelt gemeinsam mit der AOK Programme zur besseren Stressbewältigung für Studierende oder forscht in Zusammenarbeit mit Airbus an einem KI-gestützten Prozess, um Flugzeuge mit Hilfe von Drohnen zu untersuchen. So sind schon einige Leuchtturmprojekte an der THWS entstanden. Etwa das Hochspannungslabor in Schweinfurt, das größte an einer deutschen Technischen Hochschule. „Dadurch verändert sich das Selbstverständnis einer Hochschule“, sagt Hartmann. „Wir sind in Teilbereichen so gut und selbstbewusst, dass wir mit Universitäten konkurrieren können.“

Forschungsprofessor Schmitt beschäftigt sich mit Themen der Industrie 4.0 in Kombination mit Automatisierung, maschinellem Lernen, Datenengineering und Nachhaltigkeit. Er erzählt: „Es ist mehr als eine Herausforderung, die Waage zwischen Lehre und Forschung zu halten.“ Es gebe für ihn jedoch nicht Lehre oder Forschung, sondern nur beides, Hand in Hand. Das eine befruchte das andere. Hartmann sieht das ähnlich: „Unsere Hauptaufgabe ist, Studierende sowohl für die wissenschaftliche als auch für die praktische Arbeit vorzubereiten. Dazu brauchen wir aber die Möglichkeit, bei den Forschungsarbeiten ganz vorne mit dabei zu sein. Es darf jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass die Forschung das Sahnehäubchen ist und die Lehre einfach nur das, was gemacht werden muss.“

Daher müssen die Forschungsprofessorinnen und -professoren Zielvereinbarungen unterschreiben und ihre Forschungsarbeit belegen. Dieser Mechanismus soll die Qualität der Forschung sichern – darin sind sich Hartmann und Schmitt einig. Mögliche Ziele sind etwa eine bestimmte Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen, das Einwerben von Drittmitteln oder Kooperationen mit Unternehmen. „Die Ziele sind gut ausbalanciert: erreichbar, aber auch nicht zu lax“, findet Schmitt. Jedes Semester muss er einen Bericht über die gesetzten Ziele vorlegen, nach fünf Jahren folgt eine Evaluation und es wird darüber entschieden, ob die Forschungsprofessur fortgeführt oder das Lehrdeputat wieder erhöht wird.

Porträtfoto Prof. Dr.-Ing. Jan Schmitt
Prof. Dr.-Ing. Jan Schmitt (© Jan Schmitt)

Forschungsprofessuren erhöhen die Attraktivität der THWS

Ein Schritt, der bei Schmitt demnächst ansteht. Er möchte unbedingt Forschungsprofessor bleiben und seine Projekte weiter forcieren und vertiefen – weiterhin sowohl forschen, als auch lehren. „Spannender ist die Forschung, weil man einfach ganz viele Projekte hat“, sagt er. „Aber auf der anderen Seite ist es in der Lehre sehr interessant, da man jedes Jahr mit anderen Menschen und Charakteren zu tun hat.“ Letztendlich mache es die Mischung.

Es sei sein Traumjob, aber es brauche dafür auch viel intrinsische Motivation. Bei einer Forschungsprofessur an einer Technischen Hochschule müssten viele Strukturen von Grund auf neu aufgebaut werden. Genau das biete aber auch Chancen: „Die Strukturen an Universitäten sind deutlich zäher und die THWS hat aufgrund ihrer kleinen Größe die Möglichkeit, agiler zu sein.“ Schmitts Wunsch für die nächsten Jahre wäre es, einen administrativen Überbau zu etablieren, um effizientere Forschungsstrukturen zu schaffen. Hartmann wünscht sich, zukünftig noch mehr Menschen für Forschungsprofessuren gewinnen zu können. „Wir haben 26 Stellen, die zu 100 Prozent forschen dürften. Das heißt, wir könnten bis zu 52 Kolleginnen und Kollegen einstellen, die jeweils zur Hälfte Forschung, zur Hälfte Lehre machen.“ Ende 2022 gab es an der THWS zehn Forschungsprofessuren.

Für Hartmann bedeuten die Forschungsprofessuren in mehrfacher Hinsicht ein Qualitätsmerkmal: Zum einen werde die THWS so attraktiver für junge Professorinnen und Professoren, die sich neben der Lehre auch immer mehr die Möglichkeit zu forschen wünschen. Zum anderen bietet dieses neue Arbeitsmodell auch die Chance, junge Menschen näher an die Forschung heranzubringen, noch besser auszubilden und für ein Studium an der THWS zu begeistern. Hartmanns Fazit: „Mit den Forschungsprofessuren haben wir wirklich gute Chancen, uns gegenüber anderen Hochschulen zu behaupten und für die Region das Beste rauszuholen.“

Zitat von Prof. Dr. Jürgen Hartmann: „Mit den Forschungsprofessuren haben wir wirklich gute Chancen, uns gegenüber anderen Hochschulen zu behaupten und für die Region das Beste rauszuholen.“

Ein Artikel von 
Katrin Hirmer