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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Aschaffenburg: Ein Standort wird flügge

Vom weißen Blatt Papier zur eigenständigen Hochschule

 © TH Aschaffenburg

Zum Wintersemester 1995/96 startete der Studienbetrieb in Aschaffenburg, begründet durch die FHWS. Fünf Jahre später wird der Standort zur selbstständigen Hochschule. Heute ist von der einstigen Verbindung im Hochschulalltag nichts mehr zu spüren.

Der Name war lang: Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt-Aschaffenburg. Ähnlich lang waren die Wege zwischen den Standorten, gut anderthalb Stunden Fahrtzeit und über 120 Kilometer über die A3 und die A7 betrug die Entfernung, wollte man vom Standort Schweinfurt nach Aschaffenburg gelangen. Von Würzburg aus waren es immer noch rund 80 Kilometer. Fünf Jahre lang gehörte Aschaffenburg als Abteilung zur FHWS dazu, bis sich der Standort als eigenständige Hochschule im Jahr 2000 abspaltete. Heutigen Studierenden beider Hochschulen ist kaum bewusst, dass es diese Beziehung einmal gegeben hat. Spezielle Verbindungen oder Kontakte zwischen „Mutter“ FHWS und „Tochter“ Aschaffenburg gibt es nicht. Wie kam es seinerzeit überhaupt dazu, einen dritten Standort zu gründen?

Gründung mit historischem Bezug

„Aschaffenburg ist wieder Hochschulstadt“ – mit diesen Worten überschrieb der damalige Hochschulpräsident Prof. Dr. Wolfgang Fechner im Jahr 1995 sein Vorwort in der Festschrift zur Einweihung der neuen Abteilung. „Wieder?“ möchte man fragen. Ja „wieder“, denn Prof. Dr. Fechner nahm Bezug auf die Karls-Universität, die von 1808 bis 1814 in Aschaffenburg beheimatet war und auf Karl-Theodor von Dalberg zurückgeht. Dieser habe schon damals den Theorie-Praxis-Bezug in der Bildung und Ausbildung junger Menschen zur Grundlage der Neugründung von Hochschulen gemacht, so Fechner in seinem Vorwort. Daher sei es recht und billig, dass die Hochschultradition endlich wieder aufgenommen werde, „mit einer Hochschule für die moderne Industrie, Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft“.

Der Grundgedanke hat also einen wahrlich historischen Bezug, jedoch liegt die eigentliche Begründung eher im allgemeinen Aufschwung der 1970er Jahre, als zahlreiche Hochschulen in Bayern erstmalig gegründet wurden – so wie die Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt, die seit dem 1. August 1971 existiert. Seinerzeit bewarb sich auch die Stadt Aschaffenburg als Hochschulstandort, wurde allerdings erst bei der zweiten Aufbau-Phase 1990 berücksichtigt und konnte sich gegen 25 andere Mitbewerber durchsetzen.

Von der baulichen Planung bis zur rechtlichen Gründung

In Aschaffenburg begann die Planung auf einem weißen Blatt Papier. Da lag der Gedanke nahe, sich durch einen erfahrenen Partner Aufbauhilfe und Unterstützung zu verschaffen. So verabschiedete der Bayerische Ministerrat am 26. November 1991 den grundlegenden Beschluss, dass Aschaffenburg als Abteilung der seit 20 Jahren bestehenden FHWS gegründet wurde. Es folgte die Besetzung eines Strukturbeirats mit Professorinnen und Professoren sowie Vertretenden der Industrie und Verwaltung, um die Planung des neuen Standorts an die regionalen Bedürfnisse und Gegebenheiten anzupassen. Der Strukturbeirat tagte zwischen 1992 und 1993 und übergab seine Empfehlungen an den damaligen bayerischen Kultusminister Hans Zehetmair. Ende April 1994 verabschiedete dann der Landtag das Errichtungsgesetz für die neuen Hochschulen. Damit wurde die Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt-Aschaffenburg zum 1. Mai 1994 rechtlich existent und es begannen die Ausschreibungen für Bauarbeiten sowie Professorinnen- und Professoren-Stellen.

Technische Hochschule Aschaffenburg - Gebäude 26 (© TH Aschaffenburg)
Technische Hochschule Aschaffenburg - Gebäude 26 (© TH Aschaffenburg)

1.000 Studierende galten als mittelfristiges Ziel für die in der Aufbauphase vorgesehenen Studiengänge Betriebswirtschaft, Maschinenbau, Elektrotechnik und Produktionstechnik. Doch dafür musste zunächst ein geeigneter Ort in der Stadt gefunden werden. Die Wahl fiel auf die unter Denkmalschutz stehende Jäger-Kaserne in der Würzburger Straße, die auch heute noch Teil der Technischen Hochschule Aschaffenburg (TH AB) ist. Insgesamt über 80 Millionen Mark verschlang der etappenweise Umbau der ehemaligen Kaserne des US-Militärs in ein funktionales, modern ausgestattetes Hochschulgebäude.

Improvisation und Flexibilität waren gefragt

Provisorisch ging es am 9. Oktober 1995 los: 89 Studierende der Betriebswirtschaftslehre starteten ihr Studium, betreut von vier Professoren und neun Lehrbeauftragten, darunter Gründungsdekan Prof. Dr. Ulrich Brunsmann. Der schrieb in der Festschrift über den Start: „Derzeit beginnt der Studienbetrieb in einem einzigen kleinen Gebäude mit Hörsälen, Seminarräumen, dem Labor für Datenverarbeitung, der betriebswirtschaftlichen Bibliothek, mit Dienstzimmern und Verwaltung.“ Improvisation und Flexibilität waren damals an der Tagesordnung. Brunsmann, der maßgeblich zum Auf- und Ausbau des Hochschulstandorts in den ersten Jahren beitragen hat, beschreibt sein damaliges Tätigkeitsfeld heute so: „Ich war Mädchen für alles. Wir mussten damals viel improvisieren, wurden aber von Würzburg aus kräftig unterstützt.“

Zitat von Prof. Dr. Ulrich Brunsmann: „Ich war Mädchen für alles. Wir mussten damals viel improvisieren, wurden aber von Würzburg aus kräftig unterstützt.“

Die Unterstützung zahlte sich aus. Die seit Beginn des Studienbetriebs durchgeführte Umfrage in Aschaffenburg zeigte durchgehend positive Werte, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Mai 1999 beschreibt. Über 82 Prozent der 400 Studierenden beurteilten in dem Jahr das Studienklima als gut bzw. sehr gut. „Honoriert wurden offenkundig das Lehrangebot, die hochwertige, moderne Ausstattung der Hochschule und die Arbeit der Studentenvertretung.“ Ein Kritikpunkt damals: die schlechte Parkplatzsituation.

Bereits zum Start war klar, dass die Abteilung Aschaffenburg einmal selbstständig werden würde und bald auf eigenen Beinen stehen müsse, ohne Unterstützung aus Würzburg und Schweinfurt. Roland Weigand, damals Redakteur der Festschrift zur Einweihung und langjähriger Referent des Präsidenten der FHWS, formuliert es so: „Die Ausgründung war sinnvoll und politisch so gewollt. Der Aufbau eines neuen Hochschulstandorts geht schließlich nicht von jetzt auf gleich.“ Das bestätigt auch der damalige Vizepräsident und spätere Präsident der FHWS, Prof. Dr. Heribert Weber: „Wir konnten Aschaffenburg mit unserer Verwaltung helfen. Das war auch gut so. Aber nach fünf Jahren mussten die selbstständig werden.“

Zitat von Roland Weigand: „Aschaffenburg ist heute durch und durch eigenständig.“

Keine Konkurrenz für die FHWS

Daraus entstanden ist die Technische Hochschule Aschaffenburg, die heute über 3.300 Studierende zählt. Die beiden Fakultäten Ingenieurwissenschaften sowie Wirtschaft und Recht bieten über 16 Bachelor- sowie sieben Masterstudiengänge an. Eine starke Konkurrenz zur FHWS könnte man meinen, doch spielt damals wie heute die große Entfernung zwischen den Standorten eine ausschlaggebende Rolle. So fragte der Sonntags-Kurier den damals frisch gekürten Präsidenten Prof. Dr. Weber im März 2000: „Und die FH Würzburg-Schweinfurt hat damit eine Konkurrenz direkt vor der Nase?“ Weber antwortete: „Das glaube ich nicht“ – und verwies auf die geografische Lage: „Die Aschaffenburger werden eher Studenten aus Darmstadt, Dieburg oder Frankfurt anziehen.“

Und so ist es dann auch gekommen. Beide Hochschulen haben ihre eigenen Einzugs- und Forschungsgebiete und sind unabhängig voneinander. Es gebe keinen besonderen Kontakt, „auch nicht auf präsidialer Ebene. Wir pflegen ein gut-nachbarschaftliches Hochschulverhältnis“, erläutert Weigand. „Aschaffenburg ist heute durch und durch eigenständig.“

Auf die Frage, ob ihn der Abschied von Aschaffenburg schmerze, antwortete der ehemalige Präsident Prof. Dr. Weber in dem Interview von 2000: „Es war unsere Aufgabe, diese Abteilung so weit zu bringen.“ Es klingt, wie wenn Eltern akzeptieren müssen, dass der Nachwuchs auszieht und flügge wird.

Portrait Nils Braunöhler

Ein Artikel von 
Nils Braunöhler