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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Logistik: Regional statt weitgereist

Nachhaltigkeitsaspekte sind integraler Bestandteil der Logistik-Studiengänge an der THWS

 © photoschmidt

Milch aus Mecklenburg, Erdbeeren aus Spanien, Bananen aus Ecuador – was wir essen und trinken, ist vorher oft um die halbe Welt transportiert worden. In den Logistik-Studiengängen der THWS ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Bestandteil der Lehre. Doch was ist nachhaltig und an welchen Stellschrauben kann man drehen?

Transportwege minimieren, den CO2-Ausstoß reduzieren: Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Das gilt buchstäblich auch für die Lebensmittelbranche. Doch werden wir deshalb nur noch das essen, was auf heimischen Feldern wächst? Birgit Gampl, Professorin für angewandte Logistik an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der THWS, hält diese Vorstellung nicht für realistisch: „Eine globalisierte Welt wird es weiter geben, weil wir die Avocado essen wollen, weil wir einfach daran gewöhnt sind, dass wir Produkte, die es irgendwo anders auf der Welt gibt, auch bei uns haben.“ Überhaupt sei Regionalität bei Lebensmitteln nicht alles. Denn was zwar vor Ort wächst, aber dafür riesige Gewächshäuser und Unmengen an Energie benötigt, ist auch alles andere als nachhaltig.

Dieser Zwiespalt zeigt sich auch bei Bio-Produkten, die in letzter Zeit einen regelrechten Hype erlebt haben, obwohl sie im Schnitt 30 Prozent teurer sind als konventionelle Produkte. Die Nachfrage nach der vermeintlich nachhaltigen Bio-Ware ist so groß, „dass man in Deutschland gar nicht mehr mit der Produktion hinterherkommt“, sagt Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt, Leiter des Instituts für angewandte Logistik (IAL) und Nachhaltigkeitsbeauftragter an der THWS. Die Folge: Immer mehr Bio-Ware wird aus dem Ausland importiert. Und da müsse man sich dann schon fragen, „wie nachhaltig solche Bio-Produkte sind, wenn sie einen längeren Transportweg haben“, so der Logistik-Professor. Er sieht Anzeichen für ein Umdenken im Konsumverhalten der Menschen: „Ich bin mir sicher und es gibt genug Studien, die belegen, dass nachhaltige Produkte mit einem entsprechenden Carbon-Footprint in Zukunft genauso nachgefragt werden wie Bio-Produkte, obwohl sie teuer sind“, so Prof. Dr. Müller-Steinfahrt. „Das Konsumverhalten wird sich verändern, weg vom Massenkonsum.“

Zitat von Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt: „Das Konsumverhalten wird sich verändern, weg vom Massenkonsum.“
Küchentisch mit ausgewählten Lebensmitteln
Was bei uns auf den Küchentisch kommt, ist vorher oft um die halbe Welt gereist. (© Niko Fröba)

Ökologische und ökonomische Aspekte sind für Unternehmen relevant

Auch in der Lebensmittelbranche hat man die Zeichen der Zeit erkannt: Nachhaltigkeit ist in den Zielgrößen der Unternehmen immer relevanter geworden, weil das von der Kundschaft nachgefragt wird. Das gleiche gilt auch für die Logistik: Die Kundinnen und Kunden der Logistik-Unternehmen fragen immer öfter nachhaltige Transportdienstleistungen an, fordern konkrete Angaben hinsichtlich des CO₂-Footprints für den Transport. Auch wenn die Logistik wirtschaftlichen Zwängen unterliegt, sind Gewinnmaximierung und Effizienzsteigerung also nicht mehr die einzig gültigen Erfolgskriterien. Wobei ökonomische Kriterien dominieren: „Viele Unternehmen tun etwas, wenn die Wirkung ökologisch und zugleich auch ökonomisch wirksam ist, also öko-effizient“, sagt Müller-Steinfahrt.

Der Logistik-Branche stehen diverse Stellschrauben zur Verfügung, um ihr Wirtschaften nachhaltiger zu gestalten. So sei etwa der Auslastungsgrad von LKWs nicht optimal, sagt Prof. Dr. Müller-Steinfahrt. Hier dürfe es keine Denkverbote geben: Möglich seien etwa Kooperationen mit Wettbewerbern, um Transporte zu optimieren. „Auch die Digitalisierung kann dabei helfen, gemeinsam knappe Ressourcen besser zu nutzen“, so der Experte.  Und welche Stellschrauben stehen der Logistik-Branche zur Verfügung, um ihr Wirtschaften nachhaltiger zu gestalten? Nicht unterschlagen werden darf hierbei, dass der Anteil der Logistik am CO2-Fußabdruck eines Produkts nur etwa sieben bis acht Prozent ausmacht. Der weitaus größere Teil entsteht also in der Produktion. Trotzdem sei es wichtig, hier aktiv zu werden, betont Müller-Steinfahrt. Denn rein quantitativ betrachtet sei der CO2-Ausstoß in der Logistik dennoch ein beträchtlicher Betrag.

Zitat von Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt: „Der Auslastungsgrad von LKWs, der ist immer noch nicht optimal. Viel zu viel Luft wird noch umhergefahren.“

Nachhaltigkeitsaspekte spielen in den Studiengängen der THWS eine große Rolle

Um das Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften und den Wandel innerhalb der Logistik-Branche weiter zu stärken, werden die angehenden Logistikerinnen und Logistiker der THWS an das Thema Nachhaltigkeit herangeführt. Wobei hier kaum Anreize nötig wären, das Interesse sei bei den Studierenden von Vornherein sehr groß, berichtet Prof. Dr. Müller-Steinfahrt: „„Die Studierenden fragen das immer wieder nach. Bachelor- und Masterarbeiten zum Thema Nachhaltigkeit sind sehr beliebt.“ Und auch die Wahlpflichtfächer zu der Thematik seien sehr gut besucht. Prof. Dr. Birgit Gampl bestätigt diesen Trend: Nachhaltigkeitsthemen würden in Forschung und Lehre einen immer breiteren Raum einnehmen. Und damit einhergehend spiele auch das Thema Regionalität eine zunehmend wichtige Rolle.

Ein Artikel von 
Niko Fröba