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Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Blockchain: Technologie der Zukunft?

Der vielfältige Einsatz der Blockchain-Technologie an der FHWS

 © colourbox/FHWS

An der FHWS gibt es eine Menge Projekte und Themenbereiche, in der die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain Anklang finden. Von Wirtschaftswissenschaften über Informatik bis hin zur Logistik – die moderne Blockchain-Technologie wird an der Hochschule in vielen Bereichen weiterentwickelt und erforscht.

Das immer schneller werdende Piepen der Monitore in der Notaufnahme. Das Rascheln der vielen Dokumente, die aufgestapelt auf dem Tresen liegen. Die hektischen Stimmen des Pflegepersonals, das verzweifelt versucht, die richtige Einwilligung zu finden, während es um das Leben einer Patientin oder eines Patienten kämpft.

Foto der Preisverleihung
Die Würzburger Informatiker Andreas Schütz (von links) und Tobias Fertig nahmen in Berlin von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den zweiten Preis bei der Zukunftswerkstatt "Blockchain im Gesundheitswesen" entgegen. (© VDI/VDE-IT, Norman Posselt)
Ein Bild mit einer Person, welche eine Checkbox abhakt und dadurch der Nutzung der Daten zustimmt.
Das Bild zeigt den Einsatz der Software dPaCoS der beiden Würzburger Doktoranden. (© FHWS/Andreas Schütz)

Solche Situationen sind in Krankenhäusern nicht selten. Eine Lösung, wie der Alltag dort stressfreier und organisierter sein könnte, stellen die beiden Doktoranden Andreas Schütz und Tobias Fertig von der FHWS vor. 2019 nahmen die Informatiker an einem Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für Gesundheit teil und belegten dort den zweiten Platz mit ihrer Präsentation des sogenannten dPaCos (decentralized Patient Consent Service). Dabei handelt es sich um einen dezentralen Service für Patienteneinwilligungen, der auf der Blockchain-Technologie basiert. 

Er soll zunächst als dezentralisierte App entwickelt werden, die Patienteneinwilligungen transparent und unveränderbar in der Blockchain speichert. Zukünftig soll der Service auch an verschiedene Systeme in Krankenhäusern oder auch Genom-Datenbanken angeknüpft werden. So können Patientinnen und Patienten dort ihre Einwilligungen zu Prozessen wie Blutspende, Organspende oder auch lebenserhaltenden Maßnahmen speichern. Diese können dann in stressigen Situationen schnell und sicher vom medizinischen Personal abgerufen werden. 

„Blockchain ist unveränderbar und sehr transparent. Die Technologie schafft Vertrauen dadurch, dass so viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer jegliche Prozesse überschauen und verifizieren“, sagt Schütz. Genau deshalb sei die Technologie so geeignet für das Gesundheitswesen. Dass sich zwei Doktoranden der FHWS beim Wettbewerb gegen 142 Einreichungen erfolgreich durchsetzen konnten, liegt laut Schütz daran, dass beide Informatiker seien: „Denn so konnten wir die Stärken und Schwächen der Technologie ganz klar herausstellen.“ Zusammen mit Gesundheitsminister Jens Spahn diskutierten Schütz und Fertig mit den erst- und drittplatzierten Teams des Wettbewerbs anschließend über weitere Möglichkeiten der Umsetzung der vorgestellten Konzepte.

Zitat von Andreas Schütz: "Blockchain ist unveränderbar und sehr transparent. Die Technologie schafft Vertrauen dadurch, dass so viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer jegliche Prozesse überschauen und verifizieren."
Gruppenbild aller Beteiligten
Im Mai 2019 besuchten Tobias Fertig und Andreas Schütz (4. und 5. von li., hintere Reihe) in Berlin im Bundesministerium für Gesundheit den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (2. von li.), der mit den drei Gewinnern des Ideenwettbewerbs „Anwendungskonzepte für Blockchain-Technologien im deutschen Gesundheitswesen“ über konkrete Möglichkeiten für die Umsetzung ihrer Konzepte sprach. (© Bundesministerium für Gesundheit/Schinkel)

Blockchain wurde an der FHWS im Jahr 2016 zum Thema, als Prof. Dr. Michael Müßig, Professor für Innovationsmanagement an der Fakultät Informatik und Wirtschaftsinformatik, ein Blockchain-Barcamp organisierte. Experten aus ganz Deutschland waren eingeladen, um sich über die neue Technologie auszutauschen. Seitdem gab es Vorlesungen und Gastvorträge von Schütz und Fertig an verschiedenen Fakultäten.

Hype oder disruptive Innovation?

Die Frage, ob Blockchain bloß einen Hype oder doch eine disruptive Innovation darstellt, beschäftigt demnach nicht nur die Informatik. 2019 plante Prof. Dr. Arndt Gottschalk von der Fakultät Wirtschaftswissenschaften einen Workshop für Studierende zum Thema Blockchain. „Zu dem Zeitpunkt hieß es, Blockchain würde die Welt verändern und da war mir klar, dass unsere Studierenden das Thema mitgestalten müssen“, so Gottschalk.

Nach einem Brainstorming startete ein sechswöchiger „Design Thinking Prozess“, in dem die Studierenden sich kritisch mit der modernen Technologie auseinandersetzten. Sie erstellten Prototypen, ohne Programmierkenntnisse zu benötigen. So wurde das Ziel, die Brücke zwischen Anwendenden und Entwickelnden zu bauen, erreicht.

Beispielsweise erarbeitete eine Gruppe eine sogenannte Book-Chain. Dabei handelt es sich um eine digitale Plattform, in der alle Daten zur Organisationsentwicklung miteinander über Blockchain-Technologie sicher vernetzt sind. Um diese digitale Plattform greifbar zu machen, bauten die Studierenden einen Prototyp. Dieser bestand aus vier Räumen, in denen jeweils Platz für Fragen, eine Stellenvermittlung, Literatur und Austausch miteinander war. Das Ziel war mithilfe einer internen Währung über das Blockchain-System für die angebotenen Leistungen zu bezahlen.

Zitat Prof. Dr. Arndt Gottschalk: „Mit wenig Vorwissen haben wir uns das Thema mit viel Spannung erarbeitet, da die vielseitige Technologie für den Fachbereich Controlling über Personal-Management bis hin zu Steuern sinnvoll sein kann.“

Der Professor erklärt begeistert: „Mit wenig Vorwissen haben wir uns das Thema mit viel Spannung erarbeitet, da die vielseitige Technologie für den Fachbereich Controlling über Personal-Management bis hin zu Steuern sinnvoll sein kann.“ Das erkannten laut Gottschalk auch die Studierenden, denn „im Laufe des Semesters war die Mehrheit davon überzeugt, dass Blockchain in der Tat eine disruptive Innovation ist.“

Strategiewerkzeug für die Logistik

Auch in der Logistik führt die Diskussion um die Blockchain-Technologie zu einem Umdenken. „Es ist spannend zu überlegen, welche Prozesse Blockchain in der Logistik verbessern könnte und an welcher Stelle die Technologie ein Werkzeug wäre, wo es vorher keine Lösung gab“, meint Peter Walker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Logistik (IAL) an der FHWS. Seiner Meinung nach liegt das größte Blockchain-Anwendungsfeld in der Logistik im Bereich des Supply Chain Managements. Denn die Blockchain-Technologie gilt als Innovation in der Netzwerktechnik und kann durch ihre Charakteristika die industrielle Fertigung und Lieferung sicherer und effizienter machen.

„Wir haben das Thema Blockchain 2018 zum ersten Mal aufgegriffen, als wir mit der Stadt Würzburg und Partnern wie Siemens oder der TU München den Green City Plan für Würzburg erarbeitet haben“, sagt Walker. Studierende der FHWS hatten ein Konzept zur urbanen Logistik vorgestellt. Dabei entstand ein Plan, in dem Maßnahmen dargestellt und im Hinblick auf emissionsfreie und nachhaltige Mobilität in der Region Würzburg bewertet wurden.

Gerade im Bereich der Innenstadtlogistik kam es laut Walker zu einer interessanten Fragestellung, die ein Bachelorstudent anschließend in seiner Abschlussarbeit behandelte. „Denn dieser hat die Innenstadtbelieferung Würzburgs hinsichtlich einer Crowd-Shipping Lösung mit Blockchain untersucht“, so Walker. Crowd-Shipping kann als ein Beispiel dafür angesehen werden, wie Menschen soziale Netzwerke nutzen, um sich gemeinschaftlich zu verhalten und Dienstleistungen und Güter zum Wohle der Gemeinschaft sowie zu ihrem eigenen persönlichen Nutzen zu teilen. Durch das dezentrale System der Blockchain kann eine digitale Crowd-Shipping-Plattform als Gestaltungselement der neu strukturierten Warenlogistik in Würzburg erarbeitet werden. Laut Walker sei es demnach immer spannend zu schauen, wo sich Studierende die Blockchain in der Anwendung vorstellen können.

Blockchain als Allheilmittel?

Nicht für alle Problemstellungen ist jedoch zwingend eine Blockchain-Anwendung die Lösung, findet Prof. Dr. Karsten Machholz von der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen: „Für viele Herausforderungen kommt man auch mit derzeit existierenden Datenbanken und sicheren, verschlüsselten Prozessen zum Ziel. Das Risiko gehackt zu werden, ist hierbei allerdings deutlich größer.“

Er ist der Meinung, dass „die anfänglich zu hohen Erwartungen an die neue Technologie sich nun auf einer realistischeren Basis eingependelt haben.“ Das sei ihm zufolge allerdings bei jeder neuen Technologie so üblich. „Um die Blockchain-Technologie erfolgreich zu nutzen, muss sie einer breiten Masse an Akteuren zugänglich sein. Viele große Player verschiedener Industrien haben sich bereits zusammengeschlossen, um gemeinsam neue Standards für ihre Sektoren zu etablieren“, sagt Machholz. Durch eine zukünftige Vorlesungsreihe zum Thema Blockchain möchte er das Thema den Studierenden näherbringen und über die Vorteile der fortschrittlichen Technologie aufklären.

Technologie der Zukunft

Es ist außerdem geplant, dass die FHWS Teil der DigiCerts -Allianz wird. So sollen gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut, der Technischen Hochschule Lübeck und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Blockchain-Zertifizierungen ermöglicht werden. Die beiden Doktoranden Schütz und Fertig werden bei diesem Projekt federführend sein. Damit wäre die Hochschule Teil eines der wenigen Blockchain-Projekte, die live laufen und genutzt werden. Fertig ist der Meinung, dass bereits alle relevanten Informationen vorhanden seien, um den notwendigen technischen Knoten aufzusetzen. Jedoch kam aktuell die Corona-Krise dazwischen: „Sobald die Situation sich verbessert, wollen wir die FHWS da als Partner integrieren“, sagt der Informatiker.

Außerdem haben die beiden Doktoranden vor, weiterhin an den auf der Blockchain basierten Patienteneinwilligungen zu forschen und die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium fortzusetzen. „Unser erster praktischer Schritt wäre eigentlich, in Kliniken zu gehen, wie beispielsweise die Uniklinik Würzburg. Dort würden wir schauen, was es für Probleme mit Patienteneinwilligungen gibt“, sagt Schütz. „Durch Experteninterviews sollen diese dann analysiert und ausgewertet werden, um zu schauen, wo die Blockchain-Technologie und somit dPaCos genutzt werden kann.“

Durch den innovativen Einsatz von Blockchain-Technologie soll der Alltag künftig also in vielerlei Hinsicht erleichtert werden. Gerade durch die vielfältigen und gleichzeitig spezifischen Einsatzmöglichkeiten ist in Zukunft noch mehr von der Blockchain zu erwarten, obwohl es schon bisher weitläufig angewendet wird. Es ist also nicht nur die Technologie der Zukunft, sondern zudem die Technologie von heute. Auch an der FHWS wie Schütz es beschreibt: „Im Bereich der Blockchain-Technologie läuft an der FHWS nicht nur die Lehre, sondern auch aktuelle Forschung.“

Zitat von Andreas Schütz: „Im Bereich der Blockchain-Technologie läuft an der FHWS nicht nur die Lehre, sondern auch aktuelle Forschung.“

Die Blockchain-Technologie

Die Blockchain bezeichnet eine Technologie, die seit einigen Jahren viel diskutiert wird. Mit ihr ist es möglich, jegliche Art von Information in einer öffentlich einsehbaren Datenbank zu speichern, zu verarbeiten, zu teilen und zu verwalten. In einer kontinuierlichen Liste von Datensätzen werden diese verschlüsselt miteinander verkettet. Jeder Teilnehmende der Blockchain hat die gleichen Zugriffsrechte auf die Datenbank. Aufgrund des neutralen Systems der Informations- und Datenverarbeitung ist dieses nicht zu hacken.

Durch diese Technologie besteht die Option, die sogenannten Vermittler oder auch Intermediäre (z. B. Banken, Notare etc.) zu übergehen und ein sicheres Handeln zu ermöglichen. Dank der ständigen Kontrolle der sogenannten Miner wird die Transparenz der Datenbank aufrechterhalten.

Die Aufgabe der Miner ist es, Block für Block die hinterlegten Informationen zu verifizieren, indem sie im Gegenzug für eine bestimmte Summe an Bitcoins den verschlüsselten Code lösen. Jeder Block wird durch das Mining verifiziert und auch versiegelt – so ist der Block und die enthaltene Information für immer unveränderlich und öffentlich in der Blockchain gespeichert.

„Es ist also eine möglichst dezentral verteilte Datenbank, in der verschiedene Teilnehmer miteinander interagieren und Prozesse verifizieren können“, so Andreas Schütz.

Portraitfoto Birte Kock

Ein Artikel von 
Birte Kock